Wissenschaftler: Ehrenamt verbessert Qualität sozialer Arbeit
Aachen/Rolduc - Soziale Einrichtungen müssen die Kooperation von Haupt- und Ehrenamtlern in einen organisatorischen Rahmen stellen. Dafür hat am Donnerstag (11. September) bei der Europäischen Freiwilligenuniversität in Aachen und Rolduc Prof. Paul-Stefan Roß geworben. Der Wissenschaftler ist Leiter des Studiengangs Soziale Dienste der Jugend-, Familien- und Sozialhilfe an der Fakultät Sozialwesen der Dualen Hochschule Baden-Württemberg in Stuttgart. Untersuchungen zeigten, so Roß weiter, dass in Einrichtungen und Verbänden die Organisationsentwicklung beim Freiwilligen-Management zu wenig beachtet werde.
Als positives Beispiel nannte Roß das mit Geldern aus dem Europäischen Sozialfonds geförderte Projekt "win-win für Alle!" der fünf Diözesan-Caritasverbände in NRW in den Jahren 2010 bis 2013. Dabei sei es um das Ehrenamtsmanagement und das neue Berufsprofil der Ehrenamtskoordinatoren gegangen. Die Verbände seien zu der Erkenntnis gelangt, dass derjenige, der mit Freiwilligen arbeite, zunächst das eigene Haus bestellen müsse.
Freiwillige in die Arbeit von Einrichtungen einzubeziehen habe einen Mehrwert, sagte der Wissenschaftler weiter. Das müsse die zentrale Argumentationsbasis gegenüber der Leitung der Einrichtung und ihren Mitarbeitern sein. Es gehe nicht darum, das Hauptamt durch das Ehrenamt zu ersetzen. Beide ergänzten sich vielmehr. "Ehrenamt ist nicht das Sahnehäubchen und auch kein Sparprogramm, es ist ein Qualitätsverbesserungsprogramm", sagte Roß bei seiner Vorlesung im niederländischen Rolduc.
Der Experte bezog sich auf Untersuchungen die gezeigt hätten, dass der Einsatz von Ehrenamtlern Normalität in Prozesse mit Kunden oder Klienten bringe. Ferner erhöhe der Einsatz von Freiwilligen die Verankerung der Einrichtung im Sozialraum und ihre Akzeptanz. Ehrenamtler, die sich in der Einrichtung wohl fühlten, seien für diese die besten Werbeträger. Der Nutzen sei nicht primär finanziell darstellbar, aber sekundär spiele er eine Rolle. Durch die Einbeziehung von Ehrenamtlern, so Roß, würden soziale Dienste qualitativ besser, ohne teurer zu werden.
Die Kernfrage der Förderung freiwilligen Engagements sei die Gewinnung der Hauptamtler, sagte Roß. Das gelinge mit einem breit angelegten Kommunikationsprozess. Denn es gebe Vorbehalte, sagte der Professor unter Berufung auf Untersuchungen: Die zeigten, dass Hauptamtler, die wenig mit Ehrenamtlern zu tun hätten, große Bedenken beim Engagement Freiwilliger hätten. Letztlich seien die Rollen nicht geklärt. Ehrenamtler und Hauptamtler würden vielfach nicht miteinander reden. Hauptamtler sähen sich durch die Betreuung der Ehrenamtler zusätzlich belastet. Zudem würden Ehrenamtler als diejenigen gesehen, die sich die Rosinen herauspickten. Roß warb dafür, sich nicht zu scheuen, in sozialen Einrichtungen Debatten über eine Kooperation von Haupt- und Ehrenamt zu führen.
Die Europäische Freiwilligenuniversität bringt Haupt- und Ehrenamtler aus der Praxis mit Wissenschaftlern zusammen. Ausrichter der Freiwilligenuniversität, die jetzt zum siebten Mal stattfindet, sind in diesem Jahr die fünf Caritasverbände der nordrhein-westfälischen (Erz-) Bistümer und die Katholische Hochschule Nordrhein-Westfalen. Die Freiwilligenuniversität in Aachen und Rolduc geht am Freitag (12. September) mit einer öffentlichen Veranstaltung im Forum M in Aachen zu Ende. Zu dieser wird auch der frühere Präsident des Europäischen Parlamentes, Prof. Dr. Klaus Hänsch, erwartet.