Trotz allem: Hoffnung
Dieser 7. Dezember 2024 war ein historischer Tag. Nach fünf Jahren des Wartens erwachte die Kathedrale Notre Dame in Paris in all ihrer Pracht zu neuem Leben. Alles beginnt mit dem Läuten der Glocken, als wollten die Verantwortlichen die mit Erinnerungen beladenen Steine wecken. Draußen schlägt Bischof Laurent Ulrich dreimal mit seinem Bischofsstab gegen die massiven Pforten, dann öffnet sich zum ersten Mal seit dem verheerenden Brand das weltberühmte Portal. Menschen strömen herein: Ehrengäste, Staats- und Regierungschefs aus aller Welt und natürlich die Feuerwehrleute, die damals ihr Leben eingesetzt haben, um das Gebäude und seine Schätze zu retten. Für sie gibt es verdient Applaus.
Dann beginnt die Prozession. Bischöfe, Priester und Diakone aus mehr als hundert Diözesen ziehen ein. Gekleidet in liturgische Gewändern, die der 75-jährige Modedesigner Jean-Charles de Castelbajac eigens für den Anlass und für die TV-Übertragung entworfen hat. "Ich wollte, dass es den Kameras gefällt, dass auch die, die Tausende von Kilometern entfernt sind, die gleiche Schönheit sehen", sagt er. Auf den liturgischen Gewändern der Bischöfe symbolisieren zwölf bunte Kreuze die Apostel Christi. Auf den Gewändern der Priester sieht man das goldene Altarkreuz, das damals wie durch ein Wunder den Brand und den Einsturz des Daches überstanden hat. Auf Fotos aus den Tagen nach dem Feuer sieht man es trotz einer feinen Rußschicht, leuchtend aus den Trümmern der mittelalterlichen Kathedrale ragen. "Wie der Mast eines Schiffes an dem man noch die Segel setzen kann," findet Castelbajac und fährt fort "Dieses Kreuz der Hoffnung war eine der Grundlagen meiner Inspiration". Auf den Gewändern sieht man zudem zahlreiche Strahlen in allen Farben des Regenbogens. Sie symbolisieren die unzähligen Menschen, die die frohe Botschaft hinaustragen, in eine Welt, die in Flammen steht und in Trümmern liegt. Menschen, die die Hoffnung nicht aufgeben, auf eine Renaissance der Menschlichkeit. Das gefällt mir.
Gerade jetzt, da der Papst am Heiligen Abend die Pforte des Heiligen Jahres 2025 eröffnet hat. Papst Franziskus lädt uns ein, als Pilger der Hoffnung mit ihm unterwegs zu sein und uns auf unsere gemeinsame Sendung und Berufung in der Kirche und in ihrer Caritas zu besinnen.
Mutig - in einer Zeit, in der viele Menschen unter dem Dach der Kirche kein Zuhause mehr finden. Immer wieder gibt es hitzige Diskussionen über die Zukunft. Die tragenden Säulen auf allen Ebenen ächzen unter den schweren Lasten. Sie fühlen sich überfordert angesichts der vielen Probleme. Wie Feuerwehrleute setzen sie ihre Leben ein, um hier einen Schwelbrand zu löschen oder dort einen Totalschaden zu verhindern. Doch nicht wenige sind längst ausgebrannt oder stehen vor dem Zusammenbruch. Zudem stehen die Verwüstungen, die die sexuelle Gewalt in der Kirche hinterlassen hat, allen Rettungsversuchen im Weg und ziehen nach unten.
In dieser Situation lenkt der Papst unseren Blick auf das Kreuz. Trotzig steht es inmitten der Trümmer - wie ein Mast, der nur darauf wartet, dass endlich jemand kommt und sich wieder neu an ihm festmacht. Menschen, die sich vom Gekreuzigten inspirieren und senden lassen, auf dass alle Welt erkennt, welche Schätze hier unter der Asche zu bergen und zu retten sind. Welche Schönheit in den alten Steinen schlummert und nur auf eine Renaissance wartet. Vielleicht können wir einen kleinen Teil dazu beitragen. Als Pilger und Pilgerinnen der Hoffnung, die ihre Farbe, ihr Talent und ihre Tatkraft einbringen, um unsere alte Dame Kirche, notre Dame, wieder aufzubauen und ihr zu neuem Glanz verhelfen. Dazu Gottes Segen und ein verdientes "Merci" - Danke.
Pfr. Hannokarl Weishaupt
Unser Autor ist Erster Vorsitzender des Caritasverbandes für das Bistum Aachen und Bischofsvikar für das Caritaswesen.