„Man braucht sich nicht zu schämen“
Familienhebamme Sabine Verbracken (l.) aus dem Marien-Hospital der CTW in Düren freut sich mit Julia (r.), Mutter der kleinen Emilia, über die Fortschritte, die das Kind macht.DiCV Aachen
Emilia ist elf Monate alt und der ganze Stolz ihrer 24-jährigen Mutter Julia (Name geändert). Die alleinerziehende Mutter lebt seit einigen Monaten in einer eigenen Wohnung in Düren. Dass es mit Emilia so gut läuft, hat sie auch Sabine Verbracken zu verdanken, der Familienhebamme des Sozialpädiatrischen Zentrums (SPZ) am St. Marien-Hospital in Düren, einem Krankenhaus der Caritas Trägergesellschaft West (CTW). "Das Stillen hätte ich ohne Frau Verbracken nie so hinbekommen", sagt Julia. Und sie berichtet, dass Emilia ihr nahezu 24 Stunden am Tag an der Brust lag. Zeit für sich hatte die junge Mutter so gut wie nicht. "Frau Verbracken hat mir Mut gemacht. ‚Machen Sie weiter‘, hat sie gesagt, ‚Sie machen das gut.‘ Ohne sie hätte ich das nicht geschafft", sagt Julia. Denn es gab auch Personen in ihrem Umfeld, die ihr andere Tipps gegeben hatten. "Eigentlich habe ich immer das getan, was andere von mir wollten. Mit der Hilfe von Sabine Verbracken habe ich endlich einmal das getan, was ich für richtig hielt", sagt Julia. Und sie ist stolz, dass sie es geschafft hat.
Dass es Sabine Verbracken am St. Marien-Hospital in Düren gibt, ist Ergebnis des Projektes "Von Anfang an. Gemeinsam. - Frühe Hilfen und katholische Geburtskliniken". Der Deutsche Caritasverband und der Kath. Krankenhausverband Deutschlands hatten es gestartet, um Familien mit erhöhten psychosozialen Belastungen, die ein Kind erwarten, früh-zeitig zu begleiten und sie zu befähigen, das Kind gut zu versorgen. Zum 1. September 2014 richtete das St. Marien-Hospital nach vorheriger Beratung durch den DiCV Aachen die Stelle der Familienhebamme ein. Sie ist bereits vor der Geburt eines Kindes für Familien in schwierigen Lebenssituationen eine Lotsin durch das große Angebot der Frühen Hilfen. Bis das Kind ein Jahr alt ist, kann die Familienhebamme die Familie begleiten.
Judith Plum, Sozialpädagogin und zuständig für Hilfen zur Erziehung am SPZ am St. Marien-Hospital in Düren, ist von dem Konzept überzeugt. In der Regel bekämen sozialpädiatrische Zentren zu Familien erst dann Kontakt, wenn bereits viel Hilfe notwendig sei, sagt sie. "Folglich kümmern wir uns da um Zustände, die lange Bestand haben. Durch die Frühen Hilfen können wir viel mehr abfangen als noch vor Jahren", ergänzt Dr. Dirk Mundt, Kinderarzt und ärztlicher Leiter des SPZ. Sabine Verbracken betont, dass die Frühen Hilfen nur bei Zustimmung der Eltern greifen. "Dass es ein freiwilliges Angebot ist, nehmen viele Eltern als erleichternd wahr. Der Umgang mit-einander ist vertrauensvoller. Zudem ist der Zugang zu den Eltern in der Station für Geburtshilfe relativ stigmatisierungsfrei möglich, denn mit dem sozialen Status haben die Probleme, die Frühe Hilfen erforderlich machen, nichts zu tun. Wir können den Eltern durch das große Netzwerk an Frühen Hilfen, dem wir angeschlossen sind, sagen: ‚Sie stehen mit ihren Problemen nicht alleine."
1.350 Geburten gibt es im Jahr im St. Marien-Hospital in Düren. "Etwa zehn Prozent der geborenen Kinder haben Bedarf an Frühen Hilfen", sagt Dr. Mundt. Dass es nun eine Familienhebamme gebe, habe auch dazu geführt, dass das Klinikpersonal noch mehr sensibilisiert sei und noch genauer hinschaue und auf das Angebot hinweise. Auch bei den niedergelassenen Gynäkologen sei das Angebot bekannt gemacht worden. "Jeder Euro, der in solche präventiven Angebote gesteckt wird, ist eine Investition in die Zukunft", sagt der Arzt.
Heute ist Sabine Verbracken wieder einmal bei Julia und ihrer Tochter Emilia zu Besuch. Sie möchte hören, wie es beiden geht. Die Familienhebamme hockt mit Mutter und Tochter im Wohnzimmer auf dem Teppich, sie spielen gemeinsam. Sabine Verbracken freut sich über die Fortschritte, die sie beobachtet. "Sie machen das gut", sagt sie zu Julia.
Den Kontakt zu ihr bekam Julia durch ihre Nachsorgehebamme beim Vorgespräch in der Schwangerschaft. Als die junge Mutter schwanger war, hatte sie Sorge, ob sie wegen einer psychischen Erkrankung gut für ihr Kind sorgen könne. Schließlich wandte sie sich an Sabine Verbracken. Schon der erste Kontakt zu ihr war sehr angenehm. "Man braucht sich nicht zu schämen, vor allem bei so einer netten Frau", sagt Julia. Von sich aus, gesteht sie, hätte sie bestimmt nicht Kontakt aufgenommen. Doch alle ihre Befürchtungen, dass sie verurteilt werden könnte, dass sie als überfordert angesehen werden könnte, bewahrheiteten sich nicht. Ganz im Gegenteil: Lob habe sie immer zu hören bekommen. "Das habe ich gebraucht, dass ich höre, dass ich Dinge richtig mache", sagt Julia.
Bald wird der Kontakt zu Sabine Verbracken enden. Denn Emilia wird bald ein Jahr alt. Die 24-Jährige beschleichen gemischte Gefühle. Doch es überwiegt die Freude, es gemeinsam mit Sabine Verbracken geschafft zu haben.