Durch Frühförderung für Kinder Positives erreichen
Annika Laumen (l.), Leiterin der Frühförderung des Caritasverbandes Region Mönchengladbach, in einer Therapiesitzung., Der Bedarf an Frühförderung bei Kindern wächst.DiCV Aachen
Ruth (Name geändert) hat große Fortschritte gemacht, seit die Frühförderstelle des Caritasverbandes Region Mönchengladbach in Rheydt die Fünfjährige betreut. Vor wenigen Monaten noch hätte sich das Mädchen kaum auf den Parcours, den Annika Laumen im Therapieraum der Einrichtung an der Dahlener Straße aufgebaut hat, einlassen können. "Sie klammerte sich nur an mir fest, den anderen Kolleginnen ging es nicht anders", sagt die Heilerziehungspflegerin und Sozialpädagogin, die die Frühförderstelle leitet. Heute wird das Mädchen zunehmend sicherer, je öfter es die schräge Rampe hinaufläuft, auf ein Trampolin springt, um von dort eine Sprossenwand hinaufzuklettern, an deren Ende ein Korb mit Karten befestigt ist. Ruth nimmt eine heraus. Ein Kreis ist darauf abgebildet. Sie klettert die Sprossenwand herunter, stellt sich vor die Sandkiste und malt den Kreis im Sand nach. Danach spielt sie versonnen mit dem Sand, lässt ihn durch die Hände rieseln. "Das macht dir Spaß, nicht wahr", sagt Annika Laumen.
Ruth ist entwicklungsverzögert und eines von jährlich mehr als 100 Kindern, die das Frühförderzentrum der Caritas betreut. Die Einrichtung "Menschen im Zentrum (MiZ)", mit der eine enge fachliche und organisatorische Kooperation besteht, betreut eine ähnliche Anzahl von Kindern im Norden der Stadt. Einrichtungen wie diese fördern Kinder im Alter von null bis sechs Jahren, wenn der Kinderarzt eine Verordnung ausgestellt hat. Sie betreuen Kinder mit einer leichten Entwicklungsverzögerung ebenso wie schwerstmehrfach behinderte Kinder heilpädagogisch und therapeutisch. "Menschen im Zentrum" arbeitet neben dem Caritasverband MG auch noch mit zwei weiteren Kooperationspartnern zusammen. Durch die logopädische Praxis Palm-Bauer und das Sozialpädiatrische Zentrum der Städtischen Kliniken Mönchengladbach wird das interdisziplinäre Team vervollständigt. Ergo- und, Physiotherapeut/innen, Logopädinnen und eine Ärztin ergänzen das heilpädagogische Team der Caritas optimal und bilden mit ihnen gemeinsam das Team der interdisziplinären Frühförderung. "Grundsätzlich können sich Eltern direkt nach der Geburt melden, um Frühförderung zu erhalten, das ist aber eher die Ausnahme. Ein Großteil der Kinder ist im Alter zwischen zwei bis sechs Jahren, weil sie entweder in der Kita oder beim Kinderarzt auffällig werden", sagt Annika Laumen. Im Vergleich zu vor zehn Jahren habe sich die Zahl der Kinder, die die beiden Mönchengladbacher Frühförderzentren betreuen, fast verdoppelt. "Nach und nach werden neue Mitarbeiter eingestellt, weil die Zahl der zu betreuenden Kinder, so enorm wächst", sagt die Einrichtungsleiterin.
Viele Kinder, die das Frühförderzentrum der Caritas therapeutisch begleitet, sind emotional-sozial auffällig, sie haben keine klassische Behinderung. Dazu gehören auch Kinder, die aufgrund ihres familiären Umfelds auffällig sind, deren Eltern Unterstützung beim Umgang und der Förderung ihres Kindes brauchen. "Das Erschreckende ist, dass die Zahl der betroffenen Kinder steigt", sagt Annika Laumen. Sie machte ihre Ausbildung zur Heilerziehungspflegerin bei der Caritas Mönchengladbach im Kindergarten Am Kuhbaum, weil für sie feststand, dass sie mit Kindern mit Förderbedarf arbeiten wollte. Da ihr die Ausbildung nicht genügte, sattelte die gebürtige Mönchengladbacherin an der Hochschule Niederrhein ihrer Heimatstadt ein Sozialpädagogik-Studium drauf. Das dafür erforderliche Praxissemester absolvierte sie in einer Frühförderstelle, auch das Thema ihrer Bachelorarbeit befasste sich mit diesem Arbeitsfeld. Bevor Annika Laumen vor zwei Jahren bei der Caritas-Frühförderung begann, arbeitet sie fünf Jahre in einem integrativen Kindergarten als Gruppenleitung. "Da habe ich gemerkt, dass mir das nicht reichte, um Kinder optimal zu fördern. Durch das Studium habe ich gelernt, auf das gesamte System zu schauen, und das kann ich nun hier bei der Caritas", sagt die Sozialpädagogin. Seit März 2015 leitet Laumen nun die Frühförderstelle."Die Arbeit ist sehr vielseitig, man weiß nie wirklich, was einen erwartet, wenn man eine neue Familie aufnimmt. Aber genau da sehe ich die Herausforderung." Weil es abzusehen sei, dass der Hilfebedarf - unter anderem durch die Inklusion - der Kinder eher steigen werde, glaubt Laumen, einen Beruf mit Zukunft zu haben. Der fordert sie und ihr Team nicht nur als therapeutische Begleiter für die Kinder, sondern auch als Lotse für Eltern, als Netzwerkerin für Familien, Kindergärten und Schulen.
Wenn es für die Kinder, die die Caritas betreut, und deren Eltern um das Thema Schul- oder Kindergartenwahl geht, sieht sich das Team ganz besonders gefordert. "Dabei legen wir sehr viel Wert darauf, dass wir nur beratend tätig werden, die letztendliche Entscheidung aber treffen die Eltern", sagt Laumen. Viele Eltern hofften, so ihre Erfahrung, dass die Empfehlung nicht in Richtung Fördereinrichtung gehen möge. "Wenn wir anderer Meinung sind und trotz Inklusion zu einer Fördereinrichtung raten, erleben wir immer wieder, dass wir dann aber auf sehr offene Eltern stoßen und sie auf unsere Einschätzung wertlegen", sagt Laumen. Sie hat die Sorge, dass durch die Inklusion einige Kinder nicht ausreichend gefördert werden. "Den Eltern fehlt teilweise der Einblick, um zu sehen, dass die Voraussetzungen noch nicht überall geschaffen sind. Wenn ausreichend und vor allem geschultes Personal vorhanden wäre und die Gruppenstärke verkleinert würde, wäre Inklusion ein tolles Modell", sagt die Mönchengladbacherin.
Ihre Arbeit macht Annika Laumen viel Freude. "Keine Familie ist wie die andere, es ist ein buntes Arbeitsfeld. Wir begleiten die Kinder in ihrer Entwicklung und können in der Regel bei allen Kindern etwas Positives erreichen", sagt sie.