Nachhaltige Impulse für die Entwicklung
In 18 Jahren hat Sanda Jansen mit ihrem Team vielen Hunderten jungen Menschen aus dem Stadtteil Driescher Hof wertvolle Impulse für ihr weiteres Leben gegeben.Thomas Hohenschue
Viele Städte haben Viertel wie den Driescher Hof in Aachen. Es eilt ihnen ein Ruf voraus, der wenig mit der Wirklichkeit zu tun hat. Schlagzeilen zeichnen ein Zerrbild. Natürlich gibt es dort geballte soziale Herausforderungen. Aber wer genau hinschaut, sieht, wie die Menschen diese meistern und wie ein vielfältiges Zusammenleben gelingt.
Sandra Jansen gehört zu den Menschen, die genauer hinschauen. Sie fährt werktäglich ab von dem breiten Zubringer Trierer Straße, passiert die grauen Wohnblöcke, die für viele das Bild vom Driescher Hof prägen. Einige Meter fährt sie hinein in das Viertel, dann hat sie schon ihre Arbeitsstätte erreicht: die Offene Tür "D-Hof", die sie seit 18 Jahren leitet.
Die Sozialpädagogin hat sich in das Viertel und seine Menschen verliebt. Zunächst einmal räumt sie mit dem Klischee auf, dass das Quartier von städtebaulich bedingten Problemen geprägt ist. Neben den Sozialbaublocks gibt es gut bürgerliche Mehr- und Einfamilienhaussiedlungen im Driescher Hof. Und gerade erst sind im großen Stil schicke Neubauten entstanden.
Aber in der Hauptsache hat sie mit ihrer großen Einrichtung mit Kindern und Jugendlichen aus belasteten familiären Situationen zu tun. Eine Kennzahl sagt viel über die Größe der sozialen Herausforderung, die das Viertel zu bewältigen hat. Die Kinderarmut beträgt laut aktueller Erhebung durch die Stadt Aachen erschreckende 46,2 Prozent.
Die Startbedingungen in ihr Leben sind also für viele Kinder und Jugendliche, welche die OT besuchen, durchaus schlecht. Das macht etwas mit ihnen. Aber auch hier durchkreuzt die Wirklichkeit mögliche Vorurteile. Sandra Jansen sieht zum Beispiel, dass Heranwachsende häufig sehr viel Verantwortung für Geschwistern und auch Eltern übernehmen.
Die Offene Tür ist ein Ort, an dem das Aufwachsen einen guten Rahmen erhält. Die Einrichtung hat viel dafür getan, dass sie ein solcher sicherer Ort ist. Sie bezieht stetig den Blickwinkel der Kinder und Jugendlichen ein, fragt sie immer wieder neu, was sie brauchen, und lädt sie ein, ihren D-Hof mitzugestalten. So ist die OT für die meisten ein zweites Zuhause.
Wie bei anderen Heranwachsenden gibt es schwierige Etappen in der Entwicklung. Gerade in der Pubertät stellen sich Jungen und Mädchen Fragen und suchen ihren Platz. Sandra Jansen betont, dass jeder so sein darf, wie er sich gerade fühlt. Gegenseitige Akzeptanz und Respekt sind die Grundpfeiler, abgesichert durch Regeln. Darauf kann sich jeder verlassen.
In der OT können somit die Gäste einfach Kinder und Jugendliche sein. Und doch lassen sich ihre häufig schwierigen Lebensumstände nicht einfach ausklammern. Das Team der Einrichtung hört genau zu, achtet auf Signale, berät vertraulich, gibt Tipps, vermittelt Hilfen, sagt Kontra, wenn es nötig ist. Über die Kinder erreicht die OT auch die Familien.
Diese Ausstrahlung ins Viertel hinein ist Sandra Jansen sehr wichtig. Deshalb geschieht im D-Hof so viel mehr als Freizeitgestaltung. Die ist natürlich trotzdem wichtig und die Einrichtung eine wahre Wohlfühloase, um Freund:innen kennenzulernen und mit ihnen abzuhängen. Die gemütlichen Möbel sind wertig, nichts Abgelegtes, das kennen die Kids schon von zu Hause.
Neue und andere Erfahrungen ermöglichen, das ist das pädagogische Kernrezept, mit dem der D-Hof positive Impulse für die Entwicklung der Kinder und Jugendlichen setzen möchte. Dazu hat Sandra Jansen mit Team und Gästen ein Paket von Angeboten geschnürt. Dieses Programm trägt den Namen "Let’s move". 2023 hat die OT dafür den Teresa-Bock-Preis erhalten.
Es bekämpft die armutsbedingten Risikofaktoren für die Heranwachsenden, verbunden mit Anreizen und Inspirationen für eine gesunde und gute Lebensführung. Im D-Hof lernen die Kinder und Jugendlichen zum Beispiel Kochen mit frischen Lebensmitteln. Häufig haben sie zu wenig und zu ungesundes Essen zu Hause, nicht zuletzt aus Kostengründen.
Den psychischen Herausforderungen in belasteten familiären Situationen wirkt die Offene Tür mit Angeboten entgegen, welche die Resilienz steigern. Zum einen können sich die Kinder und Jugendlichen in der Turnhalle bewegen, heiß begehrt ist hier neben König Fußball der Breakdance. Zum anderen können sie sich mit Yoga, Vorlesen und Kreativität aktiv entspannen.
Neu hinzugekommen sind Angebote, die ein Bewusstsein für Nachhaltigkeit fördern. Es geht gemeinsam in den Garten. Die Kinder und Jugendlichen pflanzen und pflegen Beete, ernten, bekommen den Jahreszyklus der Natur mit. Sie basteln Insektenhotels. Überhaupt machen sie sich Gedanken, wie ihre OT Driescher Hof auch in diesem Punkt besser werden kann.
Autor: Thomas Hohenschue