Zeigt mit uns Haltung: Jugendhilfe im Bistum Aachen im Einsatz für die Demokratie
Wir alle spüren es: Die Demokratie braucht unsere Hilfe, wenn sie Bestand haben soll. Wie stark dieser Befund auch die Einrichtungen der Jugendhilfe im Bistum Aachen betrifft und bewegt, zeigte sich in der großen Resonanz auf die Einladung. Die Herausforderung, um die es geht, umriss Theresia Heimes vom Diözesancaritasverband Aachen eingangs. Demokratie sei nicht nur eine Sache der großen Politik, sondern eine Frage der Haltung, die man im Alltag zeige. Das Handwerkszeug für diese Haltung - persönlich, aber auch institutionell - wollte die veranstaltende "Arbeitsgemeinschaft der katholischen Einrichtungen und Dienste der Erziehungshilfe" (AGkE) an diesem Tag vermitteln.
Die Auseinandersetzung mit extremistischen und populistischen Tendenzen in der Gesellschaft und der Aufruf, sich klar für die Demokratie zu positionieren, stand im Mittelpunkt von Impulsen, Vorträgen und Workshops beim Fachforum 2025 der AGkE im Bistum Aachen.Thomas Hohenschue
Prof. Dr. Birgit Jagusch von der Technischen Hochschule Köln zeichnete die dramatische Dimension des Vormarsches rechtsextremer Einflussnahme nach. Sie räumte mit dem Mythos auf, dass die so genannte "demokratische Mitte" davor gefeit sei. Die Diskursverschiebung nach rechts erfasse weite Teile von Politik und Gesellschaft und habe schon lange vor Gründung der AfD eingesetzt. Menschenfeindliche Narrative hätten auch in bürgerlichen Milieus Fuß gefasst. Jüngere Generationen wählten zunehmend rechts. Antisemitischen und rassistischen Worten folge Gewalt. Von all diesen Entwicklungen seien die Kinder und Jugendlichen, die durch Jugendhilfe begleitet werden, ebenfalls betroffen - als Opfer von Diskriminierung oder auch als Täter.
Die AfD und ihre Vorfeldorganisationen setzen den Trägern und Einrichtungen auf vielfache Weise zu, analysierte die Professorin weiter. Mit den Hebeln, die ihnen ihre Repräsentanz in Bundes-, Landes- und Kommunalparlamenten an die Hand gebe, griffen die AfD-Abgeordneten die Strukturen und Legitimität der Jugendhilfe an. In Anfragen und Debatten verschöben sie den Fokus auf rechtsextreme Narrative, vorrangig zu Lasten von Menschen mit Migrations- oder Fluchtgeschichte, sagte Birgit Jagusch. Inzwischen gebe es auch indoktrinierende Konkurrenzangebote, wie vermeintliche Hilfsangebote oder eigene Jugendlager.
Das alles fordere Träger und Einrichtungen, Verantwortlichen und Fachkräften viel ab. Verunsicherung greife um sich, wenn es diskriminierende Vorfälle, Bedrohungen oder gar Gewalt gibt. Prof. Dr. Birgit Jagusch ermutigte dazu, als Kontrapunkt eine eigene Brandmauer zu errichten, eine Haltung, Teil einer zivilgesellschaftlichen Bewegung zu sein, die der Demokratie als offene Form des Zusammenlebens den Rücken stärkt. Das sagte sie ganz im Sinne der AGkE, die extra für das Fachforum und die Weiterarbeit ein Plakat in dezentralen Aktionen der Einrichtungen entwickelt hatte: "Zeigt mit uns Haltung für Demokratie".
Großes Interesse zeigten die Mitarbeitenden katholischer Einrichtungen und Dienste der Kinder- und Jugendhilfe im Bistum Aachen am Fachforum 2025 in Simonskall.Thomas Hohenschue
Wie das konkret gehen kann, zeigten die folgenden Praxisimpulse und Workshops. Der Sozialwissenschaftler und Antirassismustrainer Dr. Piotr Sudr sagte, jeder müsse tagesaktuell einschätzen, wie er auf Vorfälle reagiere. Aber keine Diskriminierung dürfe unwidersprochen im Raum stehenbleiben, ansonsten trage man dazu bei, sie zu normalisieren. Die Möglichkeiten zu widersprechen seien vielfältig und könnten im Dreieck zwischen Zeit, Lust und Kraft aus der Situation heraus gewählt werden. Zum einen gehe es dabei um Solidarität mit Betroffenen, zum anderen auch um die Menschen, welche den Vorfall miterleben.
Ob der Täter bereit ist, sein Verhalten zu überdenken, stehe oft auf einem anderen Blatt. Die Schauspielerin und Antirassismustrainerin Karin Kettling hat die Erfahrung gemacht, dass es mittelfristige Effekte geben kann. Manche Argumente sickerten im Nachgang zu einem Konflikt ein. Um besser gerüstet zu sein für solche Dispute, gab die Referentin Einblick in übliche Hetzer-Strategien. Diese manipulativen Muster zu kennen, stärke darin, ihnen etwas intelligent und humorvoll entgegnen zu können. Dabei braucht es Mut und Erfahrung, wie in Rollenspielen und Reflexionen auch mit Sammy-Jo Wooley und Franziska Schmid vom Aachener DasDaTheater sicht- und spürbar wurde.
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Fachforums der Arbeitsgemeinschaft katholischer Einrichtungen und Dienste der Kinder- und Jugendhilfe im Bistum Aachen beendeten ihr Fachforum mit einem Demonstrationszug. Sie forderten mehr Haltung für Demokratie.Thomas Hohenschue
Die Impulse des Tages sollen fortwirken, in Mitmachaktionen. Wer dazu einlädt, soll es auch selbst getan und erlebt haben. In diesem Sinne versammelten sich Verantwortliche und Fachkräfte der Jugendhilfe im Bistum Aachen abschließend zu einer Demo, wie sie das beschauliche Eifeldorf Simonskall eher selten gesehen hat. Die Frauen und Männer hatten Schilder mit Werten in ihren Händen, worauf sie Werte geschrieben hatten, die ihnen besonders wichtig sind. Vorneweg zogen Menschen mit Bannern, die den Aufruf der AGkE in einer Formel verdichteten: "Zeigt mit uns Haltung für Demokratie".
Autor: Thomas Hohenschue