Wohnraummangel ist Herausforderung für Kirche und Caritas
Schaffert äußerte sich beim Werkstattgespräch 2018 des Forums Diakonische Pastoral im Bistum Aachen. Vertreter aus der Seelsorge, dem Diözesanrat der Katholiken und der Caritas diskutierten dabei das Thema "Wohnen im Wandel - kein Zuhause? - Miteinander Leben als Aufgabe für die Diakonische Pastoral".
Diözesancaritasdirektor Burkard Schröders hatte die Teilnehmerinnen und Teilnehmer begrüßt, unter ihnen auch der Leiter der Abteilung Pastoral, Schule Bildung im Bischöflichen Generalvikariat, Domkapitular Rolf-Peter Cremer. Mit der Wohnfrage seien nicht nur finanzielle Sorgen und Nöte verbunden. Anonymität, Isolation und Einsamkeit prägten oftmals das Nachbarschaftsbild, so Schröders. Zu fragen sei daher unter anderem, wo eine diakonische Pastoral gebraucht werde, um Schutz und Beziehung zu ermöglichen. Zuvor war Schröders auch auf den Missbrauchskandal in der katholischen Kirche eingegangen. Den Opfern gebühre die Anerkennung von Leid sowie Wertschätzung der eigenen Person. Der Kirche selbst müsse es ein Anliegen sein, nun endlich rückhaltlos aufzuklären und Konsequenzen zu ziehen, sagte Schröders und fuhr fort: "Ich selbst schäme mich für meine Kirche und weiß von vielen Gläubigen, dass die Missbrauchsfrage für sie selbst zur Nagelprobe wird in ihrer Beziehung zur Kirche. Dass in Zeiten, wo unser gesellschaftlicher Zusammenhalt vor einer großen Herausforderung steht, nun noch eine weitere Institution von einer Identitätskrise getroffen wird, muss uns mehr als nachdenklich machen. Wir täten gut daran, in der Pastoral und in der Caritas uns mit allem was wir haben den Menschen verstärkt zuzuwenden, um Vertrauen werben und tatkräftige Hilfe anbieten."
Astrid Schaffert, Projektreferentin beim Deutschen Caritasverband, schilderte zunächst die Folgen von kaum bezahlbarem Wohnraum: Wenn Menschen zu viel Geld aufwenden müssten für das Wohnen, bleibe zu wenig übrig für gesellschaftliche Teilhabe. Das Problem werde umso größer, je weniger Einkommen die Menschen zur Verfügung hätten. Mittlerweile könnten sich in Ballungsräume nur Menschen mit hohen Einkommen Neubauten leisten. Als Ursache für den Wohnungsmangel benannte Schaffert unter anderem das Bevölkerungswachstum, die erhöhte EU-Binnenmigration und die steigende Zahl von Wohnungsprivatisierungen. Das führe zu einem Anstieg der Mieten, der bestimmten Gruppen diese Wohnungen dem Zugriff entziehe. In Deutschland seien zudem zu wenige Wohnungen neu gebaut worden und viele Wohnungen aus der Mietpreisbindung herausgefallen.
Die Caritas fordere neben dem Bau bezahlbaren Wohnraums eine gezielte Unterstützung von Familien, damit sie sich Wohnungen leisten könnten. Auch wenn die Grunderwerbsnebenkosten gesenkt würden, brächte das Vorteile. Infrastrukturkonzepte müssten über Gemeindegrenzen hinaus entwickelt werden, so das abgelegene Gebiete auch attraktiv würden fürs Wohnen. Die Aufgabe der Caritas sei es auch, das Thema Wohnen in der Diskussion und somit den Druck auf Politik und Wohnungswirtschaft aufrecht zu halten.
Prof. Dr. Martin Lörsch, Pastoraltheologe an der Theologischen Fakultät Trier, sagte, die gegenwärtige Wohnsituation und der Mangel an bezahlbarem Wohnraum sei eine Herausforderung für die Kirche und für ihre Seelsorge. Er plädierte daher in seinem Vortrag zum Thema "Irgendwo möchte ich zuhause sein - Wohnen und Handeln im Sozialraum aus Sicht der Pastoraltheologie" dafür, in der Seelsorge stärker sozialraumorientiert zu denken und zu arbeiten. Das sei in der Caritas schon Gang und Gäbe, in der Seelsorge noch weitgehend unbekannt. Er verwies in diesem Zusammenhang auf eine Studie, die die Theologische Fakultät im Vorfeld der Trierer Synode in Aach bei Trier 2013 gemacht habe. Die meisten Befragten hätten darin ihre Situation dort so beschrieben: "Ich wohne im Dorf und Lebe in der Region." Diese Aussage zeige ihm, dass das Territorialprinzip in der Seelsorge weitgehend an Bedeutung verloren habe. Wenn bei der Kirche seelsorgerische Dienste nachgefragt würden, hingen sie sehr stark zusammen mit biografischen Ereignissen wie Geburt, Heirat und Tod. Der regelmäßige Gottesdienstbesuch habe selbst im Dorf nachgelassen, obwohl dort das religiöse Brauchtum noch stark verwurzelt sei.
Lörsch plädierte für einen Perspektivwechsel in der Kirche: "Die Kirche muss sich auf die Sozialräume der Menschen einlassen", sagte er. Für eine lebens- und sozialraumorientierte Seelsorge sei es notwendig, dass das Leitbild der Kirche ein klares diakonisches Profil habe.
In Workshops stellten Teilnehmer des Forums verschiedene Projekte und Wohnformen vor. Margit Umbach vom Projekt "Caritas der Gemeinde" in der Gemeinschaft der Gemeinden Kornelimünster-Roetgen, das vom Caritasverband für das Bistum Aachen initiiert wurde, informierte über Ansätze, einen Sozialraum zu gestalten und berichtete über das Begegnungsfest am Hochhausring. Claudia Bosseler vom Fachbereich Wohnen, Soziales und Integration der Stadt Aachen, schilderte Erfahrungen der Stadt mit gemeinschaftlichen Wohnformen und wagte Ausblicke in die Zukunft. Wie Einrichtungen der verbandlichen Caritas Menschen zum Wohnen befähigen, schilderte Ina Giese vom Anna Schiller Haus in Mönchengladbach, einer Einrichtung für wohnungslose Männer. Auch diese Gruppen nicht aus den Augen zu verlieren sei eine Aufgabe im Sozialraum.
Das Forum Diakonische Pastoral setzt sich für die Stärkung der diakonischen Perspektive in den kirchlichen Grundvollzügen ein. Ihm gehören Vertreter der Hauptabteilung Pastoral / Schule / Bildung des Bischöflichen Generalvikariats, des Caritasverbandes für das Bistum Aachen und des Diözesanrats der Katholiken an. Jährlich lädt das Forum zu einem Werkstattgespräch ein, zu dem alle eingeladen sind, die sich im Bistum Aachen für die diakonische Praxis einsetzen oder interessieren.
Quelle: Caritasverband für das Bistum Aachen e.V.