Wohin mit mir? Wenn diese Frage von Heranwachsenden übermenschlich groß wird
Die beiden leben in der Wohngruppe "Startblick" des Sozialdienstes katholischer Frauen (SkF) Mönchengladbach. Fachkräfte begleiten die jungen Männer auf ihrem steinigen, dornigen, wechselvollen Weg durch den deutschen Behördendschungel. Ihre Aussichten auf ein legales Leben in Deutschland sind gering, Hürde für Hürde türmt sich vor ihnen auf. All die Rückschläge und Ungewissheiten müssen Majd und Shahfaisal wie auch ihre Fluchterlebnisse verkraften. Sie müssen viel Energie aufbringen, um sich trotzdem zum Lernen zu motivieren, in einer fremden, oft ablehnenden Welt. Zugleich gibt es Druck von der Familie, die viel vom geflüchteten Sohn und Bruder erwartet.
Filmemacher Marvin Menné und Gruppenleiterin Birgit Ganopoulos präsentierten Mitarbeitenden aus SkF Mönchengladbach und kommunalen Ämtern den preisgekrönten Dokumentarfilm "Wohin mit mir?"Thomas Hohenschue
Das alles zeichnet der Dokumentarfilm von Marvin Menné einfühlsam nach, ohne reißerisch und anklagend unterwegs zu sein. Im Wechsel von Alltagsbildern, Gesprächsszenen und Interviews legt er den Alltag der Jugendlichen Schicht für Schicht offen. Das Fazit aus vielen berührenden Momenten des Films lautet: Majd und Shahfaisal wird Übermenschliches abgefordert. Aus dieser bedrängenden Lage kann sie alle fachkundige und empathische Begleitung durch die Fachkräfte des SkF nicht befreien. "Wohin mit mir?" Die Frage aller Heranwachsenden nach dem eigenen Platz im Leben und in der Gesellschaft hat bei ihnen noch so viele weitere Komponenten.
"Wohin mit mir?" lautet auch der Filmtitel, folgerichtig. 40 Drehtage hat Marvin Menné in den Film investiert und mindestens nochmal so viele Tage in die Postproduktion. Auch das Team von Startblick um Gruppenleiterin Birgit Ganopoulos und weitere Kolleginnen und Kollegen vom SkF Mönchengladbach hatten viel Arbeit, um einen guten Rahmen für gelingende Drehaufnahmen zu gewährleisten. Bei einer Aufführung für Mitarbeitende des Verbands und kommunaler Ämter gestatteten die Beteiligten einen Blick hinter die Kulissen. So erzählte Marvin Menné zum Beispiel, dass seine Arbeit häufig von Warten geprägt war, bis die Jugendlichen bereit waren, vor der Kamera zu sprechen.
Der Film zeigt auch schöne Momente, Inseln des Glücks, wie Momente beim Fußballspielen oder Bowlen. Vor allem aber zeigt er Einsamkeit, Selbstzweifel, Hoffnungslosigkeit. Und er zeigt Stärke. Die Empathie, mit der Marvin Menné an die komplexe und sensible Lebenssituation von Majd und Shahfaisal herangeht, macht es möglich, die Menschen zu entdecken, um die es hinter den aufgeheizten Debatten um den richtigen Kurs in der Migrationspolitik geht. Mit dem Medium "Dokumentarfilm" eröffnet der junge Filmemacher der Mehrheitsgesellschaft einen anderen Blick auf Personen, über die sie sich zerstreitet, die sie aber in der Regel nicht kennt.
Marvin Menné beweist in Kameraführung, Schnitt und Ton ausgesprochen hohe Kunst. Das sahen auch Jurorinnen und Juroren beim Festival des deutschen Kinos in Mainz so und zeichneten sein Werk gleich mit zwei Preisen aus: dem als bester Dokumentarfilm und dem Sonderpreis der Medienförderung Rheinland-Pfalz. Mit diesem Rückenwind bietet sich der Filmemacher Verbänden, Einrichtungen und Schulen als Gesprächspartner an, so wie beim SkF in Mönchengladbach. Das Komplettpaket von 80 Minuten Dokumentarfilm mit anschließendem Filmgespräch eröffnet allen Interessierten die Chance, sich die Wirklichkeit junger Geflüchteter zu erschließen.
Kontakt: wohinmitmir@marvin-menne.com
Autor: Thomas Hohenschue