Wie geht katholisch? In dieser Frage sind Leitungskräfte der Caritas gefordert
Heinz-Josef Kessmann kennt sich wie kaum ein anderer im kirchlichen Arbeitsrecht aus.Thomas Hohenschue
Eine Fachtagung im Aachener Haus der Caritas brachte etwas Licht in die Lage. Als Ausleuchter auch der dunkleren Ecken der neuen Regelungen betätigte sich Heinz-Josef Kessmann. Wie kaum ein anderer in der Bundesrepublik Deutschland kennt sich der frühere Münsteraner Diözesancaritasdirektor im kirchlichen Arbeitsrecht aus, schließlich hat er der Arbeitsrechtlichen Kommission zwölf Jahre lang als Vorsitzender vorgestanden, bis Mitte 2022. Seine verhandlungsgestählte Expertise bringt er weiter in den Deutschen Caritasverband ein, gestaltet zum Beispiel die Arbeit der Verbandsordnungskommission mit.
In Aachen nun sortierte Heinz-Josef Kessmann vor etlichen Leitungskräften aus allen Feldern der verbandlichen Caritas, was sich mit der neuen Grundordnung des kirchlichen Dienstes verbindet und was nicht. Zum Beispiel können reguläre Mitarbeitende nicht mehr wegen ihrer privaten Lebensführung abgemahnt und entlassen werden, auch bei Einstellungen spielt sie keine Rolle mehr. Der Verband der Deutschen Diözesen als beschlussfassende Instanz und die Bischöfe als Gesetzgeber in ihren Bistümern haben somit nachvollzogen, was säkulare Gerichte zunehmend als rechtswidrige Praxis einkassiert hatten.
Führungskräfte der verbandlichen Caritas im Bistum Aachen diskutierten die neue Grundordnung.Thomas Hohenschue
Wie mit Kirchenaustritt von Mitarbeitenden umgehen?
Getäuscht ist allerdings, wer gehofft hat, dass sich der Paradigmenwechsel durchgängig in der neuen Ordnung wiederfindet. Abgesehen von der uneindeutigen Kommentierung durch Bischöfe, die im Zweifel allerdings juristisch keine Auswirkungen hat, spiegelt auch das Paragraphenwerk eine weitere Sanktionierung von privaten Entscheidungen wider. Konkret geht es um den Kirchenaustritt. Dieser stellt aus Sicht der Bischöfe weiterhin einen besonders schweren Fall von Loyalitätsverstoß dar, der zur Kündigung führt. Ob das vor Arbeitsgerichten Bestand haben wird, ist noch nicht ausgemacht. Aber Personalverantwortliche in den Einrichtungen und Diensten der verbandlichen Caritas haben damit ein Problem.
Für sie und die betroffenen Mitarbeitenden bleibt damit die alte Situation erhalten, die sich vorher auch auf andere Aspekte der privaten Lebensführung bezog. Das wurde in Aachen von verschiedensten Seiten her beleuchtet. Pragmatisch gesehen gilt die rheinisch-katholische Devise: Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß. Aber trotzdem bleibt damit die belastende Lage erhalten, für Mitarbeitende ebenso wie für Leitungskräfte. Heinz-Josef Kessmann rät zu offenen Gesprächen, denn häufig sind es Gewissensgründe, die zum Austritt führten, zum Beispiel angesichts der sexualisierten Gewalt im Raum der Kirche.
Und eines schrieb der langjährige Vorsitzende der Arbeitsrechtlichen Kommission den Leitungskräften ins Stammbuch: bei den Entscheidungen einheitlich bleiben. Wenn einer Person wegen Austritts gekündigt wurde, dann müssen alle Mitarbeitenden, von denen man es erführe, wegen Austritt gekündigt werden - oder umgekehrt niemand entlassen werden, wenn eine einzelne Person wegen Austritts nicht entlassen würde. Ansonsten hätten Kündigungen keinen Bestand vor dem Arbeitsgericht. Auch bei Einstellungsgesprächen sei so zu verfahren. So bleiben die Leitungskräfte im schwierigen Spagat von Vorgaben, Abwägungen und Menschlichkeit.
Wie das katholische Profil der Arbeit gewährleisten?
Auch eine weitere Vorschrift macht die weltanschauliche Komponente ihrer Leitungsaufgabe komplexer, verdeutlichte die Fachtagung in Aachen. Mit Vertragsunterzeichnung verpflichten sich zwar alle Mitarbeitenden auf die Prinzipien der katholischen Kirche. Sie dürfen durch ihr Handeln in dienstlichen Bezügen nicht dagegen verstoßen. Wie aber das katholische Profil ihrer Einrichtung oder ihres Dienstes aussieht, ist häufig nicht explizit formuliert. In diesem Fall diese Leerstelle mit orientierenden Vorgaben, Richtlinien, Leitsätzen zu füllen, obliegt nun den Leitungskräften. Wo es bereits Papiere und Positionierungen zum katholischen Profil gibt, haben die Leitungskräfte dafür Sorge zu tragen, dass die Selbstverpflichtungen umgesetzt werden.
Das alles stellt die Verantwortlichen vor große Herausforderungen. Abgesehen von dem hohen Arbeitsdruck und der knappen Zeit in vielen Einrichtungen und Diensten, sind die Teams längst multikulturell und multireligiös geprägt. Auch getaufte Mitarbeitende sind häufig nicht kirchlich sozialisiert. Diese Defizite in den Glaubensbildung vieler Beteiligter könne man nicht auffangen, zumal es ein starker gesellschaftlicher Trend sei, dem man hier entgegenwirken solle, hieß es in Aachen. Einen wirksamen Beitrag leisten könne man allerdings in dem Versuch, die alltäglich gelebten Werte aller Mitarbeitenden mit dem Evangelium zu verbinden. Mehr über die inneren Beweggründe der Arbeit zu sprechen, lohne und bestärke. Das gelte auch für spirituelle Angebote und seelsorgliche Begleitung durch speziell geschulte Mitarbeitende.
Stephan Jentgens ermutigt dazu, in Fragen des Glaubens sprachfähiger zu werden.Thomas Hohenschue
Solche Brückenschläge ermutigten bei der Fachtagung in Aachen, das neue Arbeitspaket für Leitungskräfte nicht als Ballast, sondern als Bereicherung zu begreifen. In der Zuschreibung der neuen Grundordnung, für das katholische Profil der Einrichtungen oder des Dienstes selbst verantwortlich zu sein, stecke schließlich auch die Freiheit, das mit den Mitarbeitenden selbst zu entwickeln. Auf diese Weise in einem diskursiven Prozess in Fragen des Glaubens sprachfähig zu werden, das eigene Tun in eine ausdrückliche Verbindung mit den Werten des Evangeliums zu bringen, könne die Teams beflügeln. "Das muss Tagesgeschäft werden," sagte ein Teilnehmer. "Fangen wir bei uns selbst an," motivierte der Aachener Diözesancaritasdirektor Stephan Jentgens, "dann können wir selbst Botschafter dieser Angelegenheit sein."
Autor: Thomas Hohenschue