Wenn Worte nicht mehr verstanden werden, hilft das Gespräch von Gefühl zu Gefühl
Veronika Schönhofer-NellessenThomas Hohenschue
Die lebens- und berufserfahrene Frau tut das in Kürze bei einem Fachtag im Haus der Caritas in Aachen. Sie leitet das Bildungswerk Aachen und die Servicestelle Hospiz und führt die Geschäfte des Vereins Palliatives Netzwerk für die Region Aachen e. V. In dieser Rollenvielfalt hat sie mit den alltäglichen Herausforderungen in der Kranken- und Altenpflege zu tun. Ein wichtiges Thema, dessen Bedeutung mit den stark steigenden Fallzahlen wächst, ist der Umgang mit Menschen, die sich demenziell verändern.
Viele von Demenz Betroffene zeigen ein Verhalten, das herausfordert. Pflegekräfte sind zum Bespiel mit wuchtig geäußerten Emotionen wie Wut und Trauer konfrontiert. Da können schon einmal nasse Waschlappen durch das Zimmer fliegen oder lautes Weinen schallt über den Flur. Ebenso können Zurückgezogenheit und Langsamkeit das Gegenüber herausfordern. Scheinbar unpassende Verhaltensweisen und Äußerungen begleiten den Alltag mit Demenz.
Veronika Schönhofer-Nellessen wirbt dafür, die Menschen im Hier und Jetzt anzusprechen. Häufig hilft der Blick in die Anamnese nicht weiter, zu stark ist der Einfluss der Demenz. Das heißt: Man muss gar nicht verstehen, was genau zu dem Gefühl führt, das den alten und kranken Menschen vor einem gerade bewegt. Sondern es hilft allen Beteiligten, dieses Gefühl ernst zu nehmen und darauf in einer wertschätzenden, respektvollen Weise einzugehen.
"Was nicht dement wird, sind die Emotionen", meißelt Veronika Schönhofer-Nellessen einen Merksatz. Die entscheidende Frage für Pflegekräfte lautet: Wie komme ich in die Welt der Menschen mit Demenz hinein? Wie komme ich in eine Kommunikation, in der sie sich verstanden und angenommen fühlen? Das ist für die Alten und Kranken wichtig, denn mit am meisten kämpfen sie mit dem Gefühl, die Kontrolle über ihr Leben verloren zu haben.
Somit ist es häufig gar nicht wichtig, worum es gerade geht oder wie vermeintlich abstrus der Gegenstand des Gesprächs ist. Viele demenziell veränderte Menschen entwickeln zum Beispiel das Gefühl, dass sich die Welt gegen sie verschwört. So vermissen sie Gegenstände und verdächtigen Personen, sie gestohlen zu haben. Dagegen argumentieren hilft häufig nicht, im Gegenteil. Eher soll die Emotion spielerisch gespiegelt und Zuversicht geweckt werden.
Das Gespräch von Gefühl zu Gefühl hat natürlich auch Grenzen. Da braucht es eine andere Form der Auseinandersetzung. Schließlich soll das ethische Prinzip des guten Lebens für alle gelten. So erfordert es Absprachen mit Menschen, die nicht mehr absprachefähig sind. Veronika Schönhofer-Nellessen nennt das Beispiel einer Person, die gerne nackt über den Flur läuft. Die pädagogische Vereinbarung im Team kann lauten, dass nackt sein im Zimmer geht, wenn es dort warm genug ist, und eine Pflegekraft beim Ankleiden hilft, sobald die Person öffentliche Räume betreten möchte.
Sowohl in so delikaten Situationen als auch im alltäglichen Umgang mit demenziell veränderten Menschen zählen die gängigen Standards der Kommunikation noch einmal mehr. Ruhig, klar, wertschätzend zu sprechen, die Fachfrau spricht von liebevoll, ist von existenzieller Bedeutung, um zu den Menschen mit ihren kognitiven Einschränkungen durchzudringen. In einer Welt, in der nichts mehr so ist, wie es einmal im Leben war, ist so ein Miteinander unglaublich wertvoll.
Abschließende Info
Das Gespräch mit Veronika Schönhofer-Nellessen fand im Umfeld des Fachtags ""Gemeinsam mit Würde begleiten - Herausforderungen der ambulanten und stationären Pflege bei der palliativen Versorgung und hospizlichen Begleitung" am 25. März 2025 in Aachen statt. Dort kooperieren der Diözesancaritasverband Aachen, das Bildungswerk Aachen, das Palliative Netzwerk für die Region Aachen und das Hospiz Haus Hörn.
Autor: Thomas Hohenschue