Viersener Beratungsstelle hilft Familien nach schweren Erlebnissen
Der Blick und der Zuspruch von außen helfen häufig weiter, um mit den Belastungen dieser mächtigen Emotionen umzugehen. Das können gute Freundinnen und Freunde sein. Oder es können ausgebildete Fachleute sein, die darauf spezialisiert sind, Menschen in solchen Situationen zu begleiten. Wie das traumapädagogisch ausgebildete Team der Beratungsstelle Viersen.
Das Team der Beratungsstelle Viersen freut sich auf das Jubiläum (v.l.n.r.): Andrea Mustac, Rike Palm-Zinkler, Stefanie Rüdiger, Sandra Mainz, Sophie Rupp (hinten), Anja Novoszel, Hanna Greven und Stefan Hoffmanns.EB Viersen
Leiter Stefan Hoffmanns und seine Kolleginnen Anja Novoszel, Hanna Greven, Rike Palm-Zinkler und Stefanie Rüdiger kennen das Leben in seiner ganzen Breite. Kinder und Jugendliche mit herausforderndem Verhalten, überlastete Eltern, toxische und gewalttätige Beziehungen, sexualisierte Gewalt -Ausgangspunkt sind Grenzen, die erlebt oder gesehen werden, von Betroffenen selbst oder von außen.
Beratungsstelle bietet Schutzraum an
Gemeinsam ist den meisten Menschen in solchen Situationen, dass in manchen Teilen des Alltags ein Gefühl der Hilflosigkeit auftritt, mitunter wird dies als Kontrollverlust erlebt. Deshalb ist dem Team sehr wichtig, zunächst einmal einen Schutzraum anzubieten, in dem Klientinnen und Klienten Sicherheit erleben. Sie gestalten den Rahmen für die Treffen so, dass ein sicherer Ort entstehen kann.
Das Team hat eine spezielle Brille, auf die Welt zu schauen: die traumasensible. Das heißt, die Beraterinnen und der Berater nehmen an, dass alles abweichende, auffällige, herausfordernde Verhalten einen guten Grund hat. Sowohl die Gefühle als auch Gedanken und Handlungsweisen haben eine Funktion, nämlich die Aufgabe, schwierige Erlebnisse zu verarbeiten. Somit sind es häufige Reaktionen in besonderen Lebenssituationen.
Kämpfen, weglaufen oder erstarren
Der mit Traumata oft einsetzende Stress kann hirnphysiologisch auf dreierlei Weise verarbeitet werden: kämpfen, weglaufen oder erstarren. Jeder Mensch nutzt aufgrund Vorerfahrungen und persönlichen Prägungen seine eigene Strategie. Häufig hält er Herausforderungen lange Stand, ist widerstandsfähig, löst Probleme oder umschifft sie.
Die Traumafachberatung wertschätzt diese Ressourcen und knüpft an diesen an. Die Menschen, die vor Stefan Hoffmanns, Anja Novoszel, Hanna Greven, Rike Palm-Zinkler und Stefanie Rüdiger sitzen, sollen so das Vertrauen in ihre eigenen Fähigkeiten zurückgewinnen. Der Weg dahin ist häufig sehr schwer, Trauer, Wut, Angst, Scham sind stark. Alle Emotionen dürfen raus beim Gespräch.
Dem guten Grund für den leidvollen Alltag nachzuspüren, hilft den Ratsuchenden häufig, aus dem Tunnelblick herauszufinden, mit dem sie ihre rat- und hilflose Situation betrachten. Dieser Prozess legt im besten Fall die Kräfte und Fähigkeiten frei, mit denen sich die Menschen befreien und Lösungen entwickeln können, selbstbewusst, selbstsicher, selbstwirksam.
Im Beratungsprozess, der vertraulich unter Schweigepflicht erfolgt, gilt es die Barrieren auf diesem Weg auszuräumen. Es ist oft ein langer Prozess, sich mit möglichen eigenen Verstrickungen und Verantwortlichkeiten auseinanderzusetzen. Die Beraterinnen und Berater unterstützen dabei, aus der Hilflosigkeit in die Selbstwirksamkeit zu kommen.
Die Zusammenarbeit beginnt mit einem gemeinsamen Sortieren der Situation und möglicher Lösungswege. Sie endet im besten Fall, in dem jemand sagt: Wir brauchen Euch nicht mehr. Häufig schleicht sich der Beratungsbedarf langsam aus. Manche Menschen sehen Stefan Hoffmanns, Anja Novoszel, Hanna Greven, Rike Palm-Zinkler und Stefanie Rüdiger allerdings immer wieder.
Beratungsstelle kann weitervermitteln an andere Hilfsangebote
So einfühlsam, wertschätzend und geduldig die Traumafachberatung auch vorgeht, erfährt sie selbst manchmal Grenzen, die sie erkennen und achten muss. Zum Beispiel gibt es soziale, wirtschaftliche und psychiatrische Nöte, bei denen sie nicht weiterhelfen kann. Dafür gibt es spezialisierte Anlaufstellen und Einrichtungen, an die sie bei Zustimmung weitervermittelt.
Die Arbeit ist in den vergangenen Jahren komplexer geworden. Die Beraterinnen und der Berater spüren die gesamtgesellschaftlichen Veränderungen, die sich mitunter auf den individuellen Ebenen widerspiegeln. So werden manche Konflikte heftiger ausgetragen oder Reaktionen stärker erlebt. Die Häufigkeit der psychischen Auffälligkeiten wächst. Über die Gründe kann das Team trefflich diskutieren, aber die Sicht auf den Trend ähnelt sich.
Auch im 50. Jahr ihres Bestehens gibt die katholische Beratungsstelle für Eltern, Kinder und Jugendliche in Viersen alles, um die Menschen und die Systeme, in denen sie leben und arbeiten, zu stärken. Sie kann nicht alles auffangen, was bei Personen, Familien und in der Gesellschaft in die falsche Richtung läuft. Aber sie leistet einen wertvollen Beitrag.
50 Jahre Katholische Beratungsstelle Viersen
Das Gespräch fand im Vorfeld eines traumpädagogischen Fachtags am 10. April 2025 in Viersen statt. Unter dem Titel "Verstehen - stärken - begleiten" tauschen sich Mitarbeitende aus der Jugendhilfelandschaft der Region und des Bistums über praktische Erfahrungen und Ansätze aus. Anlass ist das 50-jährige Bestehen der Beratungsstelle.