Patzelt: Gemeinschaftsverlust ist die neue Not
CDU Bundestagsabgeordneter Martin Patzelt sprach vor dem Diözesancaritasrat. DiCV Aachen
Patzelt forderte vielmehr eine Diskussion über Werte. Sie böten ein Grundgerüst, an denen sich Bürger und Politiker orientieren könnten. Politik dürfe Widersprüche, die es offenkundig gebe, nicht verleugnen. Aber Werte, so Patzelt weiter, seien in Zeiten von Widersprüchen eine Quelle für eine gute Weiterentwicklung der Gesellschaft. Das erlebe er immer wieder in Diskussionen mit Bürgern. Mit Blick auf seine eigene Biographie - Patzelt wurde 1947 in Frankfurt/Oder in eine Großfamilie geboren, in der er katholisch sozialisiert wurde - sagte der CDU-Bundestagsabgeordnete, "die Chance, die mir geboten wurde, mit dem Evangelium früh in Kontakt zu kommen, hat mir Sinn, Spur und Kraft gegeben".
Wegen seiner Haltung kam Patzelt aber auch in Konflikt mit dem DDR-Regime. Daran erinnerte der Erste Vorsitzende des Caritasverbandes für das Bistum Aachen, Weihbischof Dr. Johannes Bündgens, als er den Gast im Caritasrat begrüßte. Aus Glaubensgründen verweigerte der heute 71-Jährige den Waffendienst bei der NVA. Das Medizinstudium, das er aufnehmen wollte, wurde ihm verwehrt. Er wurde nach dem Abitur Betonfacharbeiter, studierte dann Soziale Arbeit, Sozialpädagogik und Verwaltungswissenschaften. 20 Jahre lang leitete er ein katholisches Kinder- und Jugendheim in Calbe an der Saale. 1994 wurde Patzelt, der mittlerweile der CDU beigetreten war, Beigeordneter seiner Geburtsstadt Frankfurt/Oder für Soziales, Jugend, Sport, Bildung, Gesundheit, Wohnen und Kultur. Von 2002 bis 2010 war er Oberbürgermeister von Frankfurt/Oder und zog 2013 erstmals in den Deutschen Bundestag ein. Bei der Bundestagswahl 2017 verteidigte der CDU-Politiker sein Direktmandat gegen Alexander Gauland von der AfD.
Mit Blick auf die politische Situation sagte Patzelt, die Politik habe zurzeit sehr damit zu kämpfen, dass die gefühlte Wirklichkeit viel entscheidender für das Wahlverhalten sei als die datenbasierte Wirklichkeit. Unter Berufung auf Untersuchungen der Bertelsmann-Stiftung sagte der Bundestagsabgeordnete weiter, dass sich ein Drittel der Mittelschicht große Sorgen mache, während zwei Drittel durchaus optimistisch seien. Besorgte Gruppen neigten stärker zu einem populistischen Wahlverhalten. "Sie gehen zu denen, die sagen, wir kümmern uns. Da beginnt der Populismus." Die Masse der Wähler der AfD komme nicht aus der Unterschicht, sagte der CDU-Politiker weiter. Annähernd 34 Prozent der AfD-Wähler gehörten zum reichsten Fünftel der Bevölkerung. Menschen mit links- oder rechtsextremen Positionen hätten Sehnsucht nach einer Gruppe, in der sie zu Hause seien.
Patzelt warnte davor, aus der AfD "eine Märtyrer-Truppe" zu machen. "Wir müssen uns mit ihr von der Sache her auseinandersetzen", sagte Patzelt. Als "schädlich" bezeichnete der CDU-Bundestagsabgeordnete in diesem Zusammenhang die Aussage des SPD-Bundestagsabgeordneten Martin Schulz in der Generaldebatte des Bundestags am 12. September 2018, AfD-Fraktionschef Alexander Gauland gehöre "auf den Misthaufen der Deutschen Geschichte". Schulz habe die Positionen der AfD gemeint, aber die Person Gauland angegriffen, sagte Patzelt. Mit den Positionen der Partei müsse man sich kritisch auseinandersetzen. Die AfD sei aber nicht sein Feind, auch Alexander Gauland sei nicht sein Feind. Er vertrete aber Positionen, die er nicht teilen könne. Als Pädagoge habe er gelernt, "nie ein Urteil zu fällen über das Gut- oder Schlechtsein eines Menschen".
Patzelt sagte weiter, er mache in der Gesellschaft eine neue Not aus. Diese sei der Gemeinschaftsverlust. Da seien Gruppen und Verbände wichtig, die sich bürgerschaftlich engagierten. Eine solcher Verband sei die Caritas. Sie erreiche Menschen, vertrete Werte und arbeite mit großer Sachkenntnis, sagte der CDU-Bundestagsabgeordnete, der zugleich stellvertretender Vorsitzender des Caritasverbandes für das Erzbistum Berlin ist. Diejenigen, die bürgerschaftlich engagiert sind, seien viel weniger gefährdet, "Populisten auf den Leim zu gehen", sagte Patzelt.
v. l. Weihbischof Dr. Johannes Bündgens (Erster Vorsitzender), Hans Mülders, Martin Patzelt (MDB), Diözesancaritasdirektor Burkard Schröders, Monika Karim, Schwester Maria Ursula Schneider (Zweite Vorsitzende)DiCV Aachen
Diözesancaritasdirektor Burkard Schröders dankte Patzelt für seinen Besuch. Es sei beeindruckend zu hören, wie sehr er geprägt und getragen sei von seiner christlichen Grundüberzeugung. Patzelt habe die Bedeutung der Caritas als Solidaritätsstifter herausgestellt. Das sei eine große Verantwortung, bei der dem Verband aber seine Gründung auf Werten des Evangeliums helfen könne.