Mit einem Einsatz bei Querbeet die Stadt schöner und sich selbst sichtbar machen
Thomas Hohenschue
Platziert, gepflanzt und gepflegt werden diese Beete von Menschen in gelben Westen mit der Aufschrift "Querbeet". Sie rücken jeden Werktag in kleinen Trupps in die Innenstadt und weitere Stadtviertel aus. Dabei geht es ihnen nicht nur um die Beete, sondern sie schauen insgesamt nach dem Rechten. Sie sammeln in Parks, auf Plätzen, auf Bürgersteigen Abfall auf, sie jäten Unkraut, sie rächen Laub zusammen - was immer zu tun ist. Das tun sie ruhig, gelassen und sorgfältig. Sie hinterlassen keine Spuren, nur eine schönere und sauberere Umgebung.
Dass die Männer - selten auch Frauen - diese Arbeit verrichten, macht sie zufrieden und auch ein wenig stolz. Es ist eine wohltuend andere Erfahrung für sie. Denn nicht selten werden sie selbst als Belastung für das Stadtbild diskriminiert. Es sind Menschen, die suchtkrank sind, teilweise auf der Straße leben, die kein Geld haben, sich daher welches von Passant:innen erfragen. Viele von ihnen machen die Erfahrung, dass sie nicht angeschaut und angesprochen werden, dass man ihnen ausweicht, manchmal auch aus Unsicherheit und Angst.
Hier nun tun sie etwas für die Allgemeinheit, machen die Stadt schön. Sie erhalten Lob und Dank für ihre Arbeit. Mitbürger:innen sprechen sie an, stecken ihnen ein wenig Geld zu, ungefragt. Ab und an werden sie auf einen Kaffee eingeladen, zum Beispiel von einer Bäckerei, vor der sie ein Hochbeet pflegen. Manche begrüßen sie einfach herzlich, selbstverständlich, wenn man sich sieht. Das sind kleine und schöne Höhepunkte in einem Alltag, der in der Regel von Ausgrenzung, Ablehnung, bestenfalls Desinteresse geprägt ist.
Angeleitet und begleitet werden sie bei ihrer Arbeit von Sozialarbeitern aus dem Café Plattform. Diese anerkannte Einrichtung des Regionalen Caritasverbandes Aachen ist tägliche Anlaufstelle für viele Wohnungslose und Suchtkranke, mit einem denkbar breiten Spektrum von Angeboten, Hilfen und Beratung. Dazu gehört auch Querbeet - die Einladung, ein paar Stunden lang etwas Sinnvolles für sich, die Stadt und die Mitmenschen zu tun. Ein paar Euro gibt es auch dafür, vom Jobcenter. Sowohl die Aussicht auf das Geld als auch die gemeinnützige Aufgabe locken.
Für Einrichtungsleiter Mark Krznaric und Teamleiter Laurids Elsing ist Querbeet ebenso ein Herzensprojekt. Ausgangspunkt war die Langeweile von suchtkranken Gästen gewesen, die gerne etwas Sinnvolles tun wollten. Rasch zeigte sich, dass die Pflege des Stadtbildes so viele positive Facetten hat. Die Wohnungslosen und Suchtkranken können sich aktiv einbringen, werden nicht länger auf ihre Defizite reduziert. Die Stadtgesellschaft erlebt sie anders und lernt im besten Fall, sie als Mitbürger:innen zu sehen und nicht als Problem.
Dass die Sozialarbeiter mitgehen auf die Runde, hat mehrere Gründe. Zum einen sichern sie die Arbeitseinsätze und ihre Qualität ab. Zum anderen sprechen sie während des Gangs in die Stadt oder beim Gärtnern, Kehren und Müllsammeln mit den Beschäftigten. So erfahren sie eher beiläufig das Neueste aus deren Leben, können einhaken, Lösungen diskutieren, Vorschläge machen, Hilfen anbieten. Das gilt im Übrigen auch für andere Suchtkranke und Wohnungslose, die ihnen auf den Touren begegnen. Querbeet ist mobile Soziale Arbeit vom Feinsten.
Das fünfköpfige Team nimmt dabei eine wichtige Aufgabe wahr, welche immer stärker als Erwartung von Seiten der Stadtgesellschaft an sie herangetragen wird. Wellenförmig wird zum Beispiel das Betteln rund um den Elisenbrunnen skandalisiert. Die Querbeet-Leute schauen dort immer wieder vorbei. Fällt ihnen jemand in seinem Verhalten auf, sprechen sie ihn an. Dabei lassen sie sich von denselben Prinzipien leiten, wie sie im Café Plattform gelten: Niemand wird bedroht, belästigt, beleidigt. Diese klare Kante gehört zur vielzitierten Augenhöhe dazu.
Dass Querbeet 2023 mit dem Teresa-Bock-Preis der Caritas-Gemeinschaftsstiftung im Bistum Aachen ausgezeichnet wurde, zeigt exemplarisch die hohe Anerkennung des Projektes. Gleichwohl durchleben die Projektverantwortlichen in der Frage der Finanzierung ein Wechselbad der Gefühle. Die Kürzung bei den Bundesmitteln für die Arbeitsmarktförderung schlug auf die Bezuschussung von Querbeet durch. Der Regionale Caritasverband und die Stadt Aachen sprangen kurzfristig in die Bresche. Das ist natürlich keine Dauerlösung, sondern es braucht einen verlässlichen und stabilen Rahmen. Dass so etwas rundum Sinnvolles und Funktionierendes wie Querbeet um sein Weiterbestehen kämpfen muss, ist aus Sicht vieler Beobachter ausgesprochen unverständlich.
Autor: Thomas Hohenschue