Menschen in ihrer letzten Lebensphase zu begleiten, ist vielfältig und erfüllend
Vertrauensvolles Miteinander im Sinne schwerkranker Menschen und ihrer Angehörigen: Verena Sußmann, Debora Schnabel, Andrea Laps und Marielen Esch (v.l.n.r.).Thomas Hohenschue
Es gibt Situationen, da passt alles zusammen - und eine Entscheidung ist so gereift, dass sie getroffen wird. So war es zum Beispiel bei Andrea Laps. Die Juristin suchte trotz ihrer zeitlichen Auslastung nach einem Ehrenamt. Dann starb ihre Schwiegermutter, im Kreis der Familie. Und da machte es bei Andrea Laps Klick: "Nicht jeder hat so ein familiäres Netz, dachte ich, und ich möchte Menschen beistehen, die es nicht haben." Die Aufgabe, nach der sie suchte, war gefunden, und sie nahm Kontakt zum ambulanten Hospizdienst St. Severin auf.
Auch Debora Schnabel strebte nach einer sinnvollen Tätigkeit jenseits ihres anspruchsvollen Verwaltungsjobs an der Uni. Der Tod war in ihrer Familie nie ein Tabu und sie war neugierig darauf, das Arbeitsfeld des ambulanten Hospizdienstes kennenzulernen. Ob sie dem gewachsen war, wusste sie vorher nicht. Aber sie ist voller Dankbarkeit für ihr schönes Leben und wollte der Gesellschaft etwas zurückgeben. So nahm sie wie Andrea Laps am Befähigungskurs teil. Er dauert neun Monate und lässt sich gut in den Alltag integrieren.
Zunächst gilt es, sich mit der eigenen Haltung zu beschäftigen
Empathische Begleiterinnen bei den ersten Schritten waren die Koordinatorinnen des ambulanten Hospizdienstes St. Severin Eilendorf. Die Krankenschwester Verena Sußmann und die Altenpflegerin Marielen Esch beweisen eine gute Hand, Menschen für den noch jungen Dienst zu gewinnen. 2019 gegründet, zählt der Dienst inzwischen 49 Ehrenamtliche. Mitten in der heißen Corona-Zeit, 2021, stieß Andrea Laps hinzu, und Debora Schnabel kurz nach der Pandemie, in 2023. Mit ihrer Entscheidung sind sie bis zum heutigen Tag im Reinen.
An der Ausbildung begeistert sie nachhaltig, dass dort vor allem die eigenen Fragen zum Leben, zum Sterben und zum Tod im Mittelpunkt standen. Denn sich bewusst mit der eigenen Haltung auseinanderzusetzen, schärft diese. Und das wiederum ist eine wichtige Voraussetzung dafür, dass man den Menschen gerecht wird, die man begleiten möchte. Denn dort zählen deren Bedürfnisse und Blickwinkel, deren Sorgen und Fragen, deren Erlebnisse und Erfahrungen. Was man selbst im Gepäck hat, ist vor allem dann wichtig, wenn der kranke Mensch danach fragt.
Eine Sicherheit im Umgang mit Alten und Kranken gewinnen
Ein wertvoller Bestandteil des Befähigungskurses ist eine begleitete Begegnung mit Menschen, die im Seniorenzentrum St. Severin leben. Das Ziel dieser "Lebensbegleitungen", wie Verena Sußmann und Marielen Esch die Hospitationen nennen, lautet, mögliche Schwellenängste zu nehmen und eine gewisse Sicherheit, Selbstverständlichkeit, ja Leichtigkeit im Umgang mit Alten und Kranken zu gewinnen. Andrea Laps und Debora Schnabel bestärkte dieser praktische Einsatz. Wo ihnen immer gesagt wird: "Ich könnte das nicht", erfuhren sie: "Ich kann das."
Beide nahmen jeweils etwas Besonderes mit: Andrea Laps musste den unerwarteten Tod einer begleiteten Person verarbeiten. Hier waren wieder die Koordinatorinnen eine große Hilfe, wie bei allen Herausforderungen und Fragen, die beim ehrenamtlichen Einsatz aufkommen. Debora Schnabel wiederum besucht weiterhin die Person, die sie damals kennengelernt hat. Sie schätzt die wöchentlichen Begegnungen, es wird sich viel erzählt, aus dem Leben, etwas zum Lachen, Tiefgründiges, alles dabei. Die Ehrenamtliche geht selbst beflügelt aus den Treffen.
Jeder Mensch ist individuell, jede Begleitung daher auch
Schon bei der Ausbildung, aber erst recht bei den Begleitungen, die folgten, überrascht und begeistert Andrea Laps und Debora Schnabel die Vielfalt in ihrer Aufgabe. Jeder Mensch, bei dem sie das erste Mal anklopfen, ist anders, hat seine eigene Geschichte, seinen eigenen Charakter, seine eigene Situation. Manche möchten reden, manche nicht. Manchen lesen sie vor, manche wollen gemeinsam Fernsehgucken. Oder schweigen oder Hand halten. Auch demenziell veränderte Menschen reagieren häufig aufgeschlossen auf das Angebot.
Was die Ehrenamtlichen überrascht und bewegt, ist die große Offenheit, mit der die begleiteten Menschen mit ihnen über große und kleine Themen ihres Lebens sprechen. Manches Mal ist es mehr oder Anderes, als die Angehörigen wissen. Andrea Laps und Debora Schnabel hören zu, ihre Aufmerksamkeit und Zugewandtheit ist das, was für ihr Gegenüber zählt. Denn dass jemand da ist, der unvoreingenommen entgegennimmt, was sie zu sagen haben, tut alten und kranken Menschen gut. Das ist wichtiger, als die Ehrenamtlichen zuweilen selbst in der Situation spüren.
Beim Engagement sind die Ehrenamtlichen nie allein
Die Dankbarkeit ist groß, auch der Angehörigen, wenn man einfach nur da ist, als unparteiische Person, nicht verstrickt in familiäre Konstellationen und Konflikte, ein Mensch mit Erfahrung. Immer wieder führt dieses Einfach-da-sein die Ehrenamtlichen an Grenzen. Da gibt es zum einen das Thema Zeit. Wie passt so ein Engagement in ein volles Leben? Zum anderen gibt es das Thema Nähe und Distanz. Wie nah lasse ich das Leiden des Gegenübers an mich heran, um diesem gerecht zu werden, und wie gehe ich mit Emotionen um, die sich damit verbinden?
Bei den Koordinatorinnen Verena Sußmann und Marielen Esch finden Andrea Laps und Debora Schnabel stets ein offenes Ohr. Gute Impulse kommen auch von anderen Ehrenamtlichen, jeder bringt seine Erfahrungen bei abendlichen Treffen ein. Und es gibt regelmäßige Supervisionen, die helfen, die Perspektive auf Begleitungen zu wechseln und Lösungen für Herausforderungen zu finden. Das Umfeld stimmt in diesem Ambulanten Hospizdienst. Andrea Laps und Debora Schnabel sind bestens angekommen und gestalten ihr so wertvolles Ehrenamt mit Herzblut.
Info: Runder Tisch und Welthospiztag
Der ambulante Hospizdienst St. Severin Eilendorf vernetzt sich mit ähnlichen Diensten aus dem Bistum Aachen. Am Runden Tisch des Diözesancaritasverbandes, geleitet von Fattaneh Afkhami, tauschen sich die Koordinatorinnen aus und sprechen über gemeinsame Fortbildungen und Aktivitäten.
Als nächstes steht der Welthospiztag am 12. Oktober 2024 ins Haus. Er rückt das Thema Vielfalt in den Blick. Infos und Materialien unter https://www.dhpv.de/aktuelles_welthospiztag.html. Aus diesem Anlass stellen wir ambulante Hospizdienste im Bistum Aachen in einer kleinen Reihe vor.
Autor: Thomas Hohenschue