Kinderfachbuch macht auf Not von Kindern psychisch kranker Eltern aufmerksam
Stellten in der Caritas-Beratungsstelle in Kempen gemeinsam das Kinderfachbuch "Das Jahr, in dem es anders war" vor: (v.l.) die Autorinnen Anna Ern und Laura Menden, Propst Dr. Thomas Eicker, Prof. Dr. Andreas Wittrahm, Achim Wolters und Verena Klingen.Kathrin Albrecht
Dass es dieses Buch gibt, ist maßgeblich das Werk von Anna Ern und Lena Menden, Psychologinnen in der Beratungsstelle. Die Beratungsstelle am Kauertzacker hält im Projekt BaumHaus unter anderem seit Jahren ein Gruppenangebot für Kinder psychisch erkrankter Eltern vor. Sie bekommt von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern und den Familien positive Rückmeldungen, und die umliegenden Jugendämter, Schulen, Jugendhilfe-Einrichtungen, Kinderärzte und Kliniken zeigen großes Interesse. "Im Team haben wir uns daher überlegt: Wie können wir dieses Unterstützungskonzept noch bekannter machen? Zugleich wollten wir Aufmerksamkeit wecken und sensibel machen für das mittlerweile verbreitete Problem, dass Eltern psychisch erkranken", sagt Achim Wolters, Leiter der Beratungsstelle. In Deutschland seien weit über vier Millionen Kinder von einer psychischen Erkrankung eines Elternteils betroffen.
Buch beschreibt ein Jahr im Leben von Ron
Die Idee, eine Arbeitshilfe oder eine Fachbroschüre zu erstellen, verwarf die Beratungsstelle bald wieder. Als dann die Kempener Propsteipfarre eine erhebliche Spende für das Baumhausprojekt machte und die Caritas-Gemeinschaftsstiftung für das Bistum Aachen ebenfalls einen großen Zuschuss zusagte, setzte die Beratungsstelle das bebilderte Kinderfachbuch und ein Begleitheft für Fachpersonal um. Lena Menden schrieb die Texte, Anna Ern steuerte die Grafiken bei. Und so hauchten sie Ron, dem Protagonisten des Buches, Leben ein, beschreiben ein Jahr in seinem Leben, ein Jahr eben, in dem alles anders war. Ron lebt in einer ganz normalen Familie mit Mama, Papa und Hund. Mit Papa geht er gerne schwimmen, mit Mama kuschelt er gerne, in der Schule liegt ihm Englisch am meisten. Zum Ende des Sommers wird Papa plötzlich krank, entwickelt eine Zwangsstörung. Er putzt den ganzen Tag, weil er Angst vor Krankheitskeimen hat. Darunter leiden die Beziehung der Eltern und das Familienleben. Ron versucht alles, um die Familie zusammenzuhalten. Doch er bricht zusammen. Eine Lehrerin gibt der Familie schließlich den Tipp, eine Beratungsstelle aufzusuchen. Er besucht dort die "Baumhaus-Gruppe" für Kinder mit einem psychisch kranken Elternteil. Ron merkt auf einmal, dass andere Kinder auch ähnliche Probleme haben wie er. In dieser Gruppe fällt es viel leichter als zuhause, seine Gefühle zu zeigen. Gefühle, die andere Kinder auch haben. Er verlebt in der Gruppe unbeschwerte Stunden und erfährt ganz nebenbei viel über psychische Erkrankungen. Am Ende des Buches hat sich die Familie stabilisiert. Der Vater geht zur Therapie, er unternimmt wieder etwas mit der Familie. Auch Ron besucht hin und wieder die Beratungsstelle.
"Ich wollte, dass das Buch für Kinder ein Hingucker ist."
"Uns war es wichtig, mit dem Buch Kindern, die in der Situation von Ron sind, zu zeigen: Ihr seid mit der Situation nicht allein. Ihr seid nicht verantwortlich. Außerdem gibt es Orte, wo ihr Hilfe und Unterstützung bekommt, damit ihr mit der Situation besser umgehen könnt.", sagt Lena Menden, die den Text geschrieben hat. "Ich wollte, dass das Buch für Kinder ein Hingucker ist, dass es Spaß macht, darin zu lesen, weil das Problem, das es beschreibt, Kinder sehr belastet. Daher hat mir die Illustration des Buches viel Spaß gemacht, auch wenn es eine große Herausforderung war", sagt Anna Ern, die das Buch grafisch gestaltet hat und schon lange ein besonderes Interesse und Talent für kreatives Gestalten hat, insbesondere was das Malen anbelangt.
Für Achim Wolters, den Leiter der Beratungsstelle, ist eine Botschaft des Buches an betroffene Kinder besonders wichtig: "Es gibt Leute, die können Wünsche von Kindern, ihre Vorstellungen vom guten Leben, aber auch ihre Sorgen und das, was sie verstört, nachvollziehen. Und wir können Auswege zeigen. Das geht zwar nicht ohne eigene Initiative und eigene Anstrengungen, aber es kann Spaß machen. Das zeigen uns die Erfahrungen im Projekt Baumhaus." Diese Erfahrungen möchte die Beratungsstelle weitergeben an das große Netzwerk der Jugendhilfe. Daher hat Achim Wolters mit Verena Klingen, Diplom Sozialpädagogin in der Beratungsstelle, ein Begleitheft zum Kinderbuch zusammengestellt. "Wir möchten mit dem Heft über Erkenntnisse zur Situation von Kindern mit einem erkrankten Elternteil informieren, die wichtigsten psychischen Erkrankungen darstellen, die Angebote des Baumhaus-Projektes vorstellen und vor allem einen Überblick über die Hilfen und Unterstützungen geben, die in der Region zur Verfügung stehen", sagt Verena Klingen.
Propst Dr. Thomas Eicker, Leiter der Gemeinschaft der Gemeinden Kempen-Tönisvorst und Pfarrer der Kempener Propsteipfarre, lobt das Engagement der Beratungsstelle der Caritas für Kinder psychisch erkrankter Eltern: "Für diese Arbeit geben wir sehr gerne eine finanzielle Unterstützung. Denn unser christlicher Glaube sagt uns, dass er ohne die helfende Tat nicht auskommt. Und wir sind der Überzeugung, dass wir damit eine Hilfe unterstützen bei einem Problem, das vielfach unbekannt ist oder verdrängt wird, gerade Kindern aber große Not bereitet."
"Ein Problem, das viel zu sehr im Verborgenen erlebt und erlitten wird"
Caritas sei immer auch Anwalt für Menschen in Notlagen, für Menschen mit Problemen, sagt Prof. Dr. Andreas Wittrahm, Vertreter des Vereins zur Förderung der Caritasarbeit im Bistum Aachen, dem Träger von sechs Beratungsstellen im Bistum Aachen, unter anderem auch der in Kempen. "Wir laden ein, das Buch weiterzureichen, wir wollen Gelegenheit schaffen, dass Menschen das Buch sehen, von den Bilden angesprochen und auf die Texte neugierig werden. Daher werden wir das Buch an öffentlichen Stellen verteilen. So sorgen wir für Sichtbarkeit und Öffentlichkeit für ein Problem, das viel zu sehr im Verborgenen erlebt und erlitten wird", sagt Wittrahm.
Buch und Broschüre sind bei der Erziehungsberatungsstelle Kempen des Vereins zur Förderung der Caritasarbeit im Bistum Aachen erhältlich.
Quelle: Katholische Beratungsstelle für Eltern, Kinder und Jugendliche in Kempen