Humanitäre Hilfe im Partnerland des Bistums Aachen – so nötig und so gefährdet
In der Gemeinschaft an neuen Lebensperspektiven arbeiten, ist das Bestreben der Sozialpastoral im Bistum Pasto. Auf dem Land werden tragfähige Modelle einer nachhaltigen Bewirtschaftung von Flächen etabliert, zum Beispiel beim Anbau von Kaffee.Thomas Hohenschue
Schon bei der Planung der Reise im August 2025 spielte Sicherheit eine große Rolle. Die Stadt Quibdó an der Pazifikküste zum Beispiel wird zurzeit vom Bandenterror beherrscht. Man muss ganz genau wissen, wann man sich wo und wie bewegt, sonst muss man um sein Leben fürchten. Erst zwei Tage vorher wurde ein Jugendlicher von auswärts erschossen, weil er nicht um die ungeschriebenen Gesetze der Hauptstadt wusste. Sozialpastoral - in Deutschland würden wir von Caritas-Arbeit sprechen - ist unter diesen Bedingungen umständlich und gefährlich und doch so nötig, um Alternativen zur Gewalt aufzubauen.
Im Übergangsheim „El Buen Samaritano“ betreuen Psychologen und weitere Fachleute Familien und Einzelpersonen, die Opfer von Gewalt sind. Die Einrichtung muss aus verschiedenen Gründen professionell geschützt werden.Thomas Hohenschue
Aber auch das im Gebirge gelegene Bistum Pasto, in dem sich nicht zuletzt aus diesem Grund die Aachener Delegation hauptsächlich aufhielt, ist von roher Gewalt im Kampf um Territorien und illegale Geschäfte nicht verschont. Einige Gebiete sind No-Go-Areas, in denen humanitäre Hilfe nur erschwert möglich ist. Der Staat ist schwach, Beobachter sehen in ihm keinen Partner, der sich der Bewältigung der herausfordernden humanitären Notlage von Ungleichheit, Armut, Gewalt und Umweltverschmutzung annimmt, sondern eher daraus Profit zieht.
Und der Arm der bewaffneten Gruppierungen reicht weit. Als hätte es noch eines Beweises bedurft, wie brutal ihr straffreies Regime in den Alltag Kolumbiens hineinwirkt, musste eine Teilgruppe des Besuchs aus Aachen kurz vor ihrem Ziel umkehren, weil auf der Bergstraße vor ihr ein Mordanschlag passiert war und Polizei und Militär die Weiterfahrt untersagten. Dieser Schockmoment unterstrich das, was die Besucher aus dem Bistum Aachen schon vorher in vielen Gesprächen gespürt hatten: Die Gewalt prägt die kolumbianische Gesellschaft trotz Friedensvertrag weiterhin.
Alternativen zu Unrecht, Gewalt und Ausbeutung
Umso größer der Respekt vor der humanitären Leistung, welche die Sozialpastoral in Quibdó und Pasto erbringt. In der Pazifikregion lernte die Reisegruppe Jugendliche und Erwachsene kennen, die sich mit Herzblut für eine gute Zukunft ihres Lebensraumes einsetzen. Mit dem juristischen Erfolg, dass der Fluss in der Region, der Rio Atrato, eigene Rechte zugesprochen bekam, wurde ein weltweites Zeichen gesetzt. Jetzt gibt es eine Handhabe, gegen Umweltverschmutzung vorzugehen. Der Einsatz bleibt gefährlich, der Gegenwind von Nutznießern der Naturausbeutung ist groß.
Ähnlich sieht es im Bistum Pasto aus, wo es unter anderem darum geht, Alternativen zum Anbau und Verkauf von Coca zu entwickeln. Initiativen ermutigen Bauern, ihre Flächen nachhaltig zu bestellen. Die Sozialpastoral unterstützt die Wirtschaftlichkeit des ökologischen Anbaus von Kaffee, Gemüse und Obst, nicht zuletzt durch die Diözesane Lebensmittelbank, welche Geerntetes abholt und gegen andere Güter tauscht. Auch in anderer Hinsicht bemüht sich die Sozialpastoral, bedrängte und marginalisierte Menschen in ihrer Würde und Selbstbestimmung zu stärken.
Im Bistum Quibdó herrscht eine besondere humanitäre Notlage. Die Sozialpastoral engagiert sich trotz Gefahren für eine Verbesserung der Situation. Träger der Hoffnung sind Jugendliche und junge Erwachsene, die sich vielfältig für eine nachhaltige Zukunft einsetzen.Thomas Hohenschue
In manchen Momenten ihrer Reise blieben der Delegation aus dem Bistum Aachen nur Demut und Stille. Zu diesen Augenblicken gehörte der Austausch mit der Fondación Nydia Erika Bautista. Wie die Sozialpastoral in Pasto ist diese Einrichtung hoch professionell aufgestellt, unter anderem mit juristischer Expertise. Sie begleitet Frauen, die Angehörige durch Verschleppung verloren haben, bei ihrem Kampf um Aufklärung und Gerechtigkeit. Es braucht einen langen Atem, um mit Schwierigkeiten, Rückschlägen und Bedrohungen umzugehen. Ein von der Fondacion mit entwickelter Gesetzesentwurf könnte, geht er durch, den Staat auf eine aktive, verbindliche Mitarbeit verpflichten.
Die Fondación Nydia Erika Bautista begleitet als Betroffeneninitiative mit hoher Fachlichkeit Frauen, die Angehörige durch Verschleppungen verloren haben. Sie kämpfen um Aufklärung und Gerechtigkeit, mit langem Atem.Thomas Hohenschue
Mehr Infos zum Engagement der verbandlichen Caritas im Bistum Aachen in der Kolumbienpartnerschaft unter www.caritas-im-bistum-aachen.de/kolumbienreise2025.
Text: Thomas Hohenschue