Herausforderungen der Zukunft sind nur im offenen Dialog aller Akteure im Gesundheitswesen zu bewältigen
Lieferten sich eine angeregte Fachdiskussion, v.l. Marlies Jansen (stellv. Pflegedirektorin St. Josef-Krankenhaus Linnich), Moderator Marc Raschke, Sigrid Averesch-Tietz (Landesvertretung des vdek Nordrhein), Elmar Wagenbach (Geschäftsführender Vorstand des St. Antonius-Hospital Eschweiler), Andreas Westerfellhaus (Präsident Deutscher Pflegerat a.D.), Ulrich Langen (geschäftsführender Arzt Ärztekammer Nordrhein), Jochen Brink (Präsident Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen).Andrea Thomas
Die Wahlen in Land und Bund sind entschieden. Anlass für die Diözesanarbeitsgemeinschaft der katholischen Krankenhäuser im Bistum Aachen sich im Anschluss an ihre Mitgliederversammlung intensiver mit der zu erwartenden Gesundheitspolitik auf Landes- und Bundesebene zu beschäftigen. Experten aus Pflege, Medizin, Krankenhausverwaltung und der Kostenträger diskutierten im "forum M" der Mayerschen Buchhandlung in Aachen über "Gesundheitsversorgung 2020 - Chancen und Herausforderungen für die Krankenhäuser". Moderator Marc Raschke, Leiter der Unternehmenskommunikation des Klinikums Dortmund, bat dazu aufs Podium: Jochen Brink, Präsident der Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen, Ulrich Langen, Geschäftsführender Arzt der Ärztekammer Nordrhein, Sigrid Averesch-Tietz, Leiterin des Referats Grundsatzfragen bei der Landesvertretung des vdek Nordrhein, Andreas Westerfellhaus, Präsident des Deutschen Pflegerates a. D., Marlies Jansen stellvertretende Pflegedirektorin des St. Josef-Krankenhaus Linnich sowie Elmar Wagenbach, geschäftsführender Vorstand des St. Antonius-Hospitals Eschweiler und Vorsitzender der DiAG Krankenhäuser im Bistum Aachen.
Ein brennendes Thema war die Finanzierung. Noch sei nicht ganz klar, was zukünftig das Land finanziere und was der Bund, stellte Jochen Brink fest. Da sei noch ein gewisses Taktieren zu spüren, doch sie hätten in vielen Gesprächen mit den verschiedenen Parteien ihre Position deutlich gemacht und auch den Eindruck etwas in Bewegung gebracht zu haben. Da müssten sie nun dran bleiben. "Kampagne geht nur zusammen und es ist wichtig die Politik vor Ort anzusprechen und auf die Situation der Krankenhäuser hinzuweisen."
"Wir reden bei den notwendigen Investitionen über die Basisversorgung, nicht über die Komfortebene", unterstrich auch Elmar Wagenbach, der sich von der Politik klare Aussagen wünschte. "Wenn nichts da ist, sollte die Politik dazu auch stehen." Er kritisierte außerdem, die Landeskrankenhausplanung. Gesundheitsversorgung sei Staatsaufgabe und dennoch seien sie als Kliniken zunehmend dem freien Markt unterworfen. Was im weiteren Verlauf auch die Frage aufwarf, wie viel braucht es an welchen medizinischen Angeboten, wie zum Beispiel Herzkatheterlaboren oder Pränatalzentren. "Darüber müssen wir eine ehrliche Diskussion führen und darüber, was wir der Bevölkerung bieten wollen", erklärte Ulrich Langen. Es könne nicht alles an jedem Standort geben. Da wünschten sich die Beteiligten klarere Steuerungsmechanismen, um den Konkurrenzkampf um qualifiziertes Personal ebenso wie um Patienten und im Sinne ebendieser zu entschärfen.
Der Mangel an qualifiziertem Personal, die Forderung nach einer Mindestpersonalbesetzung und die hohe Belastung in der Pflege waren ein weiteres Thema, dass den Experten auf dem Podium mit Blick auf Gegenwart und Zukunft unter den Nägeln brennt. Der ehemalige Präsident des deutschen Pflegerates, Andreas Westerfellhaus, hielt aus seiner Erfahrung heraus, Vorgaben für eine Mindestpersonalbesetzung in bestimmten Bereichen für problematisch. Wenn, müsse das für alle Bereiche gelten, nicht nur für die pflegeintensiven, da sonst "Verschiebebahnhöfe" entstünden. "Es geht nicht nur um die Menge sondern auch um Fachqualifikationen." Die Rahmenbedingungen für Pflegekräfte müssten sich ändern, um eine gute Patientenversorgung gewährleisten zu können, waren sich die Vertreter der Pflege und der Krankenhäuser einig. Es brauche neue Strukturen, mehr Ausbildungsplätze, um die, die diesen Beruf ausüben könnten, auch entsprechend ausbilden zu können und zwar sowohl für Bewerber mit einem hohen Abschluss als auch für solche ohne, die die einfache Pflege am Bett gewährleisteten. Gefordert wurden außerdem bessere Lösungen, die Qualifikationen von Menschen, die von woanders zu uns kämen, anzuerkennen sowie insgesamt eine bessere Fortbildung und Fachweiterbildung. "Menschen, die sich für einen pflegerischen Beruf entscheiden, müssen wissen, dass sich das für sie lohnt", unterstrich Andreas Westerfellhaus.
Hier spielt auch die zunehmende Bürokratie eine Rolle, die sowohl Marlies Jansen, als Vertreterin der Pflege als auch Ulrich Langen für die Ärzte kritisierten. Der Dokumentationsaufwand koste Zeit, die für die Arbeit am Patienten verloren gehe. Auch werde so das Gefühl vermittelt, dass man ihnen grundsätzlich misstraue. "Das Problem ist, Krankenhäuser und Ärzte vor Ort lassen sich nicht von außen und aus Berlin beurteilen", sagte Langen. Qualität könne man nicht in eine Liste zum Ankreuzen übersetzen. Kritik, die auch auf den Medizinischen Dienst der Krankenkassen gemünzt war und die an diesem Nachmittag Sigrid Averesch-Tietz, als Vertreterin des Verbands der Ersatzkassen aushalten musste. "Qualitätskriterien müssen erfüllt sein, die werden ja nicht umsonst gemacht", betonte sie, zeigte sich insgesamt gesprächsbereit. Man müsse sich zusammensetzen und kreative Lösungen suchen. Ein Vorschlag von Jochen Brink dazu war, einen unabhängigen Medizinischen Dienst einzusetzen, der strukturell nicht den Kassen zuzuordnen sei. Elmar Wagenbach ergänzte, die geforderte Qualität müsse auf beiden Seiten eingehalten werden, bei den zu prüfenden Krankenhäusern und den Prüfern. Wenn man sich in gleichberechtigten Strukturen und mit gleichem Sachverstand begegne, sei es möglich sich anders und effektiver auszutauschen.
Das Fachforum machte deutlich, für die gar nicht mehr so ferne Zukunft, gibt es noch einiges an Hausaufgaben zu bewältigen, doch auch, dass es dazu einen offenen Dialog braucht zwischen allen Akteuren im Feld Gesundheitsversorgung. Wie der aussehen könnte, dazu bot die Diskussion im "forum M", trotz unterschiedlichen Ansichten und Perspektiven, einen ersten Eindruck.
Autorin: Andrea Thomas
Quelle: Caritasverband für das Bistum Aachen