Geflüchtete Menschen erleben auf dem Quinkertzhof befreiende Momente mit Krafttieren
Wie gut solche Momente geflüchteten Menschen tun, lässt sich bei einem Ortstermin auf dem Quinkertzhof im niederrheinischen Nettetal beobachten. Menschen, die beim Psychosozialen Zentrum für Flüchtlinge in Mönchengladbach Rat und Unterstützung suchen, nehmen eine Auszeit vom Alltag in der Sammelunterkunft, vom Stafettenlauf mit der deutschen Bürokratie, vom Bewältigen der Erfahrungen, die sie während und nach der Flucht gemacht haben.
Zwei Frauen mit ihren Kindern und ein alleinstehender Mann besuchen den Hof. Für die Kinder sind es ganz offensichtlich viele aufregende Entdeckungen: Die Kühe, die gefüttert, gestriegelt und gemolken werden. Die niedlichen Kälber. Die Ziegen, das frisch geschorene Schaf, die Hühner. Die kleinen und großen Maschinen, die den landwirtschaftlichen Betrieb unterstützen. Der familienfreundliche Hund und der prachtvolle, stattliche Hengst.
"Tiere werten nicht, sie gehen unbefangen auf Menschen zu", erklärt Betriebsleiterin Ricarda Tobrock, was die Qualität der Begegnung zwischen Mensch und Tier in diesem Fall so wertvoll macht. Die ausgebildete Sozialpädagogin kann sich gut in die Situation hineindenken. Daher hinaus arbeitet Projektleiterin Sarah Berger vom Psychosozialen Zentrum sehr gern mit dem Quinkertzhof zusammen, weil dort auch besonders auf das Tierwohl geachtet wird.
Der Szenenwechsel bei Begegnungen mit Tieren stärke die geflüchteten Menschen, betont die Sozial- und Traumapädagogin vom SKM Mönchengladbach-Rheydt. "Hier machen sie die Erfahrung, dass sie einfach sein können, wie sie sind, ohne Druck, ohne Erwartungen, ohne Konsequenzen", sagt Sarah Berger. Sie knüpfen an ihre früheren Erfahrungen an, unbelastet von den dramatischen Umständen und Erlebnissen, die sich mit der Flucht verbinden.
Das Projekt "Krafttiere" erhebt bewusst keinen therapeutischen Anspruch. Und doch gehen viele der Menschen verändert aus den kurzen Momenten mit den Tieren heraus. Das schildern die Kolleginnen und Kollegen vom Psychosozialen Zentrum und den Netzwerkpartnern, die sich ebenfalls um die geflüchteten Menschen kümmern. Schon während der Begegnungen mit Tieren öffnen sich die Menschen stärker als bisher, erzählen, entdecken Schönes und Gutes.
In dieser Form ganz im Hier und Jetzt zu sein, durchbricht einen belastenden seelischen Kreislauf, erläutert Sarah Berger. Traumatisierende Erfahrungen holen einen betroffenen Menschen immer wieder ein, ziehen seine Aufmerksamkeit auf sich, bestimmen seine Gefühle. Demgegenüber stabilisieren und entlasten die Momente mit den "Krafttieren".
Die Erfahrung, unbefangen mit Tieren umzugehen, ist eine wertvolle Ressource, auf die Geflüchtete immer wieder zurückgreifen können, betont Sarah Berger. Das gilt nicht nur für die Kinder, die im Zuge des zweistündigen Aufenthaltes immer mehr Mut fassen, sich den Tieren zu nähern, sie zu füttern, sie zu streicheln und im Fall des Pferdes auch zu reiten. Das sind Entwicklungsschritte, die ihnen sicherlich eine bleibende Kraft für die Zukunft geben.
Auch die erwachsenen Geflüchteten empfinden große Gefühle. Die Schönheit des Pferdes bewegt eine Frau zutiefst, sie kann gar nicht aufhören, es zu liebkosen, und ist sichtlich ergriffen. Der Mann hatte in seiner alten Heimat ebenfalls Tiere, was er stolz zeigt, indem er Tiere in den Stall zurückführt. Der Maschinenpark des Quinkertzhofes fasziniert ihn ebenso wie die Kinder, deren größter Stolz es natürlich ist, einmal am Steuer eines riesigen Traktors zu sitzen.
Wie Sarah Berger bedauert auch Betriebsleiterin Ricarda Tobrock, dass sie Geflüchteten keine Beschäftigung auf dem Hof anbieten darf, trotz offensichtlicher Neigung und Befähigung. Das ist nur ein Beispiel eines Systems kalter bürokratischer Ausgrenzung. Integration wäre hier ein Leichtes. So aber bleibt es vorerst bei den kurzen Begegnungen. Sie helfen, das Ankommen in Deutschland etwas leichter zu machen und die Menschen für ihre Durststrecke zu stärken.
Migrationsfonds im Bistum Aachen
Im Bistum Aachen engagieren sich Menschen aus Pfarreien, Verbänden und Vereinen ehren- und hauptamtlich in der Arbeit mit Geflüchteten. Manche ihrer Maßnahmen und Projekte mit Migranten können sich nicht auf öffentliche Förderung stützen. In diesen Fällen kann der Migrationsfonds im Bistum Aachen weiterhelfen.
Mit Kirchensteuermitteln fördert er integrative und sozialkaritative Maßnahmen und Projekte, wie zum Beispiel das "Tiergestützte Projekt Krafttiere" des Psychosozialen Zentrums für Flüchtlinge Mönchengladbach. In diesem Jahr können Verantwortliche der jeweiligen Träger noch bis zum 30. September Anträge stellen.
Adressat der Anträge ist der Caritasverband für das Bistum Aachen, der den Fonds verwaltet. Mehr Informationen zu den Möglichkeiten des Fonds, die ehren- und hauptamtliche Arbeit mit Geflüchteten zu fördern, unter https://www.caritas-ac.de/so-helfen-wir-ihnen/fluechtlinge/migrationsfonds.
Autor: Thomas Hohenschue
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