Experte: Vorsorgende Sozialpolitik hilft gegen Populismus
Diskutierten über Populismus, seine Ursachen und Gegenstrategien: Professor Frank Decker, der Landtagsabgeordnete Reiner Priggen, Moderatorin Christina Handschuhmacher und Dara Franjic vom Diözesancaritasverband in Essen (v.l.).DiCV Aachen
Diözesancaritasdirektor Burkard Schröders sagte zu Beginn der von Christina Handschuhmacher (Multimediaredakteurin beim Aachener Zeitungsverlag) moderierten Veranstaltung, die Caritas habe unter anderem mit Menschen zu tun, die Thema populistischer Äußerungen seien. Schröders nannte unter anderem Flüchtlinge, Arbeitslose, Behinderte. Sie alle hätten eine Würde, die nach dem Grundgesetz unantastbar sei. "Unsere Gesellschaft darf es sich nicht bieten lassen, dass Populisten Stimmung machen. Wir brauchen einen breiten Konsens gegen Populismus", sagte Schröders.
"Die Ursachen des Populismus werden so schnell nicht verschwinden", konstatierte Professor Decker. Völlig falsch sei es daher zu schlussfolgern, so der Wissenschaftler der Universität Bonn, mit Ausgrenzung könne man diesem Phänomen begegnen. Alle Strategien der Ausgrenzung von Populisten seien gescheitert, weil die Populisten von ihrem Außenseiterstatus lebten. Ebenso falsch sei es, die Themen dieser Gruppen zu übernehmen. Das sei in der Diskussion um die Flüchtlinge die Strategie der CSU gewesen, sagte Decker. Diese Herangehensweise werte aber lediglich die Position der Populisten auf.
Decker sprach sich dafür aus, eine Politik zu betreiben, die soziale Ausgrenzung verhindere. Wer sozial eingebunden sei, sei weniger anfällig für populistische Parolen. Zu einer solchen vorausschauenden Politik gehöre für ihn auch eine Begrenzung der Zuwanderung. Die Politik müsse das Bedürfnis der Menschen nach Zugehörigkeit aufnehmen und darauf reagieren. Da Decker einen Grund für populistische Tendenzen in der Politik auch in der europäischen Politik sieht, forderte er eine Verantwortlichkeit der europäischen Ebene für die kulturellen und sozialen Nebenwirkungen des Marktgeschehens. Europa dürfe nicht nur auf das Marktgeschehen reduziert werden. Und wenn die Entwicklung des Marktgeschehens negative Auswirkungen auf die soziale Entwicklung in den Mitgliedsländern habe, dürfe die Bewältigung der Folgen nicht alleine dem Mitgliedsland überlassen werden. Den Parteien empfahl Decker eine Öffnung gegenüber den Bürgern. Eine neue Kultur des Zuhörens und des aufeinander Zugehens sei notwendig.
Reiner Priggen, langjähriger Landtagsabgeordneten für Bündnis 90/Die Grünen in Nordrhein-Westfalen, sagte, er sei davon überzeugt, dass populistische Parolen weniger Chancen hätten, wenn Diskussionen in der Politik und in der Gesellschaft ernsthafter geführt würden. Er nannte als Beispiel eine dringend notwendige Diskussion über die Rente. Priggen, der bei der Landtagswahl im Mai nicht wieder kandidiert, sagte, er halte eine Verächtlichmachung der Politik, wie sie bei so genannten Wut- und Hassbürgern beliebt sei, für unvernünftig. Er persönlich achte jegliche Grundüberzeugung. Wenn es aber gegen Menschen gehe, habe er dafür keinerlei Verständnis. Er persönlich habe in der politischen Diskussion immer in der Überzeugung gehandelt, "dass der Gegenüber mein politischer Gegner ist, mein Wettbewerber, nie aber mein Feind", sagte Priggen.
Dara Franjic, Migrationsreferentin im Diözesancaritasverband in Essen, stellte das Projekt "Tacheles für Toleranz - Das Zivilcourageprojekt der Caritas im Bistum Essen" vor. Bei knapp 30 Veranstaltungen - darunter waren Kneipenabende, Argumentationstrainings, Workshops gegen Hatespeech und ein Fachtag für Haupt- und Ehrenamtler - habe der Verband mehr als 600 Personen erreicht und somit als kirchlicher Wohlfahrtsverband ein deutliches Zeichen gegen Hass, Gewalt und Intoleranz gesetzt.
Quelle: Caritasverband für das Bistum Aachen