Erste PAKT-Gruppenschulung startet mit Bewegungs- und Gedächtnistraining
PAKT ist die Kurzform für "Präventives Alltagskompetenztraining für Seniorinnen und Senioren". Das Projekt, gefördert von der Stiftung Wohlfahrtspflege in NRW, hat zum Ziel, Senioren und ihre Angehörigen in ihrer eigenen Häuslichkeit zu unterstützen. Der Caritasverband für das Bistum Aachen erarbeitete zunächst gemeinsam mit dem Deutschen Institut für angewandte Pflegeforschung in Köln (DIP) ein Baukastensystem aus Beratungs-, Schulungs- und Trainingspaketen. Sie sollen für hochalte Menschen das Leben in der eigenen Wohnung leichter, sicherer und lebenswerter machen. Nun werden diese Konzepte gemeinsam mit den Pflegediensten der Caritasverbände in Heinsberg und Mönchengladbach sowie der FAUNA in Aachen mit Seniorinnen und Senioren in der Praxis erprobt.
Heute findet in Aachen in die erste Gruppenschulung statt zu der alle am Projekt teilnehmenden Seniorinnen und Senioren eingeladen sind. Heinrich Maar gehört zu den Senioren, die eine halbe Stunde vor Beginn der Schulung zur FAUNA in Aachen kommen. So sehr freuen sie sich auf den Termin. Sie sind unterschiedlich mobil. Die einen können problemlos laufen, andere nutzen einen Rollator als Hilfsmittel. Ein Senior kommt am Stock, seine Tochter muss ihn stützen.
Claudia Schraml-Tigler und Yvonne Retz, die beiden PAKT-Fachkräfte der FAUNA in Aachen, begrüßen die Seniorinnen und Senioren zur Schulung. "Heute geht es um das große Thema: Wer rastet der rostet", sagen sie und erläutern den Ablauf. Danach fordern sie die Senioren auf, sich gegenseitig in Partnerinterviews zu befragen und die Antworten in der Gruppe vorzustellen. Bewegungsübungen stehen nun auf dem Programm. Im Hintergrund läuft Musik, dazu bewegen die Seniorinnen und Senioren Beine, Arme, Füße, Hände und Kopf im Rhythmus, aber jeder so, wie es für ihn passt: der eine im Sitzen, die andere im Stehen, die eine langsam, der andere recht rasch. Else Klugert* gefällt das. "Bewegungsübungen zusammen mit anderen zu machen ist schöner. Zu Hause denkt man ja nicht so dran, und alleine macht es auch keinen Spaß", sagt die 83-Jährige. Das gemeinsame Tun gefällt auch dem 85-jährigen Willi Steig*. "Die Gruppenschulung ist eine schöne Abwechslung zum Alltag, und man kann neue Leute kennenlernen. Und die Freunde und Bekannten werden im Alter ja schnelle weniger", sagt er.
Yvonne Retz geht zum CD-Player. Sie legt eine andere CD ein. Die Musik verändert sich. Gedächtnistraining steht auf dem Programm. Die Melodien alter Schlager und Lieder erklingen, die die alten Leute noch gut von früher kennen: "Rote Lippen soll man küssen", "Tulpen aus Amsterdam", "Mein kleiner grüner Kaktus", "Die Gedanken sind frei", "Ohne Krimi geht die Mimi nicht ins Bett" und andere Gassenhauer hören sie. Nur anhand der Melodien sollen sie die Lieder von früher erraten. Das lassen sich die Senioren nicht zweimal sagen. Schnell singen oder summen sie die Lieder mit. Nach einer Weile schaltet Yvonne Retz die Musik aus. Ihre Kollegin Claudia Schraml-Tigler hat auf den Tisch Karten mit Bildern gelegt, die an Memory-Karten erinnern, und Pappkarten mit Texten darauf. Die Seniorinnen und Senioren sollen Bilder und Sprüche zusammenbringen. Schnell finden sie so zum Beispiel heraus, dass der Spruch "Es gibt keine Probleme" und das Bild von einem Butterpaket mit dem Text "alles in Butter" darauf zusammengehören. Zum Abschluss gibt es für alle einen kleinen, gesunden Snack: frischen Obstquark mit Nüssen, dazu Kaffee und Plätzchen.
Obwohl die erste Gruppenschulung zu Ende ist, nach Hause geht keiner. Alle sitzen beieinander und erzählen, knüpfen neue Bekanntschaften. Einige Senioren stellen dabei fest, dass sie nur eine Straße voneinander entfernt wohnen. Was aber alle interessiert: Wie geht das Projekt weiter? Helga Schülkens* (78) sagt. "Ich bin so dankbar, dass ich das Glück habe an dem Projekt teilnehmen zu können. Das war ein Zufall, weil ich gerade bei meiner Bekannten war, als die Frau von der Fauna zu ihr kam und das Projekt vorgestellt hat."Solche Angebote würde es nur sehr selten geben, sagen die Senioren. Sofie Lang* (76) bringt es so auf den Punkt: "Was hier für ein Aufwand betrieben wird für uns, das ist schon eine tolle Sache. "Wenn es solche Angebote gebe, fänden sie meist zu Zeiten statt, zu denen zum Beispiel keine Busse führen, beklagen die alten Menschen. Oder sie seien zu teuer und mit einer kleinen Rente nicht zu bezahlen. Und dann gebe es Angebote für bestimmte Gruppen wie Quartiere oder Vereine, an denen man nicht frei teilnehmen könne. Dass das PAKT-Projekt da andere Wege geht, findet Josef Norberts* gut: "Da wo es bei uns nicht klappt, da kümmert sich jetzt jemand, dass es wieder klappt. Wo hat man das denn schon mal?", fragt der 86-Jährige. Marlies Kloster* möchte PAKT nicht missen. Die Hausbesuche der PAKT-Fachkräfte gefallen ihr ebenso gut wie heute die erste Gruppenschulung. "Ich habe einer Freundin davon erzählt. Die ruft mich jeden Tag an und bedankt sich, weil sie so viel davon mitnehmen kann", sagt die 75-Jährige. PAKT zieht langsam aber sicher kleine Kreise.
Neben den Gruppenschulungen bietet das Projekt Seniorinnen und Senioren vor allem bis zu zehn kostenfreie Hausbesuche an. Die Besuche werden individuell auf die Bedürfnisse und Wünsche der Seniorinnen und Senioren angepasst. Hier können z.B. alle Fragen zum älter werden gestellt werden oder es gibt Beratungen, Schulungen und Trainings zu gewünschten Themen.
Die Praxisphase geht noch bis Ende 2018, und es sind zurzeit noch ein paar Plätze frei in Aachen, Heinsberg und Mönchengladbach. Anmeldungen zu einem unverbindlichen Informationsgespräch laufen über: www.pakt-caritas.de und über die Koordinationsstellen in Aachen (0241-510 530-0), Heinsberg (02452-91920) und Mönchengladbach (02161-810 20).
Nach 2018 geht es an die Auswertung des Projektes. Bewährt sich das Konzept, stünde damit ein wichtiger Baustein für die sozialräumliche Prävention der Pflegebedürftigkeit zur Verfügung. "Die Lebensqualität der wachsenden Zahl hochalter Menschen könnte stabilisiert oder gar verbessert werden. Der Caritasverband beteiligt sich mit diesem Projekt aktiv an den gemeinsamen gesellschaftlichen Anstrengungen, die Auswirkungen des demografischen Wandels rechtzeitig zu bewältigen", sagt der Aachener Diözesancaritasdirektor Burkard Schröders.
(* Name geändert)