Eine Sozialraumkonferenz auf Rädern: die Caritas-Sommertour im Bistum Aachen startet in Mönchengladbach
Mit dem Fahrrad machten sich Vertreter von SkF Mönchengladbach, SKM Rheydt, Caritasverband für das Bistum Aachen und von Politik und Verwaltung aus Mönchengladbach auf die Sommertour 2023.Thomas Hohenschue
Sie nutzten den Tag für intensiven Austausch, bestens vorbereitet von den Fachverbänden SkF Mönchengladbach und SKM Rheydt. Deren Hauptsitze bildeten die beiden Stationen für Inspiration und Diskussion, verbunden durch eine Radroute quer durch die vielgesichtige Stadt. Sie führte den Tross vorbei an Orten des Aufbruchs und der sozialen Herausforderungen.
Im Innenhof der SkF-Anlage am Steinberg hatten Kinder, Jugendliche und Fachkräfte bewegende Einblicke in ihre Sehnsüchte, Wünsche, Ideen rund ums Wohnen festgehalten. Bemalte Postkarten hingen an einer Wäscheleine. Ein Frauenhaus aus Pappe und Papier bündelte Leistungen, Probleme und Erwartungen, ein liebevoll ausgestalteter Schuhkarton zeigte Wohnträume der Kinder.
Eingeladen von SkF-Geschäftsführerin Birgit Kaatz, sich in unterschiedliche Lebenslagen einzufühlen, entspann sich ein engagierter Dialog über die zentrale sozialpolitische Herausforderung: ein Wohnungsmarkt, der nicht mehr funktioniert. Das erfahren täglich Menschen, mit denen verbandliche Caritas arbeitet, wie Wohnungslose, aber auch Frauen, die ins Schutzhaus flüchten, oder Jugendliche, die sich verselbstständigen.
Diözesancaritasdirektor Stephan Jentgens prägte in der Diskussion das Bild einer Kette, in der das schwächste Glied die Leistung des Ganzen begrenzt oder beendet. Wenn es keine erschwinglichen Wohnungen gibt, helfen alle sozialen Hilfen vorweg wenig. Denn die Menschen bleibt der Weg versperrt, ein wirklich eigenständiges, selbstbestimmtes und würdiges Leben zu führen.
Im Austausch mit Politik und der Sozialdezernentin Dörte Schall durchmaßen die Fachleute der verbandlichen Caritas die Frage, wie sich etwas vor Ort bewegen lässt. Manches bleibt dem Gesetzgeber vorbehalten. Aber Kommunen, Kirche und Caritas haben ebenfalls Hebel an der Hand, die sie zugunsten von Menschen in prekären Lebenssituationen nutzen können.
Das würde auch Menschen unterstützen, die in der Wohnungslosigkeit gestrandet sind. Der SKM Rheydt weist mit seinen Diensten und Einrichtungen eine Menge Expertise auf diesem Gebiet auf. Ohne bezahlbare Wohnungen würden beispielsweise viele Frauen nicht aus dem Teufelskreis herauskommen können, sich für ein sicheres Dach über dem Kopf prostituieren zu müssen, hieß es.
Wie schmack- und nahrhaft die täglichen Gäste des Treffs an der Waisenhausstraße versorgt werden, durften die Teilnehmenden der Sommertour dort persönlich erleben. Als Kulisse im Garten hinter dem SKM-Haus hatten Fachkräfte eine Landschaft der Wohnsituationen in Mönchengladbach aufgebaut - vom Luxushaus bis zum Schlafsack reicht diese Vielgestaltigkeit, die herausfordert.
Nach der Stärkung stand ein weiteres großes Thema im Mittelpunkt: die drohende Versorgungslücke auf dem Gebiet der gesetzlichen Betreuung. Betreuungsvereine leisten hier unersetzliche Arbeit, auch indem sie Menschen begleiten, die Angehörige oder andere ehrenamtlich betreuen. Trotz dieser anerkannten Kompetenz sind die Vereine jedoch dramatisch unterfinanziert und stehen vor dem Aus.
Im Austausch machten SKM-Geschäftsführer Norbert Schoeller und Stephan Jentgens deutlich, dass das Sterben der Betreuungsvereine unmittelbare Folgen für die Kommune habe. Die jetzt noch von der freien Wohlfahrtspflege gestemmte Aufgabe werde dann zur Pflicht der Stadt. Ein höherer Zuschuss der Kommune an die verbliebenen Betreuungsvereine könnte diese Situation abwenden.
So manches ehrliche Wort fiel bei der Diskussion, Leidenschaft für Menschenwürde und Verantwortung für knappe Steuermittel trafen aufeinander. Brücken wurden gebaut, Klischees als solche enttarnt, Kontakte geknüpft, Verabredungen getroffen. Eine Sozialraum-Konferenz auf Rädern, praxisnah und lösungsorientiert, würdigte Stephan Jentgens das Geschehen.
Die Sommertour geht in einigen Wochen weiter. In Mönchengladbach und Rheydt hat sie schon einmal reiche Früchte getragen. Der direkte Dialog zwischen Akteuren, die sich für das soziale Miteinander in einer Stadt engagieren, tut Not und bahnt Verbesserungen an. Die Bedingungen sind allseitig nicht einfach - umso wichtiger ist es, sich zu vernetzen und Kräfte zu bündeln.
Text: Thomas Hohenschue
Quelle: Caritasverband für das Bistum Aachen