Eine große Familie, bei Kaffee und Gespräch vereint am Gleis 1 des Dürener Bahnhofs
Die Bahnhofsmission Düren freut sich auf alle Menschen, die sie besuchen. Das Bild zeigt Sabine Lenzen (l.), Sieghild von Gagern und Vid Skutin.Thomas Hohenschue
So ist es auch in Düren. Der Bahnhof ist ein Umschlagplatz für Menschen. Nah- und Fernverkehr tragen sie auf Schienen zu ihren Zielen. Parkplätze gibt es satt, Taxis sowieso, und auch ans Busnetz ist der Bahnhof angebunden. Das Gebäude liegt am Rande der Innenstadt, das Zentrum ist fußläufig erreichbar. Wie auch die LVR-Klinik für psychisch erkrankte Menschen.
Aus all diesen Quellen speist sich der stete Strom, der ab 7 Uhr morgens den Dürener Bahnhof belebt. Manchmal platzt das Areal aus allen Nähten, wenn Züge nicht kommen oder nicht mehr weiterfahren. Verlässlich und offen, einfach immer da ist eine Anlaufstelle, die für alle betretbar und ansprechbar ist: die Bahnhofsmission am Gleis 1, mit hellen und warmen Räumen.
Sabine Lenzen, ihr Kollege Vid Skutin und ein 15-köpfiges Team von Ehrenamtlichen halten den Betrieb am Laufen. Sie empfangen freundlich die Gäste, die auf einen Kaffee und ein gutes Gespräch hereinkommen. Schülerinnen und Schüler laden ihre Handys auf. Der erste Kaffee ist kostenfrei, danach kostet er 30 Cent. Im Mittelpunkt steht das Willkommensein.
"Wir sind alle Menschen und haben alle das Herz an derselben Stelle", beschreibt Leiterin Sabine Lenzen die Philosophie. Unter den Gästen befinden sich viele, die nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehen. Auch Sieghild von Gagern kennt als Vorsitzende von InVia Düren-Jülich die Lebensgeschichten, weiß, wie kurz der Weg sein kann zum sozialen Abstieg.
Bei der Bahnhofsmission können die Gäste einfach Mensch sein. Es gelten Grundregeln, wie zum Beispiel Respekt und Höflichkeit. Saubere Schuhe sind Pflicht, sonst gibt es Überzieher. Alle sollen sich wohlfühlen, auch die Reisenden, die vorbeischauen, sich aufwärmen, Fragen haben. Zur Hochform laufen die Ehrenamtlichen bei Zugausfällen und -verspätungen auf.
In diesen Situationen unterstützen sie das Personal der Deutschen Bahn, um Reisende zu informieren, zu orientieren, häufig auch zu beruhigen. Überhaupt gibt es ein vertrauensvolles Miteinander. Auch Bezirkspolizisten kommen einmal am Tag vorbei, erkundigen sich, ob alles in Ordnung ist. Es gilt, leben und leben lassen. Wenn es keine Klagen gibt, ist alles in Ordnung.
Bei aller Unterschiedlichkeit der Lebenslagen und Lebensentwürfe gibt es viel Verbindendes. "Wir sind hier wie eine große Familie", sagt Sabine Lenzen. Sie berichtet von gegenseitiger Hilfsbereitschaft unter den Gästen. Wenn etwas zu tun ist, wird angepackt. Tipps werden ausgetauscht. Sicherheit ist ein großes Thema. Manchmal gibt es Probleme mit Gangs.
Vielen Leuten werde immer bewusster, dass es jeden treffen kann, erzählen die Leiterin und die Vorsitzende des Trägers. Im Umgang mit Menschen, die psychisch erkrankt sind, Suchtprobleme haben, ihre Arbeit und ihre Wohnung verloren haben, gilt im Grunde dasselbe wie bei anderen. Nicht Geld allein zählt, sondern das zugewandte Ansprechen. "Ein Lächeln kommt zu 90 Prozent zurück", lädt Sabine Lenzen zum offenen Zugehen auf die isolierten Menschen ein.
Reden reden reden ist der Alltag der Bahnhofsmission. Es gibt Frühstück, Kaffee, spezielle Treffen zum Beispiel für Frauen. Oft können die Mitarbeiterinnen und Ehrenamtlichen Unterstützung geben. Sie ermutigen, sich medizinische Hilfe zu suchen, geben Tipps zu Behörden, vermitteln soziale Beratung. So ist die Bahnhofsmission selbst ein Umschlagplatz für Menschen, wie der Bahnhof: eine wertvolle Vermittlerin zum Hilfesystem in Düren.
Autor: Thomas Hohenschue