Das Wichtigste an Leitung ist, im Miteinander die Perspektive wechseln zu können
Rike Frieling-Huchzermeyer verbindet ihre familiär geprägte Leidenschaft zur Landwirtschaft mit einer Leitungsaufgabe am Petrusheim in niederrheinischen Weeze. Eine Fortbildung vertiefte ihre Führungskenntnisse.Thomas Hohenschue
Diese Einrichtung steht in einer langen Tradition des Rheinischen Vereins für Arbeiterkolonien. Es bietet vielen Menschen mit unterschiedlichen Talenten und Stärken Beschäftigung und Tagesstruktur. Und es liegt mitten in der niederrheinischen Landschaft, ein Mikrokosmos mit eigenem Charakter.
Die Einrichtung unterstützt Suchtkranke jeden Alters. Mehr als die Hälfte der Menschen, die dort wohnen, arbeiten in verschiedenen Bereichen. Darunter befinden sich die Landwirtschaft und die Metzgerei, geleitet von Rike Frieling-Huchzermeyer. Zwei Teams á jeweils acht Angestellten gibt es, eines für Ackerbau, Viehwirtschaft und Biogasanlage, eines für die Metzgerei. Hier verbindet die 1992 geborene Führungskraft ihre Leidenschaft für den schönsten Beruf der Welt mit der Caritas.
Dass das zwei Welten sind, hat sie nicht geschreckt, als sie sich auf die Stelle bewarb. Da hatte sie nach dem Studium der Landwirtschaft in Kiel, einem Traineeprogramm bei der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft und ihrer ersten Leitungsstelle bei einem Betrieb in Mecklenburg-Vorpommern keinerlei Berührungsängste. Dass dies eine gute Entscheidung war, sie beim Rheinischen Verein ein super Umfeld findet, bestätigte sich in der Folge immer wieder.
Zum Beispiel, als ihr Dienstgeber sie bereits nach einem halben Jahr darin unterstützte, an der eineinhalbjährigen Weiterbildung "In Führung gehen" des Caritasverbandes für das Bistum Aachen teilzunehmen. Hier zeigte sich eine gute Kultur des Rheinischen Vereins, die eigenen Leute in ihrer beruflichen Entwicklung zu fördern. Zugleich partizipierte das Petrusheim rasch selbst von den Impulsen, die ihre junge Leitungskraft aus der Weiterbildung mitbrachte.
Zunächst einmal hatte Rike Frieling-Huchzermeyer ein Déjà-vu. Denn naturgemäß begegnete sie bei der Weiterbildung vorrangig Menschen, die aus der sozialen Arbeit kommen. Wie schon im Petrusheim, beim Zusammenspiel mit Mitarbeitenden und anderen Leitungskräften, fand sie es auch hier spannend und bereichernd, die eigene Blase zu verlassen, im Austausch neue Blickwinkel kennenzulernen und mit den eigenen Perspektiven zu verbinden.
Ein Zweites war, dass sie die Caritas quasi im Crash-Kurs verstehen lernte. Wer wie die Bereichsleiterin Landwirtschaft des Petrusheim nicht in der Welt des Wohlfahrtverbandes aufgewachsen ist, hat einige Schritte zu gehen. Ein Leitbild lesen ist das eine, es zu leben, etwas anderes. Das hat mit den Menschen, Aufgaben und Werten, um die es bei Caritas geht, zu tun. Und für Leitungskräfte zählt zudem die ökonomische Seite eines Sozialunternehmens.
In Berlin besuchten die Teilnehmenden die Präsidentin des Deutschen Caritasverbandes. Aus dem Austausch mit Eva Maria Welskop-Deffaa nahm Rike Frieling-Huchzermeyer ein vertieftes Verständnis vom zuweilen zähen Zusammenspiel der Perspektiven mit, das im Alltag der Träger und Einrichtungen gebraucht wird. Schließlich bewegt sich Caritas im Spannungsfeld von gesellschaftlichen Aufgaben, politischen Erwartungen und finanziellen Begrenzungen.
Noch einmal konkreter bei der Auseinandersetzung mit den besonderen Blickwinkeln von Leitung in Caritas wurde es bei Kamingesprächen mit Geschäftsführenden von Einrichtungen. Die Einblicke, die diese Verantwortlichen in ihre Herausforderungen als Leitungskräfte gaben, empfand Rike Frieling-Huchzermeyer als ehrlich. Wie jeweils an Aufgaben und Probleme herangegangen wird, inspirierte sie in der geschilderten Vielfalt und Breite.
Hier nun die eigene Haltung zu entdecken und zu entwickeln, war das Dritte, was die junge Bereichsleiterin aus der Weiterbildung mitnahm. Dazu hatte sie eine lebens-, berufs- und führungserfahrene Mentorin an ihrer Seite. Der intensive Austausch über die Fragen und Herausforderungen, die ihr im beruflichen Alltag beim Petrusheim begegnen, hat Rike Frieling-Huchzermeyer sehr bei der Weiterentwicklung ihrer Leitungshaltung unterstützt.
Denn um Haltung geht es vorrangig, sagt sie heute. Zunächst einmal gilt es, sich selbst besser zu verstehen, um reflektiert zu handeln. Immer wieder gibt es Situationen, wo es wichtig ist, nicht die eigene Sichtweise walten zu lassen. Die Perspektive wechseln zu können, ist wichtig, um das Gegenüber zu verstehen und ihm gerecht zu werden. Das hat großen Einfluss auf das Team und die Einrichtung, denn was man als Leitungskraft vorlebt, prägt die Kultur des Miteinanders.
Autor: Thomas Hohenschue