Caritas unterstreicht: Familienpolitik muss Querschnittspolitik sein
Der Caritasverband für das Bistum Aachen hatte zum Familienpolitischen Trialog in das Forum M in Aachen eingeladen.DiCV Aachen
Die Caritas gehe davon aus, sagte Diözesancaritasdirektor Burkard Schröders bei der Veranstaltung im forum M in Aachen, dass Familien das Fundament der Gesellschaft und die bevorzugte Lebensform der meisten Mitbürger seien. Familien leisteten viel für das Land und verdienten jede mögliche Unterstützung in allen gesellschaftlichen Bereichen. "Trotz vieler familienpolitischer Leistungen und Programme wuchsen 2015 in Deutschland 2,6 Millionen Kinder unter 15 Jahren in einer Familie auf, die armutsgefährdet ist oder Leistungen der Grundsicherung bezieht", sagte Schröders unter Bezugnahme auf Zahlen der Bertelsmann Stiftung weiter. Auch wenn es Deutschland so gut wie selten gehe, die Wirtschaft brumme und die Steuereinnahmen hoch seien, dürfe man die Augen nicht vor sozialen Schieflagen verschließen.
Dr. Philipp Staab vom Institut für Geschichte und Zukunft der Arbeit in Berlin sagte, Familien seien normativ wichtig, faktisch aber prekär. Das zeige sich beispielhaft an den Themenfeldern Arbeit, Bildung, Gesundheit und Wohnen, die die Caritas für den Familienpolitischen Trialog ausgewählt habe.
Zum Themenfeld Arbeit sagte Roman Schlag, Fachreferent beim Caritasverband für das Bistum Aachen für Arbeitsmarktfragen, trotz vieler staatlicher Leistungen für Familien seien viele Kinder in Deutschland armutsgefährdet. Die derzeitigen Hilfesysteme griffen nicht genügend. Schlag forderte, die Regelleistungen in der Grundsicherung und der Sozialhilfe an die tatsächlichen Ausgaben anzupassen. Ferner sei ein dauerhaft geförderter öffentlicher Arbeitsmarkt wichtig, damit auch Langzeitarbeitslose eine Perspektive bekämen. Schlag forderte eine Kindergrundsicherung und endlich den gleichen Lohn für Männer und Frauen für gleiche Arbeit.
Die SPD-Bundestagsabgeordnete Ulla Schmidt und die Landtagskandidatin von Bündnis 90 / Die Grünen, Katrin Feldmann, unterstützten die Forderung nach einem einen dauerhaft geförderten öffentlichen Arbeitsmarkt. Das sei nicht nur aus sozialen und ökonomischen Gründen sinnvoll, so Schmidt. Arbeit sei ein Wert an sich. Menschen, die Arbeit hätten, seien zufriedener, was sich auch auf ihr Umfeld, etwa die Familie, positiv auswirke. Katrin Feldmann sagte, um Familie und Arbeit in Einklang zu bringen sei es notwendig, gerade auch mit Blick auf Alleinerziehende gute Arbeitsbedingungen zu schaffen und dafür zu sagen, dass sich Menschen nicht von einer befristeten Beschäftigung zur nächsten hangeln müssten.
Zum Thema Bildung sagte Alice Teeuwen, Fachreferentin für Kindertagesstätten beim Diözesancaritasverband, dass Bildung ein Schlüssel zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben sei. Daher forderte sie unter anderem einen zahlenmäßig und qualitativ bedarfsgerechten Ausbau von Kindergärten und Offenen Ganztagsschulen, wobei Qualität vor der Befreiung von Elternbeiträgen gehen müsse. Zudem müsse die Zahl der Ausbildungsplätze für sozialpädagogische Fachkräfte ausgebaut werden. Auch müsse Schluss sein mit einem Zuständigkeitsgerangel zwischen Bund, Ländern und Kommunen beim Thema Bildung. Das beklagte auch Heinz Frenz, früherer Bildungsexperte bei der Bertelsmann Stiftung. Es sei im Ausland kaum vermittelbar, aus welchen unterschiedlichen Töpfen Bildung finanziert und in welch vielschichtiger Zuständigkeit das Bildungssystem in Deutschland sei. Eva-Maria Voigt-Küppers, stellvertretende Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion in Düsseldorf, sagte, der Bildungserfolg der Kinder hänge in Deutschland viel zu stark vom sozialen Status der Eltern ab. Sie forderte den gebührenfreien Kindergarten und plädierte dafür, das so genannte Kooperationsverbot von Bund und Ländern in der Bildungspolitik abzuschaffen. Der Bund müsse den Ländern helfen dürfen, Bildung besser zu machen.
Beim Thema Gesundheit forderte Stephan Reitz, Fachreferent für Altenhilfe beim Caritasverband für das Bistum Aachen, einen ganzheitlichen Ansatz für die Familienpflege und die familienmunterstützenden Dienste. Zudem müsse es dafür eine bessere Finanzierungsgrundlage geben. Prekäre Lebenslagen müssten früher erkannt und damit die negativen Folgen für Gesundheit abgemildert werden. Gesundheitsleistungen müssten niederschwellig und möglichst aufsuchender Art sein. Prof. Dr. Eva Münster von der Uniklinik in Bonn sagte, dass prekäre Lebensverhältnisse in Familien Auswirkungen auf die gesundheitliche Situation der Familien hätten. Überall dort, wo Familien von Arbeitslosigkeit bedroht und schlechter gebildet seien und sie keinen adäquaten Wohnraum hätten, sei ihre gesundheitliche Situation nicht so gut wie in Familien, die nicht mit derlei Schwierigkeiten zu kämpfen hätten. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Rudolf Henke sagte, dass diese Zusammenhänge gut nachvollziehbar seien. Er wehre sich aber dagegen, dass das Gesundheitssystem in Deutschland nach wie vor schlecht geredet werde.
Zum Themenfeld Wohnen sagte Oskar Knops, Fachreferent für Wohnungslosigkeit beim Caritasverband für das Bistum Aachen, in Deutschland müsse es mehr bezahlbaren Wohnraum durch mehr sozialen Wohnungsbau geben. Um diesen anzukurbeln müsse es staatliche Anreize geben. Preiswerte Darlehen alleine brächten wenig. Wohnungsbaugenossenschaften müssten gefördert werden. Um zu verhindern, dass in den Städten soziale Brennpunkte entstünden, müsse auch die Quartiersarbeit gefördert werden. Zu den stark gestiegenen Wohnungspreisen sagte Sybille Jeschonek, Sprecherin der Wohnungsbaugesellschaft Sahle Wohnen, die Baukostensteigerungen von insgesamt rund 60 Prozent hätten nur zu einem Teil mit reinen Steigerungen bei den Bauarbeiten zu tun. Diese beliefen sich auf rund 25 Prozent. Der Rest der Kostensteigerung sei darauf zurück zu führen, dass gesetzliche Anforderungen an den Wohnungsbau gestiegen seien. Es sei falsch, die Lösung für das Wohnungsbauproblem allein auf die Wohnungswirtschaft abzuwälzen. Einen Teil der Lösung für den engen Wohnungsmarkt vor allem in Ballungsräumen könne auch eine kluge Verkehrspolitik liefern, die Großstädte entlaste und verhindere, dass Menschen den ländlichen Raum verlassen. Dr. Cliff Gatzweiler, Bundestagskandidat für die FDP, sagte, aus Sicht seiner Partei seien bei der Schaffung von mehr Wohnraum zunächst die privaten Investoren gefragt. Dort, wo der Staat sinnvoll helfen könne, solle er das allerdings tun. Als ein Beispiel nannte Gatzweiler die Grunderwerbssteuer. Sie gehöre abgeschafft, weil sie Wohnraum unnötig verteuere und zu bürokratisch sei.
Quelle: Caritasverband für das Bistum Aachen