Caritas-Tagespflegen fördern die digitale Teilhabe älterer Menschen
Kreis Viersen. Renate Bernhardt schaut noch ein wenig skeptisch auf den Bildschirm des Notebooks vor ihr. "Ich bin froh, dass ich mit einem Telefon umgehen kann", sagt die 80-Jährige, "ich besitze auch keinen Computer." Dreimal in der Woche ist sie zu Gast in der Caritas-Tagespflege Dülken. "Wir spielen gerne Bingo, und da einige Gäste schlecht sehen, werden die Zahlen auf einem großen Bildschirm angezeigt", erzählt Renate Bernhardt.
Noch ist Renate Bernhardt (2. v. l.) die digitale Technik fremd. Die Caritas-Mitarbeiterinnen (v. l.) Lena Krohn (Leiterin Tagespflege Dülken), Jeanette Niehsen (Leiterin Tagespflege Süchteln) und Nicole Houben (Projektkoordination) wollen das mit dem Projekt „Digitale Teilhabe“ ändern.RCV Kempen-Viersen
Die Dülkenerin wird demnächst häufiger mit der modernen Technik in Berührung kommen. Die Caritas möchte die digitale Teilhabe von Seniorinnen und Senioren stärken und ihnen so gesellschaftliche Teilhabe ermöglichen. "Wir wollen insbesondere den Gästen unserer fünf Caritas-Tagespflegen im Kreis Viersen beim Erlernen und Vermitteln von Online-Diensten und Apps helfen", sagt Bereichsleiterin Jutta Hemmerich vom Caritasverband für die Region Kempen-Viersen. Sie denkt dabei beispielsweise an Lieferdienste und das Ärzte-Terminbuchungsportal Doctolib, aber auch an Fotobücher, Streamingdienste, Musik oder Hörbücher.
Wie stelle ich digital einen Antrag bei der Pflegekasse? Wie kann ich Getränke und Lebensmittel übers Internet bestellen? Zum Projekt gehören Schulungen, mit denen die alten Menschen solche Tätigkeiten erlernen können und mehr Sicherheit im Umgang mit digitalen Medien erhalten. "Wir möchten ihre Selbstständigkeit fördern und gleichzeitig dazu beitragen, dass die Angehörigen entlastet werden", erklärt Jutta Hemmerich. Außerdem wollen die Verantwortlichen die Angehörigen der Seniorinnen und Senioren umfassend über das Projekt "Digitale Teilhabe" informieren, um mögliche Ängste abzubauen.
Die Caritas-Tagespflegen starten das Projekt mit einer Umfrage unter den Gästen und Angehörigen. Damit soll ermittelt werden, wie der aktuelle Wissensstand zum Thema digitale Medien ist, was hilfreich wäre und was die Seniorinnen und Senioren gerne lernen möchten. Ebenfalls zum Konzept gehört die Kooperation der Caritas-Tagespflegen mit Universitäten, Schulen und jungen Erwachsenen - sei es für Abschlussarbeiten, für ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) oder den Bundesfreiwilligendienst. "Zwei FSJ-ler haben gerade in den Caritas-Tagespflegen Dülken und Süchteln angefangen", berichtet Nicole Houben, die als Altenpflegerin das Projekt "Digitale Teilhabe" gemeinsam mit Jeanette Niehsen koordiniert.
Einige Gäste der Tagespflegen nutzen bereits ein Smartphone oder einen Tablet-PC, weiß Houben. Die Videoplattform "YouTube" sei sehr begehrt, auch für Gymnastik oder ein Schlager-Quiz. "Ein Gast lässt sich von seinem Telefon schon mal einen Zeitungsartikel vorlesen", erzählt Nicole Houben. Und manche Gäste haben das Smartphone voll in ihren Alltag integriert, kommunizieren beispielsweise per "WhatsApp" mit ihren Kindern und Enkeln. Die meisten anderen, wie Renate Bernhardt, stehen noch ganz am Anfang ihrer digitalen Reise.
Für die Caritas-Tagespflegen werden nun Tablet-PCs angeschafft, auch ein mit einem Touchscreen ausgestatteter "digitaler Aktivitätentisch" soll demnächst in der Betreuungsarbeit eingesetzt werden. Das Projekt wird voraussichtlich bis September 2026 dauern. Veranschlagt sind dafür fast 100.000 Euro, von denen die Sozialstiftung NRW 90 Prozent übernimmt.