Caritas-Sonntag in Aachen: Frieden und Demokratie sind keine Selbstläufer, sondern brauchen aktive Mitwirkung
Gänsehautmomente begleiteten den Festakt in der Citykirche Aachen. Wie reden über Frieden, wenn es momentan 50 kriegerische Konflikte in der Welt gibt? Liudmla Yadak flüchtete aus der Ukraine, ist ehrenamtlich beim Caritasverband Düren-Jülich aktiv und skizzierte eindringlich die Kluft zwischen Frieden und Krieg. Sie wünscht sich eine lebens- und liebenswerte Zukunft, in der man in ihrer Heimat wieder in den Himmel blickt und nur nach Vögeln Ausschau hält, nicht nach Kampfflugzeugen, Raketen und Drohnen.
Versöhnung braucht einen langen Atem
Der Weg zur Versöhnung ist weit, sehr weit, und er braucht "sehr sehr viel Zeit", wie Gerold König, Bundesvorsitzender von Pax Christi sagte. Das gelte zwischen Ukraine und Russland ebenso wie bei den beiden Weltkriegen oder bei binnenstaatlichen Konflikten wie im Partnerland des Bistums Aachen, Kolumbien. Es müsse sich gegenseitig erzählt und zugehört, um Vergebung gebeten und Vergebung ausgesprochen werden.
Als Gerold König diese Botschaft überbrachte, stand das Aachener Friedenskreuz neben ihm. Das ist ein 150 Kilogramm schweres, wuchtiges Holzkreuz, das Krefelder Kriegsheimkehrer 1947 als Zeichen der Buße bauen ließen. Es steht für diesen Ansatz, den langen Atem zu zeigen auf dem Weg der Versöhnung. Es zog in all den Jahrzehnten seitdem quer durch Deutschland und Europa, getragen von Tausenden Menschen, hin zu den Orten, wo der Friede in Gefahr ist.
Ungerechtigkeit und andere Konfliktquellen
Und der Friede ist vor allem dort in Gefahr, wo Menschen ihre Lebens- und Arbeitsbedingungen als ungerecht empfinden, betonte Eva Maria Welskop-Deffaa, Präsidentin des Deutschen Caritasverbandes. Die Caritas biete viele Orte, an denen sich Menschen begegnen, Fragen, Sorgen und Nöte teilen, Konflikte aushalten und Gesellschaft gestalten. Sie seien Orte des Friedens, an denen ein gemeinsames Verständnis entwickelt werde, was gerecht ist.
Ungerecht sei auch unser Lebensstil, legte der Aachener Diözesancaritasdirektor Stephan Jentgens den Finger in eine Wunde. Wir lebten über die Verhältnisse anderer und der ganzen Welt. Die Verteilungskonflikte und der Raubbau an der Natur, die unser Konsum auslöse, seien Quelle vieler Konflikte und Kriege weltweit. Vorbild müsse das Lebensmodell indigener Völker sein, die nicht mehr aus der Natur nehmen, als diese selbst im Gleichgewicht hält.
Die Zivilgesellschaft als Friedenskraft
Mucksmäuschenstill wurde es in der Citykirche, als Prof. Dr. Norbert Lammert, Vorsitzender der Konrad-Adenauer-Stiftung, das Wort ergriff. Die zweite deutsche Demokratie sei nun 75 Jahre alt. Diese Staatsform sei weltweit und in der deutschen Geschichte eher die Ausnahme von der Regel. Der erste Versuch habe nur 14 Jahre gehalten. Bodenloser Leichtsinn von Wählern habe es den Feinden der Demokratie ermöglicht, diese mit ihren Mitteln abzuschaffen.
Dass dies zurzeit nicht wieder geschehe, liege nicht zuletzt am hohen bürgerschaftlichen Engagement. Das gelte es zu stärken. Bei Krisen greife der Gemeinsinn, im Alltag hingegen sinke der Einsatz und es seien häufig eher die Interessen Einzelner im Blick als die der Gesellschaft. Wie lange also die zweite deutsche Demokratie Bestand habe, liege in der Verantwortung der Zivilgesellschaft, welche die Parlamente und Regierungen tragen und treiben müsse.
Beharrlich weiter am Frieden arbeiten
Dieser Appell des früheren Bundestagspräsidenten stärkte das Anliegen der "Aachener Erklärung für Frieden und gesellschaftlichen Zusammenhalt", die am Vortag verabschiedet wurde. Mit dieser wird die Caritas arbeiten, mit ihren Orten des Friedens, mit ihren Kontakten. Bis zum Tag der Menschenrechte am 10. Dezember werden Mitunterzeichnende gesucht. Danach geht die Erklärung mit allen Unterschriften an politisch Verantwortliche.
Wie viel von den Botschaften des Tages in den Gassenhauern des Kölner Liedguts steckt, demonstrierte das Ensemble "Kölsch katholisch" aus Mönchengladbach. Die mundartlichen Aufrufe zu Menschlichkeit, Toleranz und Frieden sorgten ihrerseits für Gänsehautmomente. Sie hatten auch etwas von der "Sozialen Macht", die der Aachener Diözesanbischof Dr. Helmut Dieser der Caritas in Deutschland bei seiner Predigt im Aachener Dom zuschrieb. Mit ihrem Einfluss schenke die Caritas Hoffnung und Friede. Für all das Gute, das vom Einsatz der hauptberuflich und ehrenamtlich Mitarbeitenden ausgehe, dankte der Bischof. Sie setzten einen Kontrapunkt zu den Kräften, die Unfrieden schaffen. Kriege seien kein Schicksal, sondern ein extremer Fall der Situation, wenn Menschen in die Hände von Menschen fallen. Wenn der Frieden in jedem Einzelnen beginne, wie es die Caritas sagt, strahle er auf andere aus.
Autor: Thomas Hohenschue