Caritas berät Altenheim-Bewohner zur Versorgung in der letzten Lebensphase
Über die Wünsche für die letzte Lebensphase spricht Doris Zingsheim mit einer Bewohnerin des Altenheims Irmgardisstift Süchteln.Caritasverband für die Region Kempen-Viersen
Elisabeth Stein (Name geändert) mag frische Luft. "Ich mache oft das Fenster auf, damit ein bisschen Sauerstoff ins Zimmer kommt", erzählt die 86-Jährige, die seit knapp einem Jahr im Altenheim Irmgardisstift Süchteln lebt. Lächelnd fügt sie hinzu: "Wenn ich mal nicht mehr kann, wäre es schön, wenn das Bett ans Fenster geschoben würde." Sie hört gerne klassische Musik und besitzt einige seltene Schallplatten. "Und ich liebe Opern." Ihr Favorit: Nabucco.
Auch das notiert Doris Zingsheim. Die Sozialarbeiterin des Caritasverbandes wird nach dem Gespräch ein Dokument erstellen, in dem die Vorstellungen festgehalten sind. Falls Elisabeth Stein sich irgendwann nicht mehr selbst äußern kann, wissen die Pflegekräfte im Altenheim, aber auch Ärzte und Angehörige, was die Bewohnerin möchte - und was nicht. Eine Lebensverlängerung auf medizinischer Basis oder gar eine künstliche Ernährung lehnt sie entschieden ab: "Man soll dem lieben Gott nicht ins Handwerk pfuschen."
Seit September bietet Doris Zingsheim den Bewohnern der drei Altenheime des regionalen Caritasverbandes in Viersen, Süchteln und Waldniel an, mit ihr über die Gestaltung der letzten Lebensphase zu sprechen. Sie berät die Senioren über die medizinisch-pflegerische Versorgung und Betreuung und zeigt ihnen Hilfen und Angebote der Sterbebegleitung auf. "Sterben ist so individuell wie das Leben", sagt Zingsheim, "und deshalb wollen wir sicherstellen, dass diese Phase selbstbestimmt verläuft." Erst vor wenigen Tagen sagte ihr ein Mann, er hasse es, auf dem Rücken zu liegen. Falls er einmal bettlägerig werden sollte, wolle er das auf keinen Fall.
Im Rahmen der sogenannten "Gesundheitlichen Versorgungsplanung für die letzte Lebensphase" spricht Zingsheim mit den Senioren auch über Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht. Sie sucht zudem das Gespräch mit Angehörigen, Betreuern und Vertrauenspersonen. "Wir beziehen das gesamte System mit ein, dazu gehören auch Ärzte, Palliativmediziner, Apotheken, Seelsorger und Hospizdienste", erläutert Susanne Kiepke-Ziemes, die beim Caritasverband das Projekt "Würdige Sterbebegleitung" koordiniert und für einen Bildungsträger eine Qualifikation für Versorgungsberater durchführt. Diese Art der systemischen Beratung habe sich im Caritasverband seit Jahren bewährt, fügt sie hinzu. Dazu habe der Verband ein "Sorgekonzept" für seine Einrichtungen entwickelt.
Nicht alle Bewohner sind so offen wie Elisabeth Stein. "Viele haben große Angst vor Schmerzen und davor, demenzkrank zu werden. Sterben ist ein schweres Thema, das für viele immer noch tabu ist", weiß Doris Zingsheim. "Ich erlebe Senioren, die nicht darüber sprechen möchten. Andere hingegen freuen sich über den Kontakt und nehmen unser Beratungsangebot gerne an." Häufig habe das mit den Erfahrungen zu tun, die ein Mensch etwa beim Tod eines Familienmitglieds oder des Partners gemacht habe. Oder auch mit der aktuellen Lebenssituation: "Ein Bewohner ist frisch verliebt. Er will jetzt nicht über sein Lebensende nachdenken", sagt Zingsheim
Elisabeth Stein hat keine Angst vor dem Sterben. Ihr früh verstorbener Mann, ein Künstler, hatte ihr nach einer Nahtod-Erfahrung erzählt: "Ich habe so schöne leuchtende Farben gesehen, die gibt es hier auf dieser Welt gar nicht." Eine Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung hat die Süchtelnerin bereits gemeinsam mit ihrem Sohn erstellt. Auch über ihre Beerdigung hat sie nachgedacht. "Ich möchte auf den grünen Rasen." Das wird sie schon jetzt beim Bestattungsinstitut festlegen.
Am Ende des Gesprächs mit Doris Zingsheim wirkt Elisabeth Stein zufrieden und gelöst. "Es ist ein gutes Gefühl, wenn alles geregelt ist", sagt die 86-Jährige.
Info:
Bereits seit mehr als zwölf Jahren beschäftigt sich der Caritasverband für die Region Kempen-Viersen mit dem Thema "Würdige Sterbebegleitung" in seinen Einrichtungen. Das Projekt wird von der Nettetaler Stiftung zur Unterstützung von Jugend und Alter finanziert. Die "Gesundheitliche Versorgungsplanung für die letzte Lebensphase" ist ein neues Angebot, für das der Gesetzgeber die Möglichkeit geschaffen hat. Die Kosten tragen die Krankenkassen.