Caritas appelliert an CDU-Parteitag: Einstehen für Flüchtlingsschutz und Menschenrechte
Die Unterzeichner des Appells, der von PRO ASYL und Handicap International, mit Unterstützung von Amnesty International, dem Paritätischen Gesamtverband, terre des hommes, Diakonie Deutschland und der Caritas vorbereitet wurde, appellieren an die Vertreterinnen und Vertreter der CDU: "Bekennen Sie sich zur menschenrechtlichen Brandmauer und stehen Sie mit uns ein für gesellschaftliches Miteinander, Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Menschenrechte. Bitte nehmen Sie auch im Wahlkampf Abstand von Rhetorik und Forderungen, die unsere Gesellschaft weiter spalten und die Menschen gegeneinander aufbringen." Die Unterzeichner verweisen auf einige Länder der Europäischen Union, in denen die Folgen einer autoritären Politik zu beobachten seien. Dort werde ein "Wir gegen die Anderen"-Denken geschürt und Politik gegen queere Menschen, Migranten, Arbeitslose und andere Minderheiten betrieben. Gewalt an den Grenzen - selbst gegen Kinder - sei bereits Normalität. Gleichzeitig würden die Institutionen des Rechtsstaats untergraben, die Unabhängigkeit der Justiz angegriffen und die Arbeit von Anwälten und Journalisten behindert oder eingeschränkt. "Als konservative, christlich-demokratische Partei muss die CDU hier gegenhalten und sich klar abgrenzen", so die Unterzeichner weiter.
Politische Handlungsfähigkeit zeige sich durch Gesetze und Maßnahmen, die realistisch, wertebasiert und rechtskonform seien, heißt es in dem Appell weiter. Die unterzeichnenden Verbände und Organisationen fordern die CDU-Parteiführung und alle Delegierten des Parteitages auf: "Stehen Sie zu Ihren christlichen und demokratischen Werten und bewahren Sie Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte zum Wohle aller Menschen in Deutschland. Stehen Sie für die menschenrechtliche Brandmauer ein - mit Worten und mit Taten."
Die Unterzeichnung des Appells ist die Reaktion auf einen am vergangenen Mittwoch von der CDU/CSU-Bundestagsfraktion eingebrachten Entschließungsantrag, den der Deutsche Bundestag mit Stimmen von CDU/CSU, FDP und AfD beschlossen hatte. Ein von der CDU/CSU-Bundestagsfraktion eingebrachter Gesetzentwurf, der Verschärfungen des Zuzugs von Geflüchteten nach Deutschland vorsah, fand am vergangenen Freitag keine Mehrheit. Der CDU-Partei und Fraktionsvorsitzende und Kanzlerkandidat Friedrich Merz hatte auch für diesen Antrag die Zustimmung der AfD in Kauf genommen.
Der Aachener Diözesancaritasdirektor Stephan Jentgens sagte: "Der Caritasverband stellt sich als Gliederung des Deutschen Caritasverbandes voll hinter den von der Caritas mit ausgearbeiteten Appell an die Delegierten des CDU-Parteitags. Ich habe Sorge, dass die demokratische Mitte zerfällt und im Land Gegner der Demokratie profitieren und dass das Agieren der CDU/CSU-Bundestagsfraktion eine solche Entwicklung befördern könnte. Anstatt pauschal Gruppen wie Migranten zum Sündenbock einer in vielen Feldern seit Jahren unzureichenden Politik zu machen, muss die Politik insgesamt wirksam handeln. Das Warnen vor den Rechten alleine genügt nicht. Verantwortliche in der Politik sollten zum Beispiel mehr gegen den seit Jahren zunehmenden Wohnungsmangel tun, als zuzulassen, dass fälschlicherweise der Zuzug von Migranten für die Wohnungsnot verantwortlich gemacht werden kann. Die Caritas als Teil der Freien Wohlfahrtspflege ist bereit, bei der Lösung vieler großer Herausforderungen zu helfen."
Bei dem ihrem Parteitag, der am Montag in Berlin beginnt, wird die CDU nach eigenen Angaben ein Sofort-Programm beschließen, sollte sie nach der Bundestagswahl am 23. Februar 2023 in Regierungsverantwortung kommen.
Der Appell im Wortlaut:
Gemeinsamer Appell von 147 Bundes- und Landesorganisationen anlässlich des 37. Parteitags der CDU am 3. Februar 2025:
Einstehen für die menschenrechtliche Brandmauer: Flüchtlingsschutz und Menschenrechte sind Teil unserer Demokratie
Uns alle eint der Wunsch nach einem Leben in einer Gesellschaft, die uns schützt und unterstützt, in der wir beteiligt und respektiert werden. Diese grundlegenden Werte - Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte - sind das Fundament unserer Gemeinschaft. Sie geben uns Stabilität, Sicherheit und Halt. Sie garantieren, dass unsere grundlegende Würde und unsere Freiheit gewahrt werden. Es ist die Aufgabe von uns allen, diese Werte zu bewahren und zu verteidigen.
Die Stärke unserer Gesellschaft liegt in der Vielfalt: Unterschiedliche Ideen, Herkunftsgeschichten, Religionen, Weltanschauungen und Identitäten bereichern uns. Geflüchtete Menschen aus zahlreichen Regionen der Welt sind längst Teil unserer Gesellschaft geworden. Sie arbeiten hier, engagieren sich und ziehen ihre Kinder groß. Taten einzelner Personen, die uns fassungslos machen und in Entsetzen zurücklassen, wie der schreckliche Angriff von Aschaffenburg, dürfen niemals dazu führen, dass ganze Gruppen stigmatisiert, rassifiziert oder entrechtet werden.
Wir gehören zusammen: Ob geflüchtet, eingewandert oder hier geboren, wir sind alle Teil dieser Gesellschaft. Grund- und Menschenrechte gelten entweder für uns alle oder sie gelten gar nicht. Die Diskussionen über Verschärfungen des Staatsangehörigkeits-, Aufenthalts- und Asylrechts, die aktuell auch von der CDU maßgeblich vorangetrieben werden, bedrohen dieses Selbstverständnis. Polarisierende und grob rechtswidrige Forderungen nach Zurückweisungen von Schutzsuchenden an den deutschen Binnengrenzen, der Abschaffung des Familiennachzugs für subsidiär Schutzberechtigte, nach Rückführungen in Kriegs- und Krisengebiete und nach pauschalen Inhaftierungen aller vollziehbar ausreisepflichtigen Personen sind nicht dafür geeignet, aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen zu begegnen. Sie sorgen weder für mehr Sicherheit noch für zusätzlichen bezahlbaren Wohnraum, Kitaplätze oder gleiche Bildungschancen, geschweige denn für ein funktionierendes Gesundheitssystem, in dem auch psychische Erkrankungen angemessen versorgt werden. Was noch schlimmer ist: Durch ihre offensichtliche Rechtswidrigkeit schwächen sie unsere Verfassung und den Wert von europäischem und internationalem Recht.
Wir appellieren deswegen an die Vertreter*innen der CDU: Bekennen Sie sich zur menschenrechtlichen Brandmauer und stehen Sie mit uns ein für gesellschaftliches Miteinander, Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Menschenrechte. Bitte nehmen Sie auch im Wahlkampf Abstand von Rhetorik und Forderungen, die unsere Gesellschaft weiter spalten und die Menschen gegeneinander aufbringen. In verschiedenen EU-Ländern sind die Folgen einer autoritären Politik zu beobachten. Dort wird ein "Wir gegen die Anderen"-Denken geschürt und Politik gegen queere Menschen, Migrant*innen, Arbeitslose und andere Minderheiten betrieben. Gewalt an den Grenzen - selbst gegen Kinder - ist bereits Normalität. Gleichzeitig werden die Institutionen des Rechtsstaats untergraben, die Unabhängigkeit der Justiz angegriffen und die Arbeit von Anwält*innen und Journalist*innen behindert oder eingeschränkt. Als konservative, christlich-demokratische Partei muss die CDU hier gegenhalten und sich klar abgrenzen.
Wir haben die Wahl: Wollen wir ein offenes, vielfältiges und demokratisches Land bleiben, das die Rechte und Grundfreiheiten aller wahrt und das die Menschen in ihrer Unterschiedlichkeit respektiert und schützt? Oder gehen wir zurück in eine düstere Zeit, in der Grund- und Menschenrechte nur noch für einige gelten und ganze Bevölkerungsteile zu Schuldigen für gesamtgesellschaftliche Missstände gemacht werden?
Politische Handlungsfähigkeit zeigt sich durch Gesetze und Maßnahmen, die realistisch, wertebasiert und rechtskonform sind. Das ist unsere Erwartung an die CDU - aktuell im Wahlkampf und besonders bei einer möglichen Regierungsverantwortung. Die unterzeichnenden Verbände und Organisationen fordern die Parteispitze der CDU sowie alle Teilnehmenden des Parteitags auf: Stehen Sie zu Ihren christlichen und demokratischen Werten und bewahren Sie Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte zum Wohle aller Menschen in Deutschland. Stehen Sie für die menschenrechtliche Brandmauer ein - mit Worten und mit Taten.