Alle Menschen haben die gleichen Rechte – das gilt auch für Kinder in der KiTa
In der Behindertenhilfe hat Anja Franken ihre Haltung zum Umgang mit Schutzbefohlenen entwickelt. Die heutige Einrichtungsleiterin der KiTa St. Michael begann ihre Laufbahn als Heilerziehungspflegerin. Im Anerkennungsjahr bewunderte sie, wie zugewandt und beharrlich ihre Kolleginnen und Kollegen den Willen von Menschen ermittelten und umsetzten, die mit mehrfachen und schweren Beeinträchtigungen leben.
In der KiTa St. Michael Kirchberg steht der Wille der Kinder im Mittelpunkt des erzieherischen Alltags, den Anja Franken und ihr Team gestaltenThomas Hohenschue
Das hat sie mitgenommen in die Welt der KiTa-Kinder. Sie sagt: Das ist keine zusätzliche Arbeit, sondern das ist nur ein Gedanke. Der Gedanke lautet: Jeder Mensch ist für sich ein Mensch, mit seinen Gefühlen, seinen Problemen und seinen Rechten. Die Kinder sollen früh erfahren, dass sie gleichberechtigt über Dinge entscheiden können, die sie betreffen. Selbstwirksamkeit zu fühlen, soll ihr Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl auftanken.
Die Hoffnung, die sich mit diesem Lernangebot verbindet: Wenn die kleinen Menschen einst die KiTa verlassen, sollen sie ihren weiteren Lebensweg stark und selbstbewusst antreten. Anja Franken ist von der Wirksamkeit dieses Konzeptes zutiefst überzeugt. Auch ihr Team zieht mit, die Einrichtungsleiterin sagt: "Das ist hier die Haus-Haltung." So eine selbstbestimmte Kindheit jenseits schablonenhaft vorgesetzter Angebote hätte sie sich für sich selbst gewünscht.
Ein Wohlfühlort, von den Kindern mitgestaltet
In der KiTa in Kirchberg kann sie nun mit ihrem Team einen Wohlfühlort gestalten, dessen Alltag von den Wünschen, Interessen und Entwicklungen der Kinder geprägt ist. Für Anja Franken ist das ein Ort der Demokratie. Das heißt nicht, die Kinder zu kleinen Erwachsenen zu formen und mit großen Fragen und Aufgaben zu überfordern, wie besorgte Eltern einwenden. Vielmehr geht es darum, sie altersgerecht über ihre Belange entscheiden zu lassen.
Das fängt schon mit der Prägung und Durchlässigkeit der zwei Gruppen an. Jedes Kind kann fortlaufend selbst entscheiden, wohin es geht, mit wem es spielt, was es spielt. Die Kinder machen das unter sich aus. Bei Konflikten wird vermittelt, meist gelingt es, mit ihnen Lösungen zu entwickeln. Soweit erzieherischer Alltag, sollte man meinen, und doch ist es eine Schippe mehr, was in der von profinos getragenen KiTa St. Michael auf dem Pastoratsberg geschieht.
Anja Franken führt immer wieder Diskussionen um die Kinderrechte. Besonders wichtig ist ihr das Recht auf Schutz und Sicherheit.Thomas Hohenschue
Dafür spricht schon der Eingangsbereich der Einrichtung. Einerseits visualisieren Schautafeln kindgerecht, was es heute zu essen gibt, wer hier KiTa-Kind ist, wer hier arbeitet. Aber man geht beim Betreten des Gebäudes gleich auf eine Wand mit vielen Zeichnungen zu, über denen in großen Blockbuchstaben steht, worum es dem Team von Anja Franken geht: Kinderrechte. Besonders wichtig ist ihr der Schutz der Kinder vor Gewalt. Die KiTa ist ein Schutzraum.
Kinderkonferenz ermöglicht demokratische Erfahrungen
Diese Wand mit den Kinderrechten ist immer wieder Bezugspunkt für Diskussionen, mit den Eltern, vor allem aber mit den Kindern selbst. Einmal im Monat findet unter ihr die Kinderkonferenz statt, in der wichtige Themen und Pläne beraten und entschieden werden, zum Beispiel, wie Feste oder gemeinsame Freizeiten gestaltet werden. Das Team bereitet umsetzbare Optionen vor, die Kinder stimmen dann ganz demokratisch ab.
Die Kinder stimmen über wichtige Themen ab. Anja Franken und ihr Team bereiten realistische Optionen vor.Thomas Hohenschue
Auch andere demokratische Erfahrungen werden in der Kinderkonferenz eingeübt: Wie es ist, sich Wahlen zu stellen, mit Erfolgen und Niederlagen umzugehen, ein Amt zu übernehmen, es verantwortlich auszufüllen und dann auch wieder abzugeben. Denn die Kinder wählen ritualisiert aus ihren Reihen eine Vertretung, die einen Monat lang für alle in der KiTa eine Ansprech- und Vertrauensperson ist. Der Vorgänger wird feierlich verabschiedet.
Es kommt immer wieder vor, dass die konsequente Anwendung von Kinderrechten von Eltern kritisch hinterfragt wird. Manchmal tragen sie die Entscheidungen ihres Kindes nicht mit oder sie meinen, dass ihr Kind die Tragweite seiner Entscheidungen nicht überblicken kann. Anja Franken und ihr Team erklären, dass das pädagogische Konzept die Kinder stärkt, vermitteln, bauen Brücken. Bei den Gesprächen geht es zuweilen ans Eingemachte.
Am Ende heißt es: "Im Zweifel immer fürs Kind." Partizipation ist kein Schönwetterkonzept. Das KiTa-Team möchte die Kinder jenseits von gängigen Grundregeln des Umgangs einfach nicht mit Vorgaben und vollendeten Tatsachen überwältigen. Immer ist der Wille des Kindes maßgeblich. Ein Punkt ist Anja Franken besonders wichtig: dass es lernt, selbstbewusst Nein zu sagen, auch ohne Begründung. Es gilt: "Ein Nein ist ein fertiger Satz, der zu respektieren ist."
Autor: Thomas Hohenschue