Für psychisch kranke Menschen da sein
Astrid Werny (M.) schaut Bewohnern des Hauses Mutter Teresa in Geilenkirchen beim Gesellschaftsspiel zu. Die Leiterin des Hauses legt Wert auf einen guten Kontakt zu den Bewohnern.DiCV Aachen
Astrid Werny mag Kuba. Es ist ihr Lieblingsland. Und sie mag ihren Job. Die 51-Jährige leitet seit 1. Januar 2010 das Haus Mutter Teresa in Geilenkirchen, ein Wohnheim des Caritasverbandes für die Region Heinsberg für schwer psychisch erkrankte oder behinderte Menschen. "Kubaner sind sehr eigene Menschen mit stolzen Persönlichkeiten. Sie lassen sich nicht unterkriegen, haben viel Energie und Lebensfreude. Das fasziniert mich. Die Kubaner und unsere Bewohner haben einiges gemeinsam", findet Astrid Werny.
Auch wenn die Bewohner des Hauses nicht selbstständig leben können, weil sie viel Unterstützung und Motivation benötigen in der Bewältigung ihres Alltags und Strukturen, die ihnen eine Orientierung geben, sind sie für Astrid Werny nicht nur die Menschen, die psychisch krank sind. "Es sind Erwachsene mit ganz vielen Facetten, mit einer Persönlichkeit. Ich bin ja auch nicht nur die Sozialarbeiterin. Ich finde es schlimm, wenn wir auf irgendetwas reduziert werden", sagt Astrid Werny. Wenn über die Bewohner des Hauses getuschelt wird, die könne man ohnehin nicht für voll nehmen, bringt das die Leiterin des Hauses schnell auf die Palme. "Ich habe Verständnis dafür, dass Menschen Ängste haben und Angehörige mit psychisch kranken Menschen brechen, weil es in Familie und Umfeld nicht einfach ist. Es ist in gewisser Weise bedrohlich, wenn zum Beispiel jemand ständig mit sich selbst redet. Ich suche in solchen Fällen den Dialog und sehe es als meine Aufgabe an, Lobbyarbeit für psychisch Kranke zu betreiben", sagt sie.
Astrid Werny ist seit 15 Jahren beim Caritasverband für die Region Heinsberg beschäftigt. Nach der Ausbildung zur Erzieherin und Heilpädagogin sattelte sie ein Studium der Sozialarbeit drauf und absolvierte noch einen Masterstudiengang zur Supervision und Coaching. Auch wenn sie umfassend ausgebildet ist, durch die psychisch kranken Bewohner lernt Astrid Werny jeden Tag neu dazu, sagt sie: "Die Welt ist nicht so, wie wir glauben, sie zu sehen. Die Welt ist viel bunter, runder, aber auch eckiger." Und die Ecken des Lebens und der Welt haben bei den 24 Bewohnern im Alter von 27 bis 67 Jahrenihre Spuren hinterlassen. "Traumata, schwere Schädel-Hirn-Verletzungen oder familiäre Dispositionen sind einige Ursachen für ihre Erkrankungen. Einige wurden mitten im Berufsleben krank, andere leiden an den Folgen eines schweren Unfalls. Sie standen in der Regel alle einmal in Saft und Kraft ihres Lebens, und irgendwann war Schluss", erzählt Astrid Werny, der man anmerkt, dass ihr ihre Bewohner am Herzen liegen. "Ich finde sie spannend, herausfordernd. Man kann sie nie berechnen. Das soll nicht negativ klingen. Unsere Bewohner überraschen
mich immer wieder. Ein Bewohner, ein früherer Bürokaufmann, kann gut mit Zahlen umgehen. Der legt mir Formeln vor, dass ich mit den Ohren schlackere. Andere überraschen mich mit Kreativität. Einige überraschen mich damit, dass sie sich mit einer großen Vehemenz verweigern können. Auch das ist eine Stärke."
In der Einrichtung leben mehr Männer als Frauen. Das Gros der Bewohner ist zwischen 40 und 50 Jahre alt. Sie leben in zwei Achter-Wohngruppen, einer Vierer-, zwei Zweierwohngruppen und zwei Einzelappartements. Zum Haus gehören noch zwei Außenwohngruppen mit je zwei Bewohnern. Schizophrenien und Depressionen oder die Kombination von beiden, verbunden mit wahnhaftem Erleben, sind die häufigsten Diagnosen. "Die Menschen leiden sehr unter ihren Erkrankungen. Zwar gilt ambulante Versorgung vor stationärer Versorgung, doch das wäre bei unseren Bewohnern nicht möglich", sagt Astrid Werny. "Antriebsstörungen haben die Meisten, sie kommen alleine nicht in die Puschen." Dennoch sollen die Bewohner so viel wie möglich selbstständig machen. Teilhabe zu ermöglichen ist dem Haus wichtig. Es versucht, seine Bewohner in die weitere Nachbarschaft zu integrieren. Eine wichtige Unterstützung erhält die Einrichtung dabei durch ehrenamtliche Mitarbeiter.
Gut zwei Drittel ihrer Arbeitszeit widmet Astrid Werny Verwaltungsaufgaben. "Ich kann mich aber nicht nur auf den Schreibtisch reduzieren und will es auch nicht. Ich lebe hier mit den Menschen wie in einer Großfamilie, und mir ist wichtig, jeden Bewohner mindestens einmal pro Woche zu sehen", sagt sie. Dann setzt sie sich manchmal im Aufenthaltsraum zu den Bewohnern dazu, wenn sie ein Gesellschaftsspiel machen oder basteln. Sie arbeitet Konzepte aus, bringt sie ins Team ein und hört täglich über jeden Bewohner den neuesten Stand der Dinge. "Ich sehe es als meine Aufgabe an, neue Ideen einzubringen, damit die Menschen hier gut leben können", sagt Astrid Werny. Manchmal, gesteht sie, wird die Arbeit auch zu einer Belastung für sie, wenn sie merkt, dass ein Bewohner unter seiner Situation sehr leidet. Diese Dinge nimmt sie dann manchmal mit nach Hause, obwohl sie gut Abstand halten kann. Ihre Hobbys Sport, Zumba und Konditionstraining helfen ihr dabei.
Da auch Menschen mit psychischen Erkrankungen älter und pflegebedürftig werden, haben Astrid Werny und ihr Team seit einigen Jahren das Thema Umgang mit Pflegebedürftigkeit im Haus auf dem Schirm. Zwar gibt es keinen richtig pflegebedürftigen Bewohner, aber die Grundpflege nimmt zu. "Wir hatten mit Pflege nie etwas zu tun, wir sind Sozialarbeiter und Pädagogen", sagt Astrid Werny. Mittlerweile gehören eine Heilerziehungspflegerin und ein Altenpfleger zum Team. Alle Sozialarbeiter haben inzwischen einen Pflegeworkshop besucht, so dass sie mit den Grundbegriffen der Grundpflege vertraut sind.