Bei Inklusion auf Chancen schauen
Sandra Caspers, Leiterin der Kindertagesstätte St. Franz Sales in Jülich, präsentiert Plakate, die das Team für das Projekt "Auf dem Weg zur Inklusion" des Caritasverbandes für das Bistum Aachen entworfen hat.DiCV Aachen
Inklusion in Kindertagesstätten ist viel mehr als die gemeinsame Betreuung von behinderten und nicht behinderten Kindern. Das wird Sandra Caspers, Leiterin der Kinder-tagesstätte St. Franz Sales der gemeinnützigen profinos GmbH in Jülich, täglich klar. Vor allem, seit die Erzieherin und ihr Team am Projekt "Auf dem Weg zur Inklusion" des Cari-tasverbandes für das Bistum Aachen teilnehmen. Im Mai 2014 begann es, von Sandra Caspers zu Anfang durchaus kritisch beäugt. Aber nach einem Einführungsvortrag war sie sich sicher: Das wäre etwas für die 70 Kinder betreuende Einrichtung, die das Siegel plus-Kita trägt, weil sie Kinder mit besonderem Förderbedarf betreut.
Neun katholische Kindertageseinrichtungen aus dem Bistum Aachen - von Grefrath bis Blankenheim - machen mit bei dem Projekt, mit dem der Caritasverband für das Bistum Aachen und die Diözesane Arbeitsgemeinschaft Katholische Tageseinrichtungen für Kinder (DiAG KTK) auf aktuelle gesellschaftliche und politische Anforderungen reagieren, denen sich die Kitas gegenüber sehen. Das Ziel des Projektes ist, die Einrichtungen darin zu un-terstützen, mit der Vielfalt von Menschen, die ihnen tagtäglich begegnet, noch bewusster und professioneller umzugehen. Am Ende soll im Idealfall eine Sammlung von Best-practice-Beispielen herauskommen, also eine Vorschlagsammlung, wie Einrichtungen bestimmte Fragen der Inklusion lösen. Diese könnte anderen Einrichtungen als Entschei-dungshilfe dienen.
Im Laufe des Projektes stieß die Kita auf Probleme, die mit der Vielfalt von Menschen, die die Einrichtung besuchen, zusammenhängen. Unter anderem stellte das Team um Sandra Caspers fest, dass mehrfach bei Kindergartenveranstaltungen wie Ausflügen, die rechtzeitig angekündigt worden waren, die Hälfte der Kinder nicht zur vereinbarten Zeit an der Einrich-tung war. In der Elternpost, einer Hauszeitung, waren die Termine mehrfach angekündigt worden. Bei der Analyse, warum die Informationspolitik nicht funktionierte, stellte sich her-aus, dass die Benachrichtigungen der Eltern nicht nur in den falschen Sprachen geschrie-ben waren, sondern auch ein Großteil der Eltern sie nur schwer lesen konnte. "Das muss einem bewusst werden, wenn man alle erreichen möchte", sagt Sandra Caspers. "Unsere Konsequenz ist nun, dass wir mehr mit den Eltern ins Gespräch kommen."
Neu einrichten wird die Kita, die einen Erweiterungsbau bekommen hat, nun ein
Elterncafé, in dem sich Eltern in der Einrichtung treffen können. Eine frühere Mitarbeiterin der Einrichtung, die zu den ehemaligen Kolleginnen noch engen Kontakt hält, wird sich dort eh-renamtlich engagieren und auch Eltern für Fragen zur Verfügung stehen: beim Ausfüllen von Anträgen, bei Behördengängen.
Positiv bewertet Sandra Caspers auch den Austausch mit anderen katholischen Kinderta-gesstätten, die sich an dem Projekt beteiligen. "Eine Einrichtung hat zum Beispiel viel mit Bildern gearbeitet, um die Bedeutung von Räumen zu kennzeichnen. An der Bürotür hängt ein Foto vom Inneren des Raumes mit dem Computer. Wir wollen diese Anregung mitneh-men, wenn wir jetzt nach dem Umbau unser Haus neu einrichten", sagt die Kita-Leiterin.
Das Projekt führe auch dazu, dass das Team den Blickwinkel auf Kinder verändere, sagt Sandra Caspers. Sie erzählt von einem Kind mit gravierenden Entwicklungsverzögerungen, für das es keinen Kindergartenplatz gab. Das Jugendamt fragte unter anderem in der Kita St. Franz Sales an, ob es dort aufgenommen werden könnte. "Wir haben uns gefragt: Kön-nen wir das leisten? Wir steckten damals richtig im Umbau. Ferner haben wir in der Einrichtung nur ‚normale‘ Erzieherinnen, keine Kräfte mit sonderpädagogischer Ausbildung. Wir haben uns auch gefragt, ob wir ein solches Kind im Hinblick auf die anderen Kinder aufnehmen können, da es Personal bindet. Wir haben uns dann entschlossen, das Kind zu nehmen, haben auf die Chancen geschaut, haben aber auch gesagt, dass wir Hilfe benöti-gen. Nun hat das Kind einen Integrationshelfer", sagt die Leiterin. Durch das Projekt, so Sandra Caspers, habe das Team auf dieses Kind ganz anders geschaut: "Heute sage ich: Das war die beste Entscheidung, dieses Kind hier zu behalten, weil wir einen anderen Blick bekommen und uns das Kind sehr viel zurückgibt." Künftig, da ist sich Caspers sicher, werde sich die Einrichtung mit einer solchen Entscheidung leichter tun.
Das Projekt brachte die katholische Kindertagesstätte St. Franz Sales dazu, ihr eigenes Handeln zu hinterfragen. Sandra Caspers und ihr Team würden sich wieder an dem Projekt beteiligen.