Rechtsanspruch auf Kita-Platz und Schulpflicht gelten auch für Kinder von Flüchtlingen
Kindergarten für junge Flüchtlinge
Sobald ein Kind ein Jahr alt ist, hat es in Deutschland (seit 2013) einen Rechtsanspruch auf einen Kindergarten- oder Kita-Platz. Bei geringem Einkommen sind die Kosten dafür ganz oder teilweise vom Jugendamt zu tragen. Das gilt auch, wenn das Kind eine Aufenthaltserlaubnis, eine Aufenthaltsgestattung oder eine Duldung hat. Eine frühzeitige Anmeldung ist ratsam, da der Bedarf an Betreuungsplätzen häufig sehr hoch ist. Bei einem Kindergartenbesuch können auch Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket beantragt werden (siehe unter Schule).
In der Regel findet im vorletzten Kindergartenjahr ein Sprachtest für alle Kinder statt. Bestehen Schwierigkeiten mit der deutschen Sprache, müssen die Kinder im letzten Kindergartenjahr an Sprachfördermaßnahmen teilnehmen, die von Grundschullehrkräften durchgeführt werden und in der Regel im Kindergarten stattfinden.
Schule für junge Flüchtlinge
Die gesetzliche Schul- und Berufsschulpflicht beträgt in Nordrhein-Westfalen 12 Jahre, in der Regel bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres. Sie beginnt für alle Kinder, die hier ihren Wohnsitz haben, wenn sie bis zum 30. September eines Jahres sechs Jahre alt werden, am 1. August. Flüchtlingskinder mit Aufenthaltsgestattung werden schulpflichtig, wenn sie nicht mehr in einer Erstaufnahmeeinrichtung wohnen. Dies ist spätestens drei Monate nach der Einreise der Fall. Zuvor haben sie - wie auch Kinder ohne Papiere - ein Schulbesuchsrecht.
Flüchtlingskinder haben ihren Schulbesuch häufig wegen Vertreibung, Krieg und Flucht unterbrechen müssen. Einige hatten in ihren Herkunftsländern gar nicht erst die Chance, zur Schule zu gehen. Nach der Ankunft in Deutschland können zudem weitere Verzögerungen durch mehrfaches Umziehen eintreten.
In Nordrhein-Westfalen entscheiden die Schulen eigenständig darüber, in welche Klasse Flüchtlingskinder, die bereits im schulpflichtigen Alter sind, eingestuft werden. Die Schulen haben zudem die Möglichkeit, Internationale Förderklassen mit einer speziellen Sprachförderung für nicht Deutsch sprechende Kinder und Jugendliche anzubieten.
Nach dem mindestens zehnjährigen Schulbesuch im Primar- und Sekundarbereich I müssen junge Flüchtlinge, wie alle schulpflichtigen Jugendlichen, die keine allgemeinbildende Schule besuchen und keine betriebliche Berufsausbildung beginnen, ihre Schulpflicht durch den Besuch einer Berufsbildenden Schule (BBS) mit Vollzeitunterricht erfüllen. Für Schüler ohne die erforderlichen Deutschkenntnisse können an einer BBS Sprachförderklassen (BVJ-A) eingerichtet werden.
Im Zusammenhang mit dem Schulbesuch sind folgende Behördengänge erforderlich:
- die Schuleingangsuntersuchung des Kindes beim Gesundheitsamt,
- die Anmeldung bei der Schule,
- die Beantragung von Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket beim Sozialamt, wenn Leistungen nach dem AsylbLG bezogen werden, bzw. beim JobCenter, wenn Leistungen nach SGB II bezogen werden,
- die Beantragung eines Schülertickets bei entsprechend weiter Entfernung des Schulortes von der Unterkunft,
- die Beantragung der Schulerstausstattung (Ranzen, Schreibutensilien, Hefte etc.) in Höhe von 70 € im ersten und 30 € im zweiten Schulhalbjahr (beim JobCenter ist hierfür kein eigener Antrag erforderlich),
- die Beantragung der Mittel für Mittagessen in der Schule oder im Hort (Eigenanteil),
- Mittel für Schulausflüge und Klassenfahrten,
- Mittel für das Mitmachen in Kultur, Sport, Freizeit (bis 10 € monatlich),
- die Beantragung der Mittel für Lernförderung, wenn die Schule den Bedarf bestätigt, weil insbesondere die Versetzung gefährdet ist.
Für Menschen ohne deutsche Sprachkenntnisse, die sich zudem mit dem deutschen Schulsystem, Formularen, Behörden und den Verkehrswegen (noch) nicht auskennen, sind diese Schritte große Herausforderungen und unter Umständen auch Hürden. Hier ist Ihre Unterstützung gefragt.
Kooperation von Eltern und Schule/Kita
Elternabende, gemeinsam mit Eltern organisierte Schulfeste oder Hausaufgabenkontrollen sind - anders als in Deutschland - in vielen Ländern unüblich. Die "deutsche" Idee einer geteilten Bildungsförderung von Schule und Elternhaus kennen viele der Flüchtlinge nicht. In ihren Heimatländern wird häufig den Schulen die alleinige Verantwortung für die Ausbildung der Kinder zugesprochen. Auch deutschen Lehrern und Erziehern sind diese Unterschiede meist nicht bewusst. Sehr hilfreich ist es, die Eltern z.B. zu den Elternabenden zu begleiten und zu informieren, dass vor allem im Primarbereich Kinder eine Mitteilungsmappe haben, wo Elternbriefe, Mitteilungen usw. abgeheftet werden und die Eltern jeden Tag Einblick nehmen können.
Leider gab es in der Vergangenheit auch offensichtliche Mängel bei der schulischen Versorgung:
- Trotz Anmeldung erhielten die schulpflichtigen Kinder/Jugendlichen erst nach mehreren Monaten Wartezeit einen Schulplatz.
- Es gibt zu wenig Internationale Förderklassen und weitere Sprachfördermaßnahmen.
- An den Berufsbildenden Schulen gibt es zu wenig Internationale Förderklassen, der Einstieg während eines Schulhalbjahres ist problematisch.
- Kinder wurden erst sehr spät - trotz guter Leistungen - von der Internationalen Förderklasse in die Regelklasse vermittelt oder sie wurden aufgrund noch lückenhafter Sprachkenntnisse und nicht ihren Potenzialen entsprechend primär an die Förder- und Hauptschulen vermittelt.
Das Land Nordrhein-Westfalen ist sehr engagiert, dass es hier zu Verbesserungen kommt. Kritisches Beobachten, Feststellen von Bedarfen und diese auch relevanten Akteuren (z.B. Migrations- und Flüchtlingsberatungsdienste, Integrationsbeauftragte, Koordinierungsstellen für Migration und Teilhabe, kommunale runde Tische) mitzuteilen, ist sehr hilfreich.
Nach der Schulpflicht
Für nicht mehr schulpflichtige junge Erwachsene ist die Aufnahme an einer Berufsbildenden Schule (BBS), etwa in einem Berufsvorbereitungsjahr, möglich, wenn es freie Plätze gibt. Bitte informieren Sie sich über Möglichkeiten der Einschulung bei den örtlichen Integrationsberatungsstellen, den Migrationsberatungsdiensten für erwachsene Zuwanderer (MBE) oder beim Jugendmigrationsdienst (JMD).
Studium
Auch mit einer Aufenthaltsgestattung und einer Duldung können Flüchtlinge grundsätzlich in Deutschland studieren, wenn es nicht ausdrücklich durch eine Auflage untersagt wurde. Neben der Aufnahme an der Hochschule muss insbesondere die Finanzierung des Studiums (Zugang zu BAföG, Stipendium etc.) und die Vereinbarkeit mit der Wohnsitzauflage geklärt werden.
Wichtig:
Seien Sie sich dessen bewusst, dass Sie die Rolle des Mittlers bzw. Unterstützers einnehmen können; die letztendliche Verantwortung tragen bekanntlich die Eltern. Die Schule ist verpflichtet, direkt die Eltern zu informieren. Sie können, wenn die Eltern es wollen, erklären, erläutern, informieren. Bei dieser Unterstützung stehen Sie unter Schweigepflicht; auch dies sollte den Eltern nochmals gesondert gesagt werden.