Ehrenamtler können in der Flüchtlingsarbeit auch an ihre Grenzen stoßen
Bei allem Engagement für Flüchtlinge denken Sie bitte daran: Vorüberlegungen zu Ihrer persönlichen Motivation, zu Ihren Erwartungen, zu Ihren zeitlichen Kapazitäten und Vorstellungen in Hinblick auf die konkreten Aufgaben sind hilfreich, um Enttäuschungen und Überlastungen vorzubeugen. Die Beratungsdienste stehen Ihnen auch dafür gern als Ansprechpartner zur Verfügung. Auch wenn Sie sich bereits engagieren und Sie statt Zufriedenheit eher Unbehagen oder Verärgerung spüren, ist es gut, der "Sache" einmal auf den Grund zu gehen...
Eine der großen Herausforderungen im ehrenamtlichen Engagement mit Flüchtlingen sind sicher die Sprachbarrieren, die aus unterschiedlichen sprachlichen und schulischen Vorbildungen resultieren. Rechnen Sie damit, dass im Umgang mit Flüchtlingen Geduld und Ausdauer gefragt sind. Es ist wahrscheinlich, dass Sie Verhaltensweisen oder Gewohnheiten antreffen, die Ihnen fremd sind oder als unangemessen erscheinen. Vielleicht haben Sie schon ein klares Konzept vor Augen, wie sich die Flüchtlinge hier integrieren sollten, und stellen fest, dass Ihre Erwartungen nicht erfüllt werden. Es könnte sein, dass Ihre Ratschläge und Hilfen nicht angenommen werden… Dafür können viele Gründe verantwortlich sein: Vielleicht ist der Zeitpunkt zu früh, der Flüchtlinge hat andere Prioritäten. Befindet er sich noch in einer Schock- oder Trauerphase? Vielleicht kommt er aus ganz anderen sozialen Verhältnissen, fühlt sich überfordert oder schämt sich gar, dass er Ihnen - so empfindet er es vielleicht - nichts zurückgeben kann.
Wichtig: Begegnen Sie sich auf Augenhöhe.
Meistens empfiehlt es sich, nicht vorschnell zu urteilen, sondern ein wenig abzuwarten und eventuell zu einem späteren Zeitpunkt auf das Thema oder Anliegen zurückzukommen.
Gerade zu Beginn des Kontaktes ist es ratsam, viel Zeit zum Kennenlernen einzuplanen und Vertrauen aufzubauen. Hören Sie zu und stellen Sie nur behutsam Fragen (nicht "ausfragen"!). Für die meisten Flüchtlinge sind die Signale, dass jemand echtes Interesse zeigt und sich zuwendet, zunächst vorrangig - und oft auch neu. Sie benötigen Zeit, um Ängste und Unsicherheiten - oft auch angesichts schlechter Erfahrungen - abzubauen. Es braucht auch Zeit, traumatische Erlebnisse zu verarbeiten. Verschlossenheit, Misstrauen, zögerliche Reaktionen werden Ihnen voraussichtlich, gerade im Kontakt mit Verfolgten und Flüchtlingen mit schwer traumatisierenden Erfahrungen, begegnen. Es ist gut, wenn Sie diese Reaktionen akzeptieren können und nicht als persönliche Zurückweisung einordnen.
Sie haben schon gelesen, teilweise auch in den Medien verfolgt, dass Sie im Kontakt mit Flüchtlingen mit vielschichtigen Themen und existenziellen Nöten konfrontiert werden können: dramatische Vorflucht- und Fluchterlebnisse, Verlust von Familienangehörigen, psychische und körperliche Erkrankungen, Armut, Abschiebegefahr, ungünstige Wohnverhältnisse und vieles mehr. Gerade wenn Flüchtlinge Vertrauen zu Ihnen fassen, werden diese Themen stärker auf den Tisch kommen. Das kann auch bei Ihnen zu Belastungen führen - jedenfalls wäre das die ganz normale Reaktion.
Die eigene Psychohygiene, der seelische und körperliche Ausgleich ist also auch für Sie wichtig und im Blick zu behalten! Scheuen Sie sich nicht, sich mit Beratungsdiensten oder weiteren Ehrenamtlichen dazu auszutauschen!
Wichtig:
Es handelt sich um Menschen. Um Individuen, die eigene spezifische Erlebnisse, Geschichten, Glauben, Vorlieben, Vorwissen, Vorurteile, Hoffnungen, Wünsche und Bedürfnisse haben.
Gewiss findet die Begegnung für den Flüchtling in einer sehr prekären Situation statt. Der Flüchtling ist in einer Ausnahmesituation. Er ist vertrieben, weit weg von seiner vertrauten Umwelt - Sprache, Werte, Normen, Tradition, Gewohnheiten, Gerüche und Geräusche. Wir als Helfer haben alles, was er verloren hat. Die Flüchtlinge haben ihre Flucht überlebt und wollen sich jetzt ein neues Leben aufbauen.
Begegnung auf Augenhöhe ist gefragt. Es heißt, das Individuum, den einzigartigen Menschen, zu sehen und anzuerkennen gezeichnet durch das, was er durchgemacht hat, vor allem aber als einen Menschen, der voller Hoffnung und Lebenswille ist. Der bereit ist, sich erneut auf das Leben einzulassen.
Flüchtlinge haben die gleichen Empfindungen wie Sie. Mit dem Unterschied, dass sie sich in ihrem neuen gesellschaftlichen Umfeld nicht auskennen.
Für den Aufbau von Beziehungen braucht es auch immer Sympathie, um gut miteinander umgehen zu können. Es kann tatsächlich sein, dass Ihnen der Flüchtling, die Familie, um die Sie sich zu kümmern vorgenommen haben, nicht "liegt". Vielleicht "passt" der kulturelle Hintergrund auch nicht. Denken Sie immer daran, auch dem Flüchtling kann es mit Ihnen so gehen. Dann überlegen Sie lieber nochmals - und nehmen vielleicht in diesem Fall Abschied und starten an anderer Stelle neu.