Flüchtlingen Sprache und Kultur vermitteln
Christel Krampitz (r.) ist Ehrenamtlerin beim Arbeitskreis Fremde in der Stadt Willich. Sie hilft dort Flüchtlingen beim Erlernen der deutschen Sprache.DiCV Aachen
Immer montags gibt Christel Krampitz in den Räumen des Arbeitskreises Fremde in der Stadt Willich e.V. (AKF) im Schwesternwohn-heim des früheren Katharinen-Hospitals in Willich Deutschunterricht. Die Verwaltungsangestellte hatte das Gefühl, angesichts des Zustroms von Flüchtlingen nach Deutschland helfen zu müssen. Also wandte sie sich an den Verein, der sich um die Integration jener Flüchtlinge in der Stadt Willich kümmert, für die die Stadtverwaltung zuständig ist.
Menschen wie Christel Krampitz sind dem Vorstand des Vereins um Gisela Michels (62) sehr willkommen. Er weiß: Das Erlernen der deutschen Sprache ist der Türöffner für die Flüchtlinge. Am besten sieht das der Verein an den Kindern der Flüchtlinge, die in Willich zur Schule gehen und dort die deutsche Sprache lernen. "Im Sommer waren Flüchtlinge von uns zur Generalprobe der ‚Feuerzangenbowle‘ bei den Schlossfestspielen Neersen eingeladen. Da konnten die Kinder schon teilweise für ihre Eltern übersetzen", sagt Gisela Michels.
In der Stadt Willich ist der Verein sehr angesehen. Unterstützung erhält er von allen Seiten der Politik und der Stadtverwaltung. Mit ihr hat der Verein entsprechende Kooperationsverträge geschlossen. So ist unter anderem sichergestellt, dass der AKF für drei Jahre diejenigen Flüchtlinge in deutscher Sprache unterrichtet, für die die Stadt Willich zuständig ist. Dort werden auch solche Flüchtlinge betreut, die Analphabeten sind, also weder lesen noch schreiben können. Neben den von der Stadtverwaltung betreuten Flüchtlingen leben in Willich noch Flüchtlinge in einer Erstaufnahmeeinrichtung des Landes im ehemaligen Katharinen-Hospital. Für die Betreuung der Menschen dort ist das Land verantwortlich.
Der Arbeitskreis Fremde in der Stadt Willich e.V. (AKF) entstand 1993, während des Balkankrieges. Seitdem widmet er sich der Integration von Flüchtlingen in der Stadt. Er bietet Bildungs- und Projektarbeit. Bildungsangebote umfassen das Erlernen der deutschen Sprache und der Kultur. Dabei unternimmt der Verein mit Flüchtlingen auch Exkursionen. Der AKF unterhält als Projekte eine Kleiderkammer und eine Fahrradreparatur-Werkstatt. Zudem gibt es Schüler- und Kunstprojekte sowie regelmäßige Feste, die auf die Integration der Flüchtlinge zielen. Spitzenverbandlich ist der Verein dem Caritasverband für das Bistum Aachen angeschlossen.
Rund 75 Mitglieder hat der Verein zurzeit, die Mitgliederzahl wuchs in der Zeit des Zustroms der Flüchtlinge auf das Dreifache der ursprünglichen Zahl. Auch die Zahl der ehrenamtlich Engagierten und derjenigen, die den Verein unterstützen, wuchs rasant. In einem monatlichen Newsletter wer-den gegenwärtig rund 200 Menschen in der Stadt über die Aktivitäten des Vereins informiert, sagt Gaby Pedersen (50), die als Schriftführerin für die Öffentlichkeitsarbeit des Vereins verantwortlich ist.
Christel Krampitz gehört zu dem Team der Ehrenamtler, das die Materialien für den Deutschunterricht im AKF-Zentrum vorbereitet. Ganz wichtig, so erzählt sie, seien dabei die regelmäßigen Thementage, an denen die Flüchtlinge sich im Deutschunterricht einem "Thema der Woche" widmen. Arbeit, Berufe, Familie, Jahreszeiten sind Themen, die dann vor-kommen und gemeinsam besprochen werden. Auch eigens erstellte Karten mit Vokabeln, die zum jeweiligen Thema gehören, sind dann vorbereitet. "Uns ist es wichtig, dass die Flüchtlinge die Sprache und die Kultur kennen- lernen", sagt Christel Krampitz. Rund 45 Flüchtlinge besuchen regelmäßig den Sprachunterricht in den Räumen des AKF.
Weitere Schüler besuchen nachmittags den Unterricht im AKF-Zentrum nach ihrem Integrationskurs oder nutzen die Zeit vor oder nach einem Berufspraktikum, um ihre Deutschkenntnisse weiter aufzubauen. Manche Flüchtlinge überbrücken auch die langen Wartezeiten bis zum Beginn des Integrationskurses mit dem Lernen im AKF. "Wenn man auf diese Weise mit den Flüchtlingen in Kontakt kommt, kann man ihnen auch viel einfacher erklären, was in diesem Land geht und was nicht", sagt die 53-Jährige. Die 33-jäh-rige Sozialpädagogin Gabi Schaadt gehört auch zum Ehrenamtler-Team des AKF. Sie nutzt ihre Elternzeit für das Engagement, ihren zweijährigen Sohn Ole bringt sie häufig mit. "Man kann hier nicht nur den fremden Menschen helfen, man bekommt auch selber viel zurück", sagt sie.
Nebenan in der Alpha-Klasse betreut Charly Schöniger eine Gruppe von Flüchtlingen, die weder lesen noch schreiben können. Ein Flüchtling aus Afghanistan soll Bilder den richtigen Wörtern zuordnen. Er liest: "der Hase". Dann zeigt er auf das Bild einer Hose. "Nein", korrigiert Schöniger freundlich, "das ist die Hose. Der Hase ist ein Tier", und er hält sich die Hände wie Hasenohren hinter den Kopf. Der Afghane zeigt auf das richtige Bild. "Ganz genau", sagt Schöniger. Der 80-Jährige und sein Schüler lachen.