Spiritualität gehört ins Hospiz
Pfarrer Hans Russmann in der Kapelle des Krefelder Hospizes am Blumenplatz. Er ist Hospizseelsorger in dem Haus, zu dessen Trägern unter anderem der Caritasverband in Krefeld gehört.DiCV Aachen
Pfarrer Hans Russmann hat Respekt vor dem Sterben. Viele Menschen hat er im Sterben begleitet: die ersten, als er während seiner Ausbildung im Priesterseminar in Aachen eingesetzt war, um schwerkranken Menschen im Aachener Klinikum die Krankenkommunion zu bringen. Heute ist der 1960 in Bracht am Niederrhein geborene Priester Seelsorger im Hospiz am Blumenplatz in Krefeld. Träger der Einrichtung sind der Regionale Caritasverband, die DRK-Schwesternschaft und der Evangelische Gemeindeverband. Zwangsläufig setzt sich Russmann sehr stark mit dem Thema der Endlichkeit auseinander. "Ich lerne hier viel von den Gästen, wie man sterben kann. Wenn ich so gehen könnte, wie manche hier gegangen sind, wäre das gut", sagt er, und fügt nach einer Pause hinzu: "Aber man wird nicht zum Profi fürs Sterben."
Die Sorge für Kranke und Sterbende ist ein großer Teil der priesterlichen Identität von Hans Russmann, der 1986 die Priesterweihe empfing. 20 Jahre ist er in der Seelsorge in Krankenhäusern und im Hospiz aktiv, seit 2014 ist er auch Diözesanbeauftragter für Hospizseelsorge im Bistum Aachen. Wenn er auf diese Zeit zurückschaut stellt der Seelsorger fest, dass die Begegnungen mit Kranken und Sterbenden immer "ganz dichte Begegnungen mit einer großen Offenheit" waren. "Die Kranken im Klinikum und die Gäste im Hospiz kommen mir mit einem großen Vertrauensvorschuss entgegen, wenn sie von den Höhen und Tiefen ihres Lebens, auch von ihrer Krankheit erzählen. Da denke ich mir immer: Da bist du wirklich als Seelsorger gefragt, nicht als derjenige, der das Heil bringt, sondern als der, der hörend und verstehend da ist", sagt Russmann. Die Definition von Gott sei nicht umsonst: "Ich bin der Ich bin da". "Für Sterbende ist es sehr wichtig, dass sie spüren, sie sind begleitet", sagt der Pfarrer.
Religiöse Bindung spielt nach seiner Erfahrung zwar eine Rolle bei der Frage, ob sich Menschen auf Seelsorge einlassen können. Im Hospiz stellt er aber eine große Offenheit für das Angebot der Kirche fest. Zu den Menschen, die er begleitet, gehören auch solche, die ihre Schwierigkeiten mit der Kirche hatten oder haben. "Bei denen ist dann eher die Frage bezogen auf meine Person: Kann ich mit dem als Mensch reden, und nimmt der mich ernst?", sagt Russmann. Die wichtigsten Brückenbauer zwischen ihm und den Gästen im Hospiz sind die Schwestern. "Mit zwei Dritteln der Gäste und Angehörigen bin ich im Gespräch, darunter sind auch Menschen, die aus der Kirche ausgetreten sind", sagt Russmann. Verletzungsgeschichten mit der Kirche kämen da zur Sprache. "Da kann ich hin und wieder ein Stück Versöhnung anbieten und für die Institution Kirche auch um Entschuldigung bitten", sagt Russmann, der auch schon erlebt hat, dass Menschen auf dem Sterbebett wieder in die Kirche eingetreten sind. Aber, so betont er: "Ich missioniere nicht". Vielmehr weiß er: Nicht für jeden ist er der ideale Gesprächspartner. Er und das Team im Hospiz vermitteln daher auch andere Gesprächspartner für die Gäste, zum Beispiel für Muslime oder Orthodoxe.
Ihn als Mann fürs Spirituelle im Hospiz zu bezeichnen, hört Russmann nicht gerne. Spirituelle Begleitung gehört zum Konzept von Hospizarbeit dazu, alle, die im Hospiz arbeiten, wirken daran mit. Daher ist Pfarrer Russmann einmal in der Woche bei Teambesprechungen dabei, bei denen jeder Gast und seine Angehörigen in ihrer Gesamtheit betrachtet werden. Im Hospiz werde zwischen Kirchlichkeit und Spiritualität unterschieden, betont Russmann, und es gehe nicht nur um christliche Spiritualität. "Hier wird die Frage, woher man kommt und wohin man geht, existenziell. Viele Gäste halten Lebensbilanz und sie fragen sich, ob sie eine Hoffnung haben, mit der sie sterben können. Derjenige Mitarbeiter im Hospiz, der sich diesen Dingen stellt, ist bei den Gästen gefragt. Es ist egal, ob es die Schwester, die Ehrenamtlerin oder die Mitarbeiterin der Hauswirtschaft ist." Erleichtert ist Russmann darüber, dass der Deutsche Bundestag 2015 entschieden hat, die geschäftsmäßige Sterbehilfe zu verbieten. Die Diskussion über Sterbehilfe und der Beschluss des Hospiz- und Palliativgesetzes habe die gesamte Diskussion über Hospiz- und Palliativversorgung noch einmal befördert, freut sich Russmann. Zugleich ist ihm aber klar: Extreme Einzelfälle der Sterbehilfe kann kein Gesetz regeln, "Die gehören in die Gewissensentscheidung des Einzelnen, ohne dass man die Norm, dass das Tötungsverbot bestehen bleibt, verändern muss." In der Bevölkerung sieht Russmann eine große Unkenntnis über die Möglichkeiten der Palliativmedizin bis hin zur Möglichkeit der therapeutischen Sedierung. "Keiner muss mit Qualen sterben", sagt Russmann.
Als Mitstifter des Hospiz am Blumenplatz sieht Russmann die Caritas in einer besonderen Verantwortung für die hospizliche und palliative Versorgung. Der Regionale Caritasverband sei der erste und einzige gewesen, der in die Erwachsenenpalliativpflege in Krefeld investiert habe und auch in die Ausbildung von Palliativpflegekräften. Dass der Verband dabei ständig gezwungen sei, den Spagat zwischen Ökonomie und Mitmenschlichkeit hinzubekommen, sieht er in seiner ehrenamtlichen Tätigkeit als Caritas-Seelsorger in Krefeld immer wieder. Manche Mitarbeiter der Pflege belastet das. Russmann weiß, dass die Caritas gesetzliche Vorgaben erfüllen muss. Er ist sich dennoch sicher: "Jesus würde sich für eine Veränderung der gesetzlichen Vorgaben einsetzen, die mehr Zeit für menschliche Zuwendung ermöglicht."