Das Sterben ins Leben holen
Kathleen Schönefeld engagiert sich ehrenamtlich als Sterbebegleiterin beim ökumenischen ambulanten Hospizdienst Regenbogen in Wassenberg.DiCV Aachen
Wenn Kathleen Schönefeld über ihre Arbeit als ehrenamtliche Sterbebegleiterin beim ökumenischen ambulanten Hospizdienst Regenbogen in Wassenberg erzählt, hört sie als häufigste Reaktion: "Das könnte ich nicht, wie schaffst du das?" Die Motivation, die die 49-Jährige veranlasste, 2004 ein Befähigungsseminar zur Sterbebegleiterin bei Regenbogen zu besuchen, ist die gleiche, die sie heute am Bett von Sterbenden sitzen lässt: "Tod und Sterben gehören genauso zum Leben wie eine Geburt. Auf eine Geburt freuen wir uns, die ist in aller Munde. Übers Sterben wird kaum geredet." Das möchte die Wassenbergerin durch ihr ehrenamtliches Engagement ändern: "Wir müssen den Tod in den Alltag, das Sterben ins Leben holen", sagt sie. Dem Schneeballsystem vergleichbar möge sich diese Haltung in der Gesellschaft ändern, wünscht sich die Angestellte.
Regenbogen ist ein ökumenischer, ambulanter Hospizdienst, der vor allem im nördlichen Teil des Kreises Heinsberg aktiv ist. Er wurde vor 14 Jahren gegründet, ist dem Caritasverband für die Region Heinsberg angeschlossen und gehört der Diözesanen Arbeitsgemeinschaft Alter und Pflege im Bistum Aachen an. Die macht sich dafür stark, die Palliativversorgung in der stationären und ambulanten Pflege zu verbessern und eine Hospizkultur beim Umgang mit Sterbenden zu etablieren.
22 Jahre war Kathleen Schönefeld alt, als ihre Oma starb. Die alte Dame lag im Krankenhaus. Reihum in der Familie wurde der Krankenbesuch organisiert. Am Sterbetag der Oma war Kathleen Schönefeld mit dem Krankenbesuch an der Reihe. Als sie in das Krankenzimmer kam war das Bett ihrer Oma nicht mehr darin, eine Krankenschwester wischte gerade das Nachtschränkchen ab. Auf ihre Nachfrage, wo die Oma sei, bekam sie keine Antwort. Ein Arzt informierte sie dann auf dem Flur zwischen Tür und Angel, dass die Großmutter vor fünf Minuten gestorben sei. Das wars. Das, so hat es sich Kathleen Schönefeld vorgenommen, sollen die Menschen, deren Angehörige sie im Sterben begleitet, ganz anders erleben. Wer sich im ambulanten Hospizdienst Regenbogen als einer der 80 ehrenamtlichen Sterbebegleiter zur Verfügung stellt, braucht vor allem Empathie. "Man muss auf den Menschen, den man begleitet zugehen, ihn so annehmen wie er ist, darf ihn nicht werten und bewerten", sagt Kathleen Schönefeld. Reden sei oft
gar nicht so wichtig, so die Erfahrung der Sterbebegleiterin. Die Sterbenden wollten oft jemanden haben, der zuhört, dem sie ihre Lebensgeschichte noch ein weiteres Mal erzählen können, ohne dass sich ein Familienmitglied genervt abwendet. Es seien auch weniger die Fragen nach dem Sinn des Lebens, die Sterbende stellten. Viel wichtiger sei ihnen, ihr Befinden zu erzählen.
Sechs Menschen hat Kathleen Schönefeld mittlerweile im Sterben begleitet. Gelassener habe sie diese ehrenamtliche Tätigkeit werden lassen. Wie gut es ihr selber und ihrer Familie geht hat sie neu schätzen gelernt. "Denjenigen, die ich begleite, geht es viel schlechter als mir. Sie müssen ihr Leben verlassen, und es bleiben Angehörige zurück, die einen Menschen verlieren. Das ist schlimm", sagt sie.
Nicht nur Sterbenden steht sie in ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit bei. Ihre Sorge gilt auch Kindern, die Angehörige durch den Tod verloren haben oder wo der Tod eines Angehörigen bevorsteht. "Schatzsucher" heißt das Gruppenangebot, das der ambulante Hospizdienst Regenbogen alle zwei Wochen in einem früheren Pfarrheim einer Wassenberger Kirchengemeinde macht. Da sein, hinhören, für Gespräche bereit stehen sind die Aufgaben von Kathleen Schönefeld und der anderen Ehrenamtler, die in drei Gruppen Kinder von sechs bis 18 Jahren begleiten. "Sie sind dankbar für dieses Angebot. Die Kinder erleben in den Gruppenstunden, dass es da Gleichaltrige gibt, die das Gleiche erlebt haben, wie sie, die aber in der Schule darüber nicht sprechen können", erzählt die Wassenbergerin. Das, was die "Schatzsucher" bieten, ist kein therapeutisches Angebot.
Freilich würden sie professionelle Hilfe ins Gespräch bringen, wenn sie sie für angezeigt hielten. Viel wichtiger ist ihnen aber, trauernden Kindern eine Gelegenheit zum Toben, zu freiem Spiel und thematischen Einheiten zu geben, bei denen sie sich mit dem Thema Tod und Sterben auseinandersetzen können. So wie zu Karneval im vergangenen Jahr. Aus Papptellern sollten die Kinder Masken basteln, hatten die Gruppenbetreuer vorgeschlagen. "Beim Basteln ergab sich auf einmal unter den Kindern das Gespräch darüber, dass sie sich in der Schule immer hinter einer Maske verstecken müssten, über den Tod vom Papa könnten sie dort nicht reden, sie müssten immer fröhlich sein. Bei den Schatzsuchern könnten sie darüber sprechen", berichtet Kathleen Schönefeld. Solche Erfahrungen sind es, die die 49-Jährige in ihrem Ehrenamt mit großer Zufriedenheit erfüllen.
Doch nicht nur Ehrenamtler wie sie seien wichtig, um einen anderen Umgang mit Sterben, Tod und Trauer in der Gesellschaft zu etablieren, meint Kathleen Schönefeld, Unerlässlich sind auch die Ehrenamtler bei Regenbogen, die sich zwar nicht in der Lage sehen, Sterbebegleitungen vorzunehmen, die aber den Verein bei Verwaltungstätigkeiten oder beim Organisieren von Festen und Veranstaltungen freiwillig unterstützen.