Hinter dem vermeintlichen Stillstand ein täglicher Kampf um eine würdige Existenz
Die Fachverbände SkF und SKM arbeiten bei der Fluthilfe in Eschweiler und in Stolberg eng zusammen.DiCV Aachen
Ein Jahr nach der Flut: Für viele Betroffene in der StädteRegion Aachen ist diese Wegmarke nur ein Zwischenstopp in einem Dauerlauf, der ihre Kräfte strapaziert. Im Fokus der Aufmerksamkeit: die Situation in Stolberg und Eschweiler. Das äußerliche Bild ist nicht einheitlich: Während in Eschweiler das Gröbste beseitigt scheint, steckt Stolberg an vielen Stellen noch mittendrin im Wiederaufbau. Näher hingeschaut kämpfen aber hier wie dort trotz aller Fortschritte, Sanierungen, Wiederherstellungen Menschen weiter um ihre Rechte, um Finanzen, darum, ihr Leben, Wohnen, Arbeit, ihren Alltag und ihre Existenz in würdiger, guter Weise zu gestalten.
An ihrer Seite: die verbandliche Caritas. In Eschweiler der Sozialdienst katholischer Frauen (SkF), in Stolberg ebenfalls der SkF und zusätzlich der Katholische Verein für Soziale Dienste (SKM). Kollegial arbeiten die Teams der drei Träger zusammen, seit vielen Monaten, im engen fachlichen Austausch, aber auch in der Einzelfallhilfe, denn zwischen den beiden Nachbarstädten gibt es vielfältige Bezüge und Beziehungen. Auch in der Hochwasserkatastrophe: Sie zerstörte innerhalb von Stunden und Tagen das Lebenswerk von Familien und Generationen, Infrastruktur und Persönliches. Manche arrangieren sich mit dem Zustand danach oder verlassen die Stadt. Die meisten bleiben und wollen den Wiederaufbau, individuell und in der Kommune.
Hier wie dort scheint die öffentlich sichtbare Dynamik der ersten Wochen und Monate nach der Flut erloschen, eine Art Stillstand scheint in der Beseitigung der Folgen eingetreten, schildern Karolin Wulfers (SkF Stolberg), Nora Kaußen-Jensen (SkF Stolberg), Sarah Hermanns (SkF Eschweiler), Alina Penners (SKM Stolberg) und Monika Kreder (SkF Stolberg). Zuerst überrannten ehrenamtliche Helferinnen und Helfer aus Nachbarschaft, Region, ja von weit her die betroffenen Gebiete, halfen mit, auszuräumen, Schlamm zu schippen, Sachspenden und Essen zu verteilen. Manches von diesem Einsatz ist geblieben, aber jetzt sind eher Versicherungen, Ämter, Planer, Baufirmen, Handwerker am Zug.
Während es in der Eschweiler Innenstadt aufwärts geht und es sogar Neueröffnungen zu feiern gibt, steht das Geschehen in Stolberg gefühlt still. An manchen Stellen sieht es wieder ganz passabel oder sogar hübsch aus. An anderen Stellen hingegen scheinen die Flutfolgen noch allgegenwärtig. Dies hat nach Einschätzung der Expertinnen mit der Wirtschafts- und Sozialstruktur der betroffenen Gebiete zu tun. In der schmalen Talachse der Industriestadt, durch die das Wasser gewütet hat, leben vorrangig einkommensschwache Menschen, häufig mit Migrationshintergrund, meist zur Miete. Sie haben keine starke Lobby beim Wiederaufbau.
Die Fachfrauen von SkF und SKM tun ihr Bestes, die betroffenen Menschen bei ihrem Kampf mit der Bürokratie und den Widrigkeiten ihres Umfelds zu unterstützen. Die Entscheidung, ob ihr Wohnhaus von den Folgen der Flut saniert wird, treffen nicht sie, sondern der Eigentümer. Die Formulare stellen für viele Beteiligte unüberwindliche Barrieren dar, schon allein aus sprachlichen Gründen, und dass alles online über die Bühne gehen soll, stellt sich ebenfalls als Hindernis heraus, um die eigenen Rechte wahrzunehmen. Die Beraterinnen leisten hier wertvolle Hilfe, indem sie Ansprüche sichtbar und am Ende des Tages geltend machen.
Gerne investieren sie ihre Zeit darin, Hilfen aus den Mitteln von Caritas International an den Mann und die Frau zu bringen. Denn diese leisten wertvolle ergänzende und vervollständigende Unterstützung, gerade bei Betroffenen, die in wirtschaftlich, sozial oder psychisch herausfordernden Situationen leben. Das ist die Kernaufgabe von Caritas, dafür brennen auch die Frauen von SkF und SKM. Aber sie helfen selbstverständlich auch bei den komplexen staatlichen Anträgen auf Wiederaufbauhilfe, begleiten Menschen beim Ausfüllen und Belegen dieser Anträge.
Jede Stunde, die sie mit Betroffenen verbringen, ist eine wertvolle Zeit. Denn die Erfahrung ist: Die Menschen reden, reden, reden. Sie erzählen von ihren Erlebnissen mit dem Hochwasser, von ihren Erfahrungen in den ersten Tagen, Wochen, Monaten, berichten von Schwierigkeiten im Alltag, beim Wiederaufbau, im Beruf, in der Familie. So ist die Bürokratie tatsächlich auch eine Brücke, psychosoziale Bedarfe zu erkennen und zu besprechen. Häufig gelingt es somit über den Umweg der Anträge, den Menschen bei der Bewältigung ihrer individuellen und familiären Herausforderungen und Aufgaben zu unterstützen.
Autor: Thomas Hohenschue