Nach einem Jahr sind viele Betroffene einfach durch
Eva TrossenThomas Hohenschue
Tun, was nötig ist: Das ist die Devise von Eva Trossen. Die 54-Jährige betreut für den Caritasverband für die Region Düren-Jülich ein großes Gebiet, in dem die Flut vor einem Jahr Spuren hinterlassen hat. Viele Ortschaften an Flüssen sind betroffen, auch wenn das wenig Schlagzeilen gemacht hat. An zwei Tagen in der Woche ist Eva Trossen in Düren selbst präsent, an einem Tag in Inden. Theoretisch reicht ihr Revier bis nach Heimbach, aber ihre Möglichkeiten sind begrenzt.
Ortstermin in Inden. Ein kleiner "Stopper" vor der Kirche verweist auf die Sprechzeit der Caritas-Mitarbeiterin. Freundlich empfängt Eva Trossen ihre Gäste in einem improvisierten Büro, ein Durchgangszimmer im Gemeindezentrum. Sie macht das Beste daraus. Mit den Klientinnen und Klienten kämpft sie sich durch Anträge, macht diese online mit allen Belegen fertig. "Absenden müssen die Leute ihren Antrag jedoch selbst," sagt sie und unterstreicht damit die Eigenverantwortung der Betroffenen.
Das ist einfacher gesagt als getan. Viele tun sich schwer, nach Hilfe zu fragen. Das gilt auch in einem so gut situierten Umfeld wie Inden, wo die meisten äußerlichen Schäden bereits behoben sind. Die Not in den Privathäusern sieht man nicht immer auf den ersten Blick. Manche stehen noch am Anfang, haben es nicht geschafft, ihre Angelegenheiten anzupacken, oder sie scheuen den Weg zur Beratung. Viele wissen gar nicht, dass sie einen Anspruch auf Hilfe vom Staat haben. "Wir müssen ja nur im Obergeschoss leben," heißt es dann schon mal, etwa von älteren Paaren.
Nachbarschaftshilfe und Eigenleistungen prägen das Szenario, auch sind viele Indener versichert. Und so mancher prüft sogar die staatlichen Hilfsangebote, berichtet Eva Trossen. Aber überall kann es haken. Wo nicht fachmännisch gearbeitet wurde, kehrt die Feuchtigkeit zurück, bildet sich Schimmel. Bei Gesprächen mit Versicherungen wollen manche die Gelegenheit nutzen, ihr Haus umzugestalten, da spielt das Gegenüber häufig nicht mit. Und bei der Zusammenarbeit mit Behörden scheuen sich einige Mitbürgerinnen und Mitbürger, ihre Karten ganz offenzulegen, aus verschiedenen Gründen.
Eva Trossen lernt immer wieder Betroffene kennen, die durch das Raster der Hilfen fallen. Zum Beispiel die Menschen, die in einer persönlichen Umbruchphase Möbel bei Dritten untergestellt hatten und diese durch die Flut zerstört wurden. Die staatliche Hilfe ersetzt nur selbstgenutztes Inventar in der eigenen Wohnung. Die Mitarbeiterin des Regionalen Caritasverbandes Düren ist froh, in solchen Momenten die Direkthilfen von Caritas International vermitteln zu können. Im Netzwerk kann sie auch weitere Sach- und Geldspenden mobilisieren, um die Existenzen der Betroffenen zu stützen.
Überhaupt ist sie dankbar für das weitverzweigte Netz von Beratungs- und Hilfseinrichtungen in der verbandlichen Caritas und darüber hinaus. So weiß sie zum Beispiel einen Weg zu weisen, wenn sie Menschen trifft, die von der Flutkatastrophe traumatisiert sind. Einige sieht Eva Trossen überfordert von der Bürokratie und der Mammutaufgabe, im Zusammenspiel mit Behörden, Versicherungen und Handwerksbetrieben ihr Haus wiederherzustellen. Zumal die Bedingungen rund um Gutachter, Baustoffe und Baugewerbe alles andere als günstig sind, teils absurd verknappt und verteuert.
"Viele sind ein Jahr nach der verheerenden Flut durch", sagt Eva Trossen. Sich unaufhörlich täglich nach der Arbeit noch um den Wiederaufbau zu kümmern, schlaucht unglaublich. Das große Ziel vieler war, zu Weihnachten wieder einzuziehen, aber längst nicht alle haben es geschafft. Viele stecken noch mittendrin oder sogar am Anfang. Vor diesem Hintergrund hat Eva Trossen Auszeiten organisiert, zum Beispiel einen Ausflug ins Phantasialand. Dankbar nahmen Betroffene das für sie kostenfreie Angebot an, es tat ihnen gut, einen Tag lang mal ohne Sorgen unbeschwert woanders zu sein.
Die Caritas-Mitarbeiterin wird diesen Weg mit betroffenen Personen weiterbeschreiten, um die psychosoziale Seite der Flutfolgen abzufedern. Jetzt, wo sich bei vielen der Tunnelblick lichtet, wenn das Nötigste erledigt ist, treten die Erschöpfung und die Traumata zu Tage. Getreu ihrem Motto wird Eva Trossen auch hier das tun, was zu tun ist. Die Arbeit mit den Anträgen wird dabei nicht weniger, denn immer wieder ist die Not irgendwann bei Betroffenen so groß, dass sie doch um Hilfe ersuchen. Auch im schönen Inden bleibt die Flutkatastrophe ein unbewältigtes Kapitel.
Autor: Thomas Hohenschue