Beruflich orientieren in der Sozialen Arbeit
Mit Elan entwickeln Dr.in Julia Breuer-Nyhsen (l.) und Judith Plum die WechselBar.Thomas Hohenschue
Der Arbeitsmarkt befindet sich in großen Umbrüchen. Die geburtenstarken Jahrgänge gehen in den Ruhestand. Die Generationen nach ihnen füllen die Lücken nicht, die ihre Verrentung hinterlässt. Die Herausforderung greift um sich, auch in die soziale Landschaft hinein, still und leise, aber mit Wucht. Das Projekt "WechselBar" des Diözesancaritasverbandes Aachen will Träger und Einrichtungen in dieser Situation stärken.
Dr.in Julia Breuer-Nyhsen kennt die Nöte, sowohl aus ihrer wissenschaftlichen Arbeit an der Katholischen Hochschule in Aachen als auch aus ihrer Tätigkeit als Projektreferentin im Stab des Aachener Diözesancaritasdirektors. Stephan Jentgens ist es nun auch, der mit seiner Person und aus seiner Rolle heraus die "WechselBar" unterstützt. Sie ist für ihn eine innovative Antwort auf die Herausforderung des Fachkräftemangels, die der sozialen Infrastruktur guttut.
Worin besteht diese Antwort? Das Projekt fördert auf verschiedene Weise die berufliche Umorientierung. Immer wieder wechseln Menschen ihren Arbeitsplatz, ihren Beruf oder ihre Branche, aus Unzufriedenheit oder wegen Überlastung zum Beispiel oder weil sie es müssen. Unternehmen reorganisieren sich, bauen Arbeitsplätze ab oder um. Die Gründe sind vielfältig, aber eines verbindet alle Situationen: Eine Person sucht eine neue berufliche Aufgabe.
An dieser Stelle setzt das Projekt "WechselBar" an. Sie spricht Menschen an, um sie für eine Aufgabe in der Sozialen Arbeit zu gewinnen. Das können Branchenfremde sein, die auf der Suche nach einer erfüllenden Tätigkeit sind. Und es können Personen sein, die bereits in der Sozialen Arbeit tätig sind, aber sich beruflich umorientieren oder weiterentwickeln wollen. Sie passgenau zu beraten, zu begleiten und zu unterstützen, ist Aufgabe der "WechselBar".
Meistens ist eine solche berufliche Umorientierung mit besonderen Herausforderungen verbunden, sagt Julia Breuer-Nyhsen. Da sind Verunsicherung und Zukunftsängste, die so weitreichende Veränderungen häufig auslösen. Es gibt aber auch je nach Lebenssituation Schwierigkeiten wie finanzielle Notlagen oder Mehrfachbelastungen, zum Beispiel als Eltern mit kleinen Kindern oder als pflegende Angehörige. Und als gestandene Person wieder mit der Rolle des Neulings oder Neulernenden konfrontiert zu sein, fällt vielen auch nicht einfach.
Damit der Wechsel in die Soziale Arbeit oder innerhalb der Sozialen Arbeit wirklich und nachhaltig zufrieden stellt, gehört einer möglichst präzisen Orientierung, Vermittlung und Begleitung ein besonderes Augenmerk. Welche Tätigkeit im schillernden Spektrum der sozialen Landschaft passt zu mir? Welche Qualifizierung ist realisierbar? Wie sieht ein Weg zum neuen Job aus, der sich mit meiner persönlichen Lebenssituation vereinbaren lässt?
In allen Teilschritten gehört dieser Blick auf die individuelle Disposition und Lage eines Menschen, der sich beruflich umorientieren will, zu den Stärken der "WechselBar". Damit dies gelingt, braucht es einen engen Draht zu den Akteuren, auf die es in diesem Prozess ankommt. Dies beginnt bei Partnern wie Jobcenter und Arbeitsagentur, geht über die Träger und Einrichtungen der Sozialen Arbeit im Bistum Aachen bis hin zu den Menschen, die künftig erfolgreich vermittelt wurden und sich als Peer-Coaches in die Begleitung weiterer Kandidat:innen einbringen.
Das Interesse ist sehr groß. Das Netzwerk wächst, während sich noch die Konturen der "WechselBar" formen. Inzwischen ist Judith Plum mit an Bord, sie kommt aus der Jugendhilfe beim Diözesancaritasverband. Je länger die beiden am Aufbau des Projektes arbeiten, umso überzeugter sind sie vom Konzept. Das geht auch anderen so: Das Projekt wurde bereits in der Frühphase mit dem Social.Innovation.Preis 2023 ausgezeichnet.
Die Vorschusslorbeeren sind Rückenwind für die Anstrengungen, die den Beteiligten beim Aufbau der Zusammenarbeit bevorstehen. Zum Beispiel müssen die künftigen Dienstgeber ihre Kultur weiter in Richtung Vielfalt und Diversität entwickeln, damit ihre Teams fachfremde Personen offen aufnehmen. Und es gilt für den Träger Caritas den Blick zu weiten, dass es bei den Bemühungen nicht nur um ihre eigenen Einrichtungen gehen kann.
Es soll vielmehr so sein wie bei der klassischen Ausbildung: Man bildet nicht nur für den eigenen Betrieb aus, sondern für die gesamte Branche. Menschen für einen Wechsel in die und in der Sozialem Arbeit zu gewinnen, ist eine Gemeinschaftsaufgabe, sagt Julia Breuer-Nyhsen. Das Konzept der "WechselBar" möchte mit seinen Mitteln einen Beitrag dazu leisten, den Sozialen Arbeitsmarkt zu stärken.
Autor: Thomas Hohenschue