Schweizer Taschenmesser der Beratungsdienste
Mohammed Ourraoui leitet den Fachdienst für Integration und Migration der Caritas Krefeld im Hansa Haus, es liegt gegenüber vom Krefelder Hauptbahnhof.Sonja Borghoff
Mohammed Ourraoui leitet seit dem 1. Juli 2023 den Fachdienst für Integration und Migration des Caritasverbandes für die Region Krefeld. Seit Jahren ist dieser Dienst für die Menschen in Krefeld engagiert. Er bietet Geflüchteten-Beratung, Ausreise- und Rückkehrberatung, Integrationskursberatung, Integrationsagentur, Beratung innerhalb des Kommunalen Integrationsmanagements (KIM-Beratung) und die Migrationsberatung für erwachsene Zugewanderte (MBE). "Jeder Dienst ist wichtig, doch der MBE kommt hier eine besondere Rolle zu", sagt Ourraoui. Denn sie sei ein seit vielen Jahren etabliertes und bewährtes Instrument für die erfolgreiche Beratung und Integration von Zugewanderten. Bevor der 42-Jährige, der in Marokko geboren und in Moers aufgewachsen ist, nach Krefeld kam, war er Teamleiter der MBE bei der Awo Duisburg. Für den Leiter des Fachdienstes bei der Caritas sind die MBE und ihr Beratungsnetz ein Modell öffentlich-zivilgesellschaftlicher Partnerschaft und ein strukturelles Rückgrat der Einwanderungsgesellschaft. "Ich bezeichne die MBE gerne als das Schweizer Taschenmesser der Beratungsdienste", sagt Ourraoui.
Die Caritas liegt zentral in Krefeld, im Hansa-Haus gegenüber vom Hauptbahnhof. Auch Busse und Straßenbahnen halten dort. Daher können viele Menschen die Caritas auf kurzem Weg erreichen, auch die MBE, die täglich viele Ratsuchende aufsuchen. "Die Kolleginnen der MBE leisten hoch qualitative Arbeit in einem Bereich, der emotional und psychisch sehr anspruchsvoll ist. Zudem erschweren uns äußere Bedingungen wie die fehlende Auskömmlichkeit der Finanzierung die Gestaltung und Planung der so sehr benötigten Integrationsarbeit", sagt Mohammed Ourraoui. Er ist davon überzeugt, dass seine Biographie ihm die Arbeit mit Menschen mit Migrationshintergrund sehr erleichtert: "Man kennt die Lebenswelt der Ratsuchenden und hat somit einen besseren Zugang zu den Menschen. Interkulturalität musste ich nicht lernen, sondern ich habe sie durch meine Biografie aufgesogen", sagt sie. Mit welchen Herausforderungen die MBE der Caritas Krefeld täglich konfrontiert ist, zeigt exemplarisch ein Blick auf einen Tag, den Ourraoui dokumentiert hat, ein Tag, wie viele andere auch.
08:00 Uhr:
Acht Anrufe von Ratsuchenden beantworten. Zehn Emails beantworten. Einen zweistündigen Arbeitskreis besuchen. Auf dem Weg zurück am Empfang des Caritas-Hauses, einer Ratsuchenden noch kurz erklären, an welche Stelle sie sich für die Schulanmeldung ihres Kindes wenden muss. Jetzt ist der 10:30 Uhr Termin da, ein Mann mit einem Suchtproblem und drohender Wohnungslosigkeit. Man vereinbart ein Co-Beratungstermin mit der Krefelder Wohnungsnotfallstelle.
10:30 Uhr:
Eine MBE-Kollegin geht in Urlaub, vorher muss eine fachliche Übergabe erfolgen. Zwei Ratsuchende von der Kollegin müssen irgendwie in dieser Woche noch untergebracht werden. Es geht um einen ablaufenden Aufenthaltstitel (Arbeitsplatzverlust droht) und um nichtgezahlte Jobcenter-Leistungen bei einer alleinerziehenden Mutter.
12:00 Uhr:
Unten am Eingang in Caritas-Haus muss ein Mann beruhigt werden. Seine Wohnung ist von Schimmel übersäht. Der Vermieter reagiert nicht auf seine Beschwerden. Wir rufen den Vermieter an und versuchen zu vermitteln. Fünf Minuten später ruft eine Mitarbeiterin eines anderen Trägers an und informiert sich über die Regelung des Elterngeldes.
13:30 Uhr:
Anruf von der Telefonzentrale am Eingang des Caritas-Hauses: Eine junge Frau sitzt dort und weint. Sie spricht und versteht kein Wort Deutsch. Sie zeigt ihren Ausweis. Okay, der MBE-Kollege spricht ihre Sprache. In einer Co-Beratung erfährt er, dass sie seit mehreren Wochen von ihrem Mann geschlagen wird. Wir telefonieren mit verschiedenen Frauen-Häusern. In Köln hätte man noch Platz. Die Frau hat kein Geld für das Ticket. Durch unseren Nothilfe-Fonds erhält sie Geld für das Ticket. Die junge Frau fährt mit einem Rucksack nach zwei Stunden los.
15:00 Uhr:
Die Fälle werden dokumentiert in der Dokumentationssoftware. Der Nothilfeantrag der jungen Frau wird geschrieben. Der 16:00-Termin ist eingetroffen: eine junge, motivierte Frau, die so schnell wie möglich den Integrationskurs besuchen möchte. Die MBE-Kollegin spricht sich mit der Kollegin der Integrationskurse ab. Vergangene Woche ist jemand aus dem laufenden Kurs abgesprungen und die Ratsuchende kann diesen Platz direkt übernehmen. Der berühmte "kurze Dienstweg". Nun findet sich noch etwas Zeit um mit den Kolleginnen die letzten Fälle zu reflektieren.