„Die christliche Kultur hat hohe Bedeutung“
Gemäß der Grundordnung sind Führungs- und Leitungskräfte der Caritas maßgeblich dafür verantwortlich, in Einrichtungen eine christliche Kultur zu etablieren, sagt Dr. Barbara Sauerzapfe, Mitglied im Ethikkomitee.DiCV Aachen
Frau Dr. Sauerzapfe, mit welchen Themen hat sich das Ethikkomitee im Jahr 2023 beschäftigt?
Vor allem haben wir uns mit der neuen kirchlichen Grundordnung und ihren ethischen Schlussfolgerungen auseinandergesetzt. Es haben uns einige Anfragen aus dem Verband erreicht, wie nun mit der geänderten Grundordnung umzugehen sei.
Welche Änderungen standen dabei im Vordergrund?
Die neue kirchliche Grundordnung setzt verstärkt auf einen institutionenorientierten Ansatz. Das heißt: Die Antwort auf die Frage, was eine Einrichtung, einen Dienst der Caritas christlich macht, findet sich im christlichen Profil oder besser noch in der christlichen Kultur einer Einrichtung wieder. Die christliche Kultur hat hohe Bedeutung. Die Christlichkeit der Caritas wird nicht mehr dem einzelnen Mitarbeiter und seiner Zugehörigkeit und Loyalität zur Kirche auferlegt.
Und welche Fragen oder Probleme ergeben sich dann für die Einrichtungen?
Auch wenn eine Kultur nur gemeinsam zu tragen ist, so sind doch auch gemäß Grundordnung die Führungs- und Leitungskräfte maßgeblich verantwortlich dafür, solch eine Kultur zu etablieren, zu halten und weiterzuentwickeln. Das bedarf einer kritischen und intensiven Auseinandersetzung mit Unternehmenskultur und Christlichkeit. Dieser Auseinandersetzung müssen sich Führungskräfte nun stellen und danach fragen, wie solche Prozesse in den jeweiligen Einrichtungen aussehen könnten. Vor allem aber gilt das große Interesse an der der Änderung der Grundordnung den Regelungen bezüglich des Themas Kirchenaustritt.
Was meinen Sie damit? Können Sie das bitte weiter ausführen?
Mitarbeiter oder Bewerber dürfen nicht mehr automatisch gekündigt oder nicht eingestellt werden, sollten sie aus der Kirche ausgetreten sein. Auch wenn dies immer noch eine Ausnahme darstellen soll, so ist in jedem Falle vorab ein Gespräch zu führen. In diesen Gesprächen gilt es zu prüfen, ob triftige Gründe einen Kirchenaustritt rechtfertigen und gleichermaßen muss geschaut werden, ob die jeweilige Person die christliche Unternehmenskultur mittragen oder noch mittragen kann.
Und genau für diese Situation hat das Ethikkomitee einen Leitfaden erstellt …
Genau. Es ist ein Gesprächsleitfaden für Personalverantwortliche entstanden, die sich mit aus der Kirche Ausgetretenen oder Austrittswilligen auseinandersetzen. Gemeinsam muss geschaut werden, ob eine Zusammenarbeit für beide Parteien gut tragbar ist, ob der Kirchenaustritt kein Zeichen einer Unvereinbarkeit zwischen Mitarbeiter auf der einen und Einrichtungskultur und -marke auf der anderen Seite ist.
Worauf kommt es dabei an?
In einem solchen Gespräch geht es besonders um den gemeinsamen Austausch. Dabei hat auch der Dienstgeber die Aufgabe, die christliche Ausrichtung der Unternehmenskultur der Einrichtung zu erläutern und vorzustellen. Was sind die Wurzeln der Caritas, aus welcher Überzeugung tun wir etwas? Welches Menschen- und Gottesbild steht dahinter und für welche Haltung treten wir ein? Gleichermaßen gilt es, dem Gesprächspartner Raum zu geben, seine Haltung und seine Einstellung diesbezüglich zu erläutern: Was assoziiere ich mit "christlich", kann ich das weiterhin mittragen? Welche Motivation habe ich, bei und für Caritas zu arbeiten, welche Haltung, welches Miteinander ist mir bei dieser Arbeit wichtig? Natürlich muss das auch an die jeweilige Position angepasst werden und in angemessener Abstufung besprochen werden.
In welcher Weise spielt das Arbeitsrecht dabei noch eine Rolle?
Das Arbeitsrecht spielt eine liberalisierende Rolle, in dem Sinne, dass etwa im Bewerbungsgespräch gar nicht mehr nach der Kirchenmitgliedschaft oder nach Austritt zu fragen ist. Ausnahme bleiben weiterhin Positionen mit Leitungsverantwortung oder mit spezifisch religiösem Bezug. Spricht der Bewerber das von sich selbst aus an, darf das natürlich als Gesprächseinladung verstanden werden. Bei Mitarbeitern muss ein Gespräch wie eben beschrieben, geführt werden. Insgesamt gilt es wie für jedes andere Unternehmen auch, bei einem solchen Gespräch zu prüfen, ob der Mitarbeiter die "Unternehmensphilosophie" bejahen kann.
Das Interview führte Anna Kohlwey.