Dass eine Krise dieses Ausmaßes Menschen angespannt und aufgeregt sein lasse, sei normal, so die Psychologin. Das habe Folgen für Kinder, Erwachsene und alte Menschen. "Bei allen aktiviert die Krise mit all ihren Einschränkungen unser Bindungssystem. Das bedeutet: Wir suchen Unterstützung, Schutz und Trost bei unseren Bindungspersonen. Für Kinder sind das in der Regel ihre Eltern, für die Erwachsenen sind es Partner, Eltern oder gute Freunde und für alte Menschen beispielsweise die eigenen Kinder oder auch feinfühlige Pflegepersonen." Körperkontakt könne dabei das Stresssystem besonders gut beruhigen und das Immunsystem wieder stärken. Die zurzeit gebotene soziale und auch körperliche Distanz bedeute daher eine große psychische Herausforderung für alle. "Und für Familien kommt noch dazu, dass Eltern und Kinder jetzt für ungewohnt lange Zeit auf engem Raum bleiben müssen und sich wegen der Bewegungseinschränkungen nicht so aus dem Weg gehen können, wie es sonst im normalen Alltag möglich ist", sagt die Psychologin.
Das hat Folgen für die Familien. Ängste, Sorgen und Anspannung der Eltern übertragen sich auf die Kinder. Säuglinge und Kleinkinder reagieren mit Unruhe und Schreien, Kinder im Kindergartenalter sind häufig viel in Bewegung, können sich nicht konzentrieren, in Ruhe spielen oder sich alleine beschäftigen. Für Jugendliche ist die Situation noch schwieriger, sagt Claudia Radermacher-Lamberty: "Alles, was Spaß macht wie sich zu treffen zum direkten Austausch mit den Freunden ist im Moment nicht möglich. Jugendliche sind genervt, da sie nicht mehr ihr eigenes Ding machen können. So sind Konflikte in den Familien schon fast vorprogrammiert." Hinzu komme, dass Eltern neben der Kinderbetreuung auch die Anforderungen ihrer Arbeitgeber erfüllen müssten. Alleinerziehende treffe diese Situation besonders schwer.
Die Diplompsychologin hält es für entscheiden, dass sich zunächst Eltern selbst beruhigen. "Sie sollten dazu nicht ihren Kindern von den eigenen Ängsten und Sorgen erzählen. Kleine Kinder können sowieso noch nicht die Hintergründe verstehen, und in der Regel werden die Kinder versuchen, ihre Eltern dann zu trösten", sagt die Expertin der Caritas Familienberatung. Sie empfiehlt Eltern unter anderem, nicht permanent online zu sein. Ständig die neuesten Nachrichten über die aktuelle Entwicklung der Krise mitzubekommen stimuliere das eigene Erregungsniveau immer wieder neu. Besser sei es, sich zwei- oder dreimal am Tag zu informieren. "Eltern können zudem Entspannungsübungen machen, die sie schon kennen oder die sie im Internet finden", so die Psychologin. Auch der Austausch mit Partnern und Freunden über die Situation dürfe nicht vernachlässigt werden. Da könne digitale Technik helfen: "Video-Chats sind hier besonders geeignet. Es tut gut, sich nicht nur zu hören, sondern auch zu sehen. Über Mimik und Gestik nehmen wir viele nichtsprachliche Botschaften auf", sagt Claudia Radermacher-Lamberty. Eltern sollten sich ferner auf ihre Stärken besinnen und sich an die Bewältigung ähnlich stressiger Situationen erinnern. Zudem sollten sie sich Auszeiten zum Luft holen nehmen und den Tag klar und verlässlich strukturieren. Hundert Prozent Home-Office bei gleichzeitiger Kinderbetreuung hält die Diplom-Psychologin für nicht umsetzbar. Vor allem Alleinerziehende sollten mit ihrem Arbeitsgeber nach kreativen Lösungen suchen. Und noch etwas gibt Claudia Radermacher-Lamberty Eltern mit auf den Weg: "In dieser für alle belastenden Situation sollten Eltern nicht versuchen, gerade jetzt große Erziehungsmaßnahmen durchzusetzen. Etwas nachsichtiger sich selbst und den anderen gegenüber zu sein kann eine wichtige Ressource sein, um den Umgang mit der aktuellen Extremsituation zu erleichtern."
Um ihre Kinder zu beruhigen, sollten Eltern altersgerecht auf sie eingehen. Babys und Kleinkinder bräuchten besonders den Körperkontakt. "Gehalten und gestreichelt zu werden gibt ihnen Sicherheit. Im Körperkontakt etwas vorzusingen oder kleine Geschichten zu erzählen kann sie auch sehr gut beruhigen." Etwas größere Kinder könnten sich schon ganz gut entspannen, wenn sie auf dem Schoß der Eltern etwas vorgelesen oder erzählt bekämen. Mit Kindern im Kindergartenalter könnten schon kleine Fantasiereisen gemacht werden. Hinweise dazu gebe es im Internet.
Konflikte könne auch durch das wegen der Schulschließungen erforderliche häusliche Lernen mit den Unterrichtsmaterialien der Schule mit sich bringen. Da sieht Claudia Radermacher-Lamberty auch die Lehrer gefordert: "Sie sollten Aufgaben mit Augenmaß stellen und verstehen, dass sie nicht das Gleiche von ihren Schülern erwarten können wie zu normalen Unterrichtszeiten."
Und wenn trotz allem die häusliche Situation eskaliert? "Eltern sollten sich nicht scheuen, sich rechtzeitig telefonisch oder online Hilfe und Unterstützung bei Beratungseinrichtungen zu suchen." Auch wenn die Caritas Familienberatung Aachen in Trägerschaft des Caritasverbandes für das Bistum Aachen bis zum 19. April vorerst den Publikumsverkehr eingestellt hat, ist sie dennoch weiter telefonisch, per Mail oder über die Online Beratung der Caritas (www.caritas.de/onlineberatung) zu erreichen. Telefonisch sind Beraterinnen und Berater von Montag bis Freitag von 9 bis 12.30 Uhr sowie Dienstag und Donnerstag bis 16 Uhr in der Caritas Familienberatung für Ratsuchende unter Tel.: 0241 33953 oder 479870 da. "Zu den übrigen Zeiten kann gerne eine kurze Nachricht hinterlassen werden. Wir werden dann umgehend zurückrufen", sagt Claudia Radermacher-Lamberty.
Die Online-Tipps der Diplom-Psychologin gibt es unter www.beratung-caritas-ac.de/aachen-corona-tipps.
Pressemitteilung
Corona-Stresstest für Familien: Caritas-Psychologin gibt im Internet Tipps
Erschienen am:
06.04.2020
Herausgeber:
Caritasverband für das Bistum Aachen e.V.
Haus der Caritas
Kapitelstraße 3
52066 Aachen
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52066 Aachen
Beschreibung