"Einrichtungen für Menschen mit Behinderung sollten Lehren aus der Krise ziehen, um Schutz und Teilhabeleistungen für Menschen mit Behinderung in eine neue Balance zu bringen", sagte Gärtner, der auch Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der katholischen Einrichtungen und Dienste für Menschen mit Behinderung oder psychischer Erkrankung im Bistum Aachen (DiAG Eingliederungshilfe) ist, und fuhr fort: "Die Einrichtungen müssen aus den Konsequenzen, die sich für sie aus der Krisen-Zeit ergeben, Impulse für die Eingliederungshilfe der Zukunft ableiten. Denn eine Krise wirkt wie ein Brennglas. Sie führt Missstände, Probleme und Ungleichheiten unübersehbar vor Augen." Raum um angemessenen Abstand zu halten und auch individuelle Assistenz seien in Werkstätten oder auch im Wohnen für Menschen mit Behinderung eine knappe Ressource. Schutzmaterialien standen nur unzureichend im Frühjahr zur Verfügung.
Kerstin Konzer ist Vorsitzende des Werkstattrates der CBW. Sie vertritt die Interessen der Mitarbeitenden. Auch bei der CBW gab es auf dem Höhepunkt der Pandemie im Frühjahr Kontaktbeschränkungen, die der Werkstattrat mitgetragen hat. "Der Schutz vor Covid 19 ist uns als Werkstattrat ein wichtiges Anliegen", sagt Kerstin Konzer. Sie verschweigt aber nicht, dass die Kontaktbeschränkungen für Viele - ob mit oder ohne Behinderung - eine psychisch sehr belastende Zeit gewesen seien. "Denn bei vielen unserer Kollegen bedeutete das, gar nicht arbeiten zu können, aber vor allem auch viele Freunde nicht mehr zu treffen. So drohte sich bei manchen Menschen mit Behinderungen große Einsamkeit und Sorgen zu Hause breit zu machen".
Seit dem 21.September arbeiten in der CBW in Eschweiler nun wieder fast alle 1300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Behinderungen. "Um Normalität zurückzugewinnen und Leistungen wieder am gewohnten Ort in gewohntem Umfang und zu den verabredeten Konditionen zu erbringen, ist es uns wichtig, wieder zu öffnen", sagt Fredi Gärtner. Die Werkstatt habe umfassende Vorkehrungen in Arbeitsschutz und Gesundheitsschutz getroffen, um allen eine Rückkehr zu ermöglichen. "Da haben wir in Absprache mit den örtlichen Gesundheitsämtern kreative und neue Wege beschritten", sagt Gärtner. Unter anderem wurden gewohnte Gruppen geteilt und zusätzliche Räume genutzt. Kontakte zu Personen, die sich auf Grund der Pandemie zurückgezogen haben, wurden telefonisch gehalten oder sie wurden besucht. "So ist es gelungen, Infektionsrisiken zu minimieren und gefährdete Besucher, Mitarbeiter und Angehörige zu schützen", sagt Gärtner.
Dass sich die Infektionszahlen bisher auf einem niedrigen Niveau bewegten, ist nach Auffassung von Frank Pinner, Fachreferent für Eingliederungshilfe beim Caritasverband für das Bistum Aachen, auch darauf zurückzuführen, dass der überwiegende Teil der Gesellschaft die AHA-Regeln (Abstand, Hygiene, Alltagsmasken) beherzigte. Nun steigen jedoch die Zahlen schnell wieder. "Diese Regeln haben für Menschen aus Risikogruppen, zu denen auch Menschen mit Behinderungen zählen, eine ungleich größere Bedeutung. Denn der Infektionsschutz kann nur dann Erfolg haben, wenn in der gesamten Gesellschaft einerseits und in den Einrichtungen wie Wohn- und Werkstätten andererseits die Möglichkeiten geschaffen werden, die Regeln einzuhalten. Die Rückkehr zur Leistungserbringung unter Vor-Corona Bedingungen in den Einrichtungen der Eingliederungshilfe kann daher im Interesse aller Beteiligten nur im Gleichschritt mit dem gesellschaftlichen pandemischen Geschehen erfolgen." Unter anderem für Tagesstätten sei auf Grundlage aktueller Verordnungen des Landes und vor Ort abgestimmter Hygienekonzepte die Rückkehr zu einer Angebotsstruktur in der Eingliederungshilfe, wie es sie vor dem Lockdown gegeben habe, nur schwer zu erreichen. Manche Menschen - wenn auch wenige - können keine Masken tragen oder Abstände einhalten. Manche Einrichtungen bieten nicht den notwendigen Platz für alle Leistungsberechtigten unter den neuen AHA-Regeln. "Wenn immer wieder von einer neuen Normalität gesprochen wird, ist diese für Menschen mit Behinderungen heute noch nicht konkret greifbar", so Pinner.
Bislang hat eine Vielzahl von Einrichtungen und Diensten der Eingliederungshilfe zur Unterstützung des Wohnens oder der Arbeit im Bistum Aachen den Kontakt mit den Gesundheitsämtern gesucht haben, um örtliche Problemlagen darzustellen und individuelle Lösungen für Einrichtungen und Dienste im Bistum Aachen abzustimmen. "Insgesamt", so Andreas Wittrahm, Leiter des Bereichs Facharbeit und Sozialpolitik im Caritasverband für das Bistum Aachen, "haben wir mit Verwaltung und Politik gut zusammenarbeiten können. Wir mussten uns allerdings immer wieder klarmachen, dass wir die Situation nicht nach einem klaren Plan, sondern immer Schritt für Schritt gestalten konnten. Und wir hatten immer zwei gegenläufige Kompass-Nadeln im Auge zu behalten: den Gesundheitsschutz und die existentielle Bedeutung der Arbeit für die Menschen mit Behinderung."
Frank Pinner ergänzt: "Auch die Landschaftsverbände gingen als Leistungsträger schnell und pragmatisch auf die veränderten Rahmenbedingungen ein. Der notwendige Mittelfluss wurde bisher flexibel auf die veränderte Leistungserbringung in den Hilfen des Wohnens oder der Teilhabe am Arbeitsleben angepasst. Wir müssen aber davon ausgehen, dass bis zur flächendeckenden Impfung gegen das Virus eine pandemische Lage die Normalität darstellt. Vor diesem Hintergrund sagt Fredi Gärtner als Vorsitzender der DiAG: "Demensprechend halten wir als Einrichtungen und Dienste der Eingliederungshilfe die durch örtliche Gesundheitsämter vorgeschriebene Gruppengrößen und gegebenenfalls rollierende Gruppen auch bis auf Weiteres für die angemessene Basis der Leistungserbringung und Abrechnung - entscheidend müssen hier für die Vergütung die mit den Gesundheitsämtern abgestimmten Hygienekonzepte bleiben. Dass sich daraus möglicherweise verringerte Stundenauslastungen der Tagesstätten, reduzierte individuelle Betreuungsumfänge oder eine veränderte Leistungserbringung ergeben, darf den Nutzerinnen und Nutzern und den Anbietern nicht zum Nachteil ausgelegt werden."
Pressemitteilung
Caritas: Corona darf keine Chancen-Krise für Menschen mit Behinderung werden
Erschienen am:
30.10.2020
Herausgeber:
Caritasverband für das Bistum Aachen e.V.
Haus der Caritas
Kapitelstraße 3
52066 Aachen
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