Zunächst sieht es nur wie eine neue Kassenleistung zur pränatalen Vorsorge aus, über die der Gemeinsame Bundesausschuss aus Ärzten und Krankenkassen Mitte August 2016 in Berlin diskutierte. Doch nur vordergründig geht es um eine weitere Kassenleistung. Bei Risikoschwangerschaften soll womöglich der Bluttest für Down-Syndrom zusätzlich angeboten und finanziert werden. Die dahinter stehende Frage ist von höchster ethischer Relevanz, meint das Ethikkomitees des Caritasverbandes für das Bistum Aachen. "Der Bluttest, der seit 2012 auf dem Markt ist und bisher nicht erstattet wird, hat keine therapeutische Ausrichtung und zielt somit nicht darauf ab, auf mögliche Fehlbildungen einzuwirken oder eine frühzeitige Therapie zu ermöglichen", sagt die Medizinerin Dr. Barbara Sauerzapfe als Mitglied des Komitees. Als Test sei er rein diagnostisch und diene zur Früherkennung des Down-Syndroms (Trisomie 21) sowie der Trisomie 13 und Trisomie 18.
Die gesellschaftliche Wirkung dieser Tests ist nach Angaben des Ethikkomitees nicht zu unterschätzen. Neue Verfahren zur Erkennung dieser Gendefekte haben inzwischen dazu geführt, dass rund 90 Prozent der diagnostisch erkannten Fälle von Down-Syndrom nicht geboren, d.h. abgetrieben werden. "Der Druck, ein vermeintlich perfektes Kind zu bekommen, wächst in unserer Gesellschaft", so der Sozialethiker Dr. Arnd Küppers. Mit der veränderten Diagnostik wachse insbesondere der Druck auf die werdenden Mütter, denen nun quasi die "Beweislast" zugunsten eines gesunden Kindes zukomme. "Dann ist man nicht fern von verdeckten oder offenen Schuldzuweisungen, wenn doch ein Kind mit Behinderung geboren wird. Dieser Gefahr ist aktiv zu begegnen", so Küppers weiter. Das Ethikkomitee fordert, bei der Diskussion insbesondere die Frage einzubeziehen, wie die Gesellschaft mit Menschen mit Behinderung umgeht und wie die im Grundgesetz verankerte unantastbare Menschenwürde konkret gelebt werden kann. Das Komitee weist auf die eindeutigen Positionen der UN-Behindertenrechtskonvention hin und warnt vor der Gefahr der vorgeburtlichen Selektion, deren Hemmschwelle bei Einführung des Tests als generelle Kassenleistung gesenkt würde.
Das Diözesane Ethikkomitee der Caritas wurde 2012 begründet und für vier Jahre berufen. Schwerpunkt der Arbeit sind die Beratung von ethischen Fragen aus den Arbeitsfeldern der Caritas, die ethische Beratung von Einrichtungen und die Planung von Angeboten zur Ethischen Orientierung. Die jährlichen Werkstattgespräche gibt es seit 2013 als offenes Forum. Dem Ethikkomitee gehören an:
- Dr. Alfred Etheber, Leiter des Bereichs Theologische Grundlagen und Verbandsarbeit in der Geschäftsstelle des Caritasverbandes für das Bistum Aachen
- Prof. Dr. Wolfgang M. Heffels, Prorektor der KatHO NRW/Fachbereich Gesundheitswesen
- Dr. Arnd Küppers, stellv. Direktor der Kath. Sozialwissenschaftlichen Zentralstelle, Mönchengladbach
- Marion Middendorp, Stellv. Leiterin der Paul-Moor-Schule in Mönchengladbach
- Dr. Barbara Sauerzapfe, Ärztliche Direktorin des Franziskus Hospitals Aachen
- Prof. Dr. Andreas Wittrahm, Leiter des Bereichs Facharbeit und Sozialpolitik in der Geschäftsstelle
des Caritasverbandes für das Bistum Aachen