Die Kernforderung des Verbandes ist: Die Politik soll für stationäre Pflegeeinrichtungen die palliative Pflege, also die Pflege schwerkranker Bewohner, gleichwertig zur aktivierenden Pflege vergüten.
Hintergrund: Neben Hospizen entwickeln sich Alten- und Pflegeheime immer mehr zu Orten, in denen Menschen hoch betagt sterben. Während Hospize finanziell und personell auf diese Entwicklung vorbereitet sind, gibt es aus Sicht der Caritas in Pflegeeinrichtungen Nachholbedarf.
Die in den Aachener Thesen formulierten sozialpolitischen und fachpolitischen Forderungen sind abgeleitet aus Interviewergebnisses eines Forschungsprojektes des Caritasverband für das Bistum Aachen zur Nachhaltigkeit der Hospiz- und Palliativkultur in Pflegeeinrichtungen, das vom Institut für Palliative Care und OrganisationsEthik / IFF Wien wissenschaftlich begleitet wurde. "Wir hoffen, damit die Akteure zu ermutigen, dass sie in die Stärkung der hospizlichen Kultur in ihren Einrichtungen weiter investieren", sagt Diözesancaritasdirektor Burkard Schröders. Die Caritas im Bistum Aachen wolle aber auch die Politik darauf aufmerksam machen, dass eine angemessene Sorge um Menschen am Lebensende Ressourcen benötige, die durch die gegenwärtige finanzielle und personelle Ausstattung der Einrichtungen nicht abgedeckt sei.
Die Caritas fordert eine angemessene personelle Ausstattung der Pflegeheime, damit die hospizliche Begleitung und die palliative Versorgung pflegebedürftiger Bewohner gewährleistet werden kann. Das bedeute unter anderem, so die Caritas, dass für die nächtliche Begleitung sterbender Bewohner ebenso wie an den Wochenenden zusätzliche hospizliche Begleitung zur Verfügung stehen müsse, ohne dass diese auf den Personalschlüssel angerechnet werden müsse. Pflegekräfte hatten in der Untersuchung berichtet, dass Sie gegenüber den anderen Bewohnern zuweilen ein schlechtes Gewissen hätten, wenn ein sterbender Mensch ihre Zuwendung stärker beanspruche als sonst. Auch die Begleitung und Beratung der Angehörigen soll vergütet werden. Zudem sollen Pflegeeinrichtungen Anreize erhalten, damit sie die Hospizkultur in ihrem Umfeld verankern, fordert der Diözesancaritasverband.
Seit mehr als sieben Jahren bietet der Caritasverband für das Bistum Aachen Altenheim-Trägern und ihren Mitarbeitern ein Entwicklungsprojekt, um die eigene Einrichtung gut auf die Sorge für sterbende Menschen vorzubereiten. Einrichtungen, die sich für dieses Projekt interessieren, können sich an Jürgen Spicher beim Caritasverband für das Bistum Aachen (Tel.: 0241 431110) wenden.
Die Aachener Thesen im Wortlaut:
Aachener Thesen zur "Nachhaltigen Hospiz- und Palliativkultur" in Pflegeeinrichtungen
Die Thesen sind abgleitet aus den Interviewergebnissen des Forschungsprojektes "Nachhaltigkeit der Hospiz- und Palliativkultur in Pflegeeinrichtungen" des Caritasverbands für das Bistum Aachen.
Präambel
Die Sorge und die Angst der Menschen vor der letzten Lebensphase kann gemindert oder verhindert werden, wenn sie Gewissheit und Vertrauen haben, selbstbestimmt sowie menschenwürdig und vor allen Dingen schmerzfrei in Begleitung ihrer wichtigen Bezugspersonen sterben zu können. Diesem Anliegen widmet sich die Hospiz- und Palliativkultur.
Die Dichte der Sterbefälle hat in Altenheimen deutlich zugenommen und die durchschnittliche Lebensdauer der BewohnerInnen hat sich häufig auf die Sterbephase verkürzt. Begleitung von Menschen in ihrer letzten Lebensphase wird zur Kernaufgabe in der stationären Altenhilfe.
In einem Projekt zur Überprüfung der Nachhaltigkeitsfaktoren für Hospizkultur und Palliativversorgung in vollstationären Pflegeeinrichtungen hat der Caritasverband für das Bistum Aachen die folgenden Bedingungen identifiziert. Sie betreffen zunächst sozialpolitische Verbesserungen im Leistungsrecht als Voraussetzung für fachliche Veränderungen im Selbstverständnis und in der Steuerung der stationären Einrichtungen.
I. Sozialpolitische Thesen
- Der Ansatz der palliativen Pflege tritt gleichwertig neben die aktivierende Pflege im Leistungsrecht sowie in den zugehörigen Verträgen und Vereinbarungen.
- Der Aufwand für die Entwicklung der Hospizkultur und Palliativversorgung in Pflegeeinrichtungen wird zusätzlich finanziert. Dieser umfasst:
- die dazu notwendige Personalentwicklung,
- die Erarbeitung der Notfallpläne und palliativen Netzwerkkarten,
- die Einführung und Sicherstellung der palliativ-ethischen Fallbesprechungen,
- die Mitwirkung in hospizlichen Netzwerken,
- die Entwicklung und Sicherung der Kooperationen mit anderen Akteuren der Hospiz- und Palliativversorgung.
- Die hospizliche Begleitung und die palliative Versorgung der pflegebedürftigen BewohnerInnen werden durch eine angemessene personelle Ausstattung gewährleistet.
Diese bedeutet im besonderen:- Für die nächtliche Begleitung sterbender BewohnerInnen stehen ebenso wie an den Wochenenden zusätzliche hospizliche Begleitungen zur Verfügung ohne Anrechnung auf den Personalschlüssel, ähnlich wie die zusätzlichen Betreuungskräfte gemäß § 87 b Pflegeversicherungsgesetz.
- Die Pflegekassen und die Sozialhilfeträger gewährleisten eine Personalausstattung, die es ermöglicht, ressourcenaufwendige Kooperationen mit spezialisierten Leistungserbringern, ambulanten Hospizdiensten und Palliativmedizinern gemäß dem gesetzlichen Anspruch zu praktizieren.
- Eine allgemeine palliative pflegerische Versorgung kann aufgrund einer ärztlichen Verordnung in Pflegeeinrichtungen über das Krankenversicherungsgesetz erbracht werden.
- Die Begleitung und Beratung der Angehörigen wird Bestandteil des Leistungsrechtes.
- Die Pflegeeinrichtungen erhalten Anreize, um die Etablierung der Hospizkultur in ihrem Sozialraum zu unterstützen.
II. Fachpolitische Thesen für die Träger und Leitungsverantwortlichen der Pflegeeinrichtungen
Die von den Kostenträgern zur Verfügung gestellten Ressourcen für die Förderung der Hospiz- und Palliativkultur werden von den Trägern und Leitungsverantwortlichen insbesondere in folgender Weise eingesetzt:
- Träger und Leitungsverantwortliche garantieren eine kontinuierliche Personalentwicklung und förderliche Rahmenbedingungen für eine nachhaltige hospizliche Haltung aller MitarbeiterInnen und die palliative Kompetenz in der Einrichtung.
- Die Achtsamkeit sowie die Sensibilität als Grundlage für die hospizliche Begleitung der Sterbenden und ihrer Angehörigen werden von den Trägern und den Leitungsverantwortlichen durch zeitliche Ressourcen für die Mitarbeitenden unterstützt. Die hospizliche Versorgung darf nicht in Konkurrenz mit anderen Aufgaben um die zur Verfügung stehende Zeit geraten.
- Hospizkultur wird durch angemessene Rituale sichtbar. Über Sterben, Tod und Trauer wird in der Pflegeeinrichtung angstfrei und offen kommuniziert.
- Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erhalten zur Bewältigung der mit der Begleitung verbundenen Grenzerfahrungen regelmäßige und an ihre Bedürfnisse angepasste Unterstützungsangebote.
- Träger und Leitungsverantwortliche präsentieren ihre Einrichtung als Ressource für die Hospizkultur im Sozialraum und schaffen Räume für Begegnungen.