72 laufende Meter Wüstenlandschaft für die Pilgerraststätte der Caritas
Monika von Bernuth (l.) vom Spectrum und die Künstlerin Vera Sous (r.) schauen sich einen Teil der Wüstenlandschaft an, die die Künstlerin in Kooperation mit Projektteilnehmerinnen des Spectrums auf Stoff für die Innengestaltung der Caritas-Pilgerraststätte schaffen.Thomas Hohenschue
In Luftlinie nur wenige hundert Meter vom Aachener Dom entfernt, öffnet werktäglich "Spectrum" seine Türen. In dem ehemaligen Ladenlokal in Burtscheid hat der Rheinische Verein für katholische Arbeiterkolonien eine gut genutzte Anlaufstelle geschaffen. Dort gehen täglich Frauen aus und ein, um im geschützten Raum Abstand zum oft bedrängenden Alltag zu gewinnen, andere Frauen zu treffen, sich gegenseitig zu unterstützen, Tipps auszutauschen, einfach alles, was gut tut.
Das Sozialgesetzbuch nennt diese Frauen nüchtern "Menschen in besonders schwierigen Lebenssituationen", aber hinter jedem Gesicht steckt eine Geschichte. Sie ist weit weg von dem, was viele Menschen kennen. Es sind Frauen, die in schwierigen, oft gewaltgeprägten Verhältnissen leben oder lebten. Es sind Frauen, die auf eine Migrations- oder Fluchtgeschichte zurückschauen. Es sind Frauen, die persönlich oder im Umfeld mit Sucht zu kämpfen haben.
Spectrum unterstützt die Frauen darin, ihre Würde zu wahren oder wiederzufinden, erklärt Monika von Bernuth. Bei allem Leid, aller Ausgrenzung, aller Benachteiligung stecken in den Frauen viele Potenziale, Fähigkeiten, sich selbst zu helfen und etwas für die Gemeinschaft beizutragen. Wie im jüngsten Kunstprojekt von Spectrum, das die Aachener Künstlerin Vera Sous mit ihnen durchführt - und mit der Caritas bei der Aachener Heiligtumsfahrt zu tun hat.
Konkret gestalten die Frauen 72 laufende Meter Stoffbahnen, zweieinhalb Meter hoch, in vier Teilen. Nach ihren Vorstellungen hat Vera Sous auf Basis von Fotos den Stoff bemalt. Die Frauen steuern nun in einem zweiten Schritt Fransen auf Stoff und gestickte Elemente bei, die dem Bild eine dritte Dimension verleihen. Was die Frauen aus alten Stoffresten zusammennähen, lässt die Wüste in den Raum hineinwachsen. Das soll die Wirkung der Oase verstärken, die in der Pilgerraststätte der Caritas zum Ruhen einlädt.
Auf diese Weise etwas zum Angebot auf dem Münsterplatz beizusteuern, schon allein das stete Wachsen des gemeinsamen Werkstücks zu beobachten, erfüllt die Frauen mit Freude und ein wenig Stolz. Schon oft haben sie etwas zum Gelingen von Veranstaltungen beigetragen, Zeichen der Solidarität gesetzt, mit Geflüchteten, mit Bedrängten, mit Arbeitslosen, mit den Menschen in der Ukraine. Jetzt wirken sie an einer mehr als 700-jährigen Pilgertradition mit.
Autor: Thomas Hohenschue