„Wie wird uns die Pandemie verändern?“
Petra Kluthausen und Ralf Omsels berichten im Interveiw über ihre Erfahrungen, die sie während der Schließung der Tagespflege der Caritas Krefeld während des ersten Corona-Lockdown im Frühjahr 2020 machten.RCV Krefeld
REGION KREFELD Mehr als zehn Jahre arbeitet die 48-jährige examinierte Altenpflegerin Petra Kluthausen in der Tagespflege Heilig Geist der Caritas Krefeld. Seit Oktober 2018 leitet sie gemeinsam mit ihrem Kollegen Ralf Omsels diese Einrichtung. Bevor der 48-Jährige vor mehr als zehn Jahren in die Tagespflege kam, leitete er Wohnbereiche in der stationären Pflege.
Frau Kluthausen, was haben Sie gedacht, als Sie erfahren haben, dass die Tagespflege wegen der Pandemie vorübergehend schließen muss?
Petra Kluthausen Mir war natürlich bewusst, dass es zu einer Schließung der Tagespflege kommen könnte. Doch als es dann so weit war, war ich besorgt. Ich fragte mich: Was geschieht mit unseren Gästen und ihren Angehörigen? Wann machen wir wieder auf? Wie wird uns, die Gäste und die Mitarbeitenden, die Pandemie verändern? Werden wir wieder als Team zusammenfinden?
Herr Omsels, wie war Ihr Gefühl?
Ralf Omsels So eine Situation hatten wir ja noch nie. Daher stand bei mir ein Gefühl der Unsicherheit im Vordergrund. Und ich habe vor allem an die Angehörigen unserer Gäste gedacht und wie sie nun zurechtkommen, wenn sie keine Entlastung mehr haben. Da hatte ich vor allem die Angehörigen demenziell veränderter Gäste im Blick. Eine große Herausforderung sah ich darin, dieses Gefühl der Unsicherheit nicht auf die Mitarbeiter und die Angehörigen zu übertragen und ihnen gegenüber Zuversicht und Ruhe auszustrahlen.
Ab dem 17. März war die Tagespflege dann geschlossen. Wie ging es für Sie weiter?
Omsels Die damalige Sachbereichsleitung für teilstationäre und ambulante Pflege, Veronika Aymanns, der Caritas-Heime-Geschäftsführer Delk Bagusat und ich haben uns zusammengesetzt, um die Mitarbeiter aus der Tagespflege in anderen Einrichtungen einzusetzen. Sehr hilfreich war, dass Frau Aymanns und Herr Bagusat eine Liste erstellt hatten, aus der hervorging, wo aus ihrer Sicht der größte Unterstützungsbedarf notwendig sei. Und dann haben wir begonnen, die Mitarbeiter einzuteilen, unter anderem nach folgenden Kriterien: Qualifikation und persönliche Situation, also ist die Mitarbeiterin alleinerziehend, muss sie morgens erst das Kind versorgen? Dann spielte auch die geografische Nähe zu einer Einrichtung eine Rolle und die Frage, ob der Mitarbeiter ein Auto hat oder Bus und Bahn nutzen kann. Und schließlich haben wir uns die Erfahrungen der infrage kommenden Mitarbeiter in einzelnen Bereichen angeschaut. In einem Fall etwa war da jemand, der hatte in der ambulanten Pflege gearbeitet.
Wohin hat es Sie dann verschlagen, um es einmal salopp zu sagen?
Kluthausen Der Krisenstab hat sich entschieden, einen Quarantänebereich für die stationäre Pflege einzurichten. Er war in einem Flügel des Altenheims im Hansa-Haus und in der gesamten Kurzzeitpflege untergebracht. Der Bereich sollte mögliche infizierte Bewohner aufnehmen, aber auch Krankenhausrückkehrer sowie Neuaufnahmen. Das Team der Tagespflege wurde gefragt, ob sie sich vorstellen könnten, dort zu arbeiten. Und sie konnten. Also haben wir aus dem "Nichts" heraus diesen Quarantänebereich aufgebaut. Es war am Anfang sehr holprig und schwierig.
Warum?
Kluthausen Der Alltag dort war ein komplett anderer. Es ist mir sehr schwergefallen, diesen Alltag hinzunehmen. Hinzu kam: Wir hatten alle eine enorme Arbeitsbelastung in dieser Zeit und waren nervlich äußerst angespannt. Wir waren ein kleines Team, das tatkräftig von anderen stationären Einrichtungen unterstützt wurde. Eine besondere Situation war auch, in voller Schutzmontur, also mit Schutzkittel, Schutzbrille, FFP2-Maske, Handschuhen, überwiegend mit grund- sowie behandlungspflegerischen Tätigkeiten beschäftigt zu sein. Trotz dieser Situation haben wir versucht, den Bewohnern die Zeit so schön wie möglich zu machen. Für mich hatten sich die Arbeitsinhalte auf einmal komplett verschoben, sie waren sehr weit weg von meinem vorherigen Alltag. Hinzu kam dann noch, die Mitarbeiter und auch die Angehörigen unserer Tagespflege weiterhin zu unterstützen und ihnen Trost zu spenden.
Und wie war es bei Ihnen, Herr Omsels?
Omsels Ich bin noch drei Tage in der Tagespflege geblieben und habe administrative Dinge zu Ende gebracht. Meine Kollegin Frau Kluthausen war noch einige Tage länger da. Danach wurde ich gebeten, im Altenheim St. Josef einen Wohnbereich ohne Leitung zu unterstützen und ebenso der stellvertretenden Pflegedienstleitung unter die Arme zu greifen, weil die Pflegedienstleitung erkrankt war. Als dann die neue Wohnbereichsleitung am Start war, habe ich sie konzeptionell unterstützt. Danach habe ich erfahren, dass wir als Tagespflege einen Quarantänebereich aufmachen. Der wurde sehr schnell aus dem Boden gestampft, es war anfangs etwas chaotisch.
Was waren denn die Herausforderungen?
Omsels Die erste Herausforderung war die Zusammenarbeit mit den Krankenhäusern, eine weitere die Halbierung des vorhandenen Wohnbereichs. Die Dienste mit so einem kleinen Team abzudecken, war auch nicht ohne. Sukzessive kam dann auch Unterstützung aus den anderen Häusern.
Wie haben diese Erfahrungen die Arbeit in der Tagespflege verändert, als sie wieder geöffnet werden durfte?
Kluthausen Ab dem 8. Juni 2020 hatten wir einen "Restart" der Tagespflege. Wir konnten nach und nach alle Mitarbeiter wieder in der Tagespflege einsetzen, weil der Quarantänebereich auf die Kurzzeitpflege reduziert wurde. Wir im Team von der Tagespflege arbeiten unter einem besonderen Hygiene- und Schutzkonzept.
Omsels Ich meine, dass die Versorgung der Bewohner unter Quarantäne-Bedingungen mit voller Schutzkleidung und dem damit verbundenen Umziehen, nachdem man ein Zimmer verlassen hatte, unser Team hat weiter zusammenrücken lassen.
Und für Sie persönlich, wie fällt Ihre Bilanz aus?
Omsels Mich persönlich haben die Erfahrungen im Lockdown darin bestärkt, dankbar zu sein für das, was man in der Tagespflege hat, und dass man das Heft des Handelns in der eigenen Hand hält.
Kluthausen Das Corona-Jahr zeigte mir zum einen meine körperlichen Grenzen auf. Zum anderen zeigte es mir, wie wichtig Zusammenhalt und Flexibilität sind. Und schließlich hat es mir noch einmal deutlich gemacht, wie wichtig es ist, den Menschen in seiner Gesamtheit zu sehen und in Beziehung mit ihm zu treten.
Info
Die Tagespflege Heilig Geist der Caritas Krefeld bietet 24 Gästen pro Tag einen Platz. Bevor die Corona-Pandemie begann, waren die Plätze gut ausgebucht. Das 21-köpfige Mitarbeiter-Team - es besteht unter anderem aus Pflegefachkräften, Pflegehilfskräften und Betreuungskräften - betreute 68 Gäste. Seit Beginn der Pandemie hat sich die Zahl der Gäste auf 37 Personen reduziert.