Für den Erhalt der sozialen Infrastruktur
Dezentrale Aktionen davor und danach haben zusätzlichen Druck gemacht, damit die Politik endlich auf das schleichende Sterben der sozialen Infrastruktur in NRW reagiert.
Die Kampagne unter dem Aufruf "NRW bleib sozial!" war ein Höhepunkt der Arbeit der Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege NRW (LAG) im Jahr 2023. Es blieb auch nicht alleine bei der Kundgebung vor dem Landtag. Sowohl davor als auch danach gab es dezentrale Aktionen. So sollte zusätzlicher Druck gemacht werden, damit die Politik endlich auf das schleichende Sterben der sozialen Infrastruktur in NRW reagiert. Die Landesarbeitsgemeinschaft Freie Wohlfahrtspflege NRW will nicht mehr hinnehmen, dass Angebote von Kita über OGS bis hin zu Betreuungsvereinen, Beratungsstellen oder Pflege reduziert oder geschlossen werden müssen, Insolvenzen drohen und die Mitarbeitenden auf dem Zahnfleisch gehen. "Es geht hier nicht um ‚Sozialklimbim‘. Es geht um Daseinsvorsorge!", wird der LAG Vorsitzende der Jahre 2022/23 Christian Woltering in der dazugehörigen Pressemitteilung zitiert. Die Kundgebung war eine weitere Eskalationsstufe, nachdem öffentliche Hilferufe an Ministerpräsident Wüst unbeantwortet blieben.
Da von politischer Seite bis zum Jahresende keine zufriedenstellende Reaktion erfolgt ist, wird die Kampagne über den Jahreswechsel hinaus fortgeführt. Zum Ende des Berichtsjahres forderte die LAG gemeinsam mit dem Landeselternbeirat NRW die Landesregierung erneut auf, endlich zu handeln.
Schwerpunktthema Fachkräftemangel
Der Fachkräftemangel war ein weiteres Schwerpunktthema der LAG-Arbeit 2023. So diente beispielsweise ein Fachtag mit rund zweihundert Teilnehmenden der Entwicklung von Strategien gegen den Fach- und Arbeitskräftemangel im sozialen Bereich. Arbeits- und Sozialminister Karl-Josef Laumann steuerte die Perspektive der Landesregierung bei und ging in den Diskurs mit Mitarbeitenden aus der Praxis von Eingliederungshilfe, stationären Erziehungshilfen oder Pflege. "Die sozialen Berufe sind von großer Bedeutung. Die Beschäftigten, die in diesen Bereichen tätig sind, leisten einen wichtigen gesellschaftlichen Beitrag. Sie tragen dazu bei, dass Menschen in schwierigen Lebenssituationen Unterstützung erhalten. Ohne ihre Arbeit wäre unsere Gesellschaft ärmer und weniger fürsorglich. Umso wichtiger ist es, dafür zu sorgen, dass auch ausreichend Personen in diesen Berufen tätig sind", so Laumann.
Die Rahmenbedingungen in der Ausbildung, die Anerkennung von ausländischen Abschlüssen und die Entwicklung neuer Konzepte in der Ausübung sozialer Berufe sind Stellschrauben, an denen in Bezug auf den Fachkräftemangel noch gedreht werden kann.
Die Freie Wohlfahrtspflege NRW weist auf soziale Missstände hin, initiiert neue soziale Dienste und wirkt an der Sozialgesetzgebung mit. Mit ihren Einrichtungen und Diensten bietet sie eine flächendeckende Infrastruktur der Unterstützung für alle, vor allem aber für benachteiligte und hilfebedürftige Menschen an. Ziel der Arbeit der Freien Wohlfahrtspflege NRW ist die Weiterentwicklung der sozialen Arbeit in Nordrhein-Westfalen und die Sicherung bestehender Angebote. Mit Pressmittelungen, Stellungnahmen und Positionierungen engagierte sie sich im Berichtsjahr unter anderem
- für ein 29-Euro-Sozialticket für einkommensschwache Haushalte,
- dafür, dass Menschen mit Armutserfahrung sichtbar werden und in den Austausch mit der Politik kommen,
- für einen unvoreingenommenen Umgang mit Familien, die Armut erfahren,
- für die Beratung und Unterstützung von Kindern und Familien, die von Armut betroffen sind,
- für grundlegende Standards zur Unterbringung und Versorgung von Asylsuchenden und für nachhaltige Lösungen, um Schutzsuchende menschenwürdig unterzubringen und teilhaben zu lassen,
- für die Wahrung der Kinderrechte und des Kinderschutzes im Umgang mit minderjährigen Geflüchteten,
- für den Ausbau der sozialen Infrastruktur für Frauen,
- für eine Qualitätsoffensive in den ambulanten Hilfen zur Erziehung
- für ein gemeinsames Agieren in Bezug auf die Herausforderungen des Kita- und OGS-Ausbaus,
- für die Stärkung der Kinderrechte,
- für Straffälligenhilfe und Opferschutz,
- für Klimaschutz und Klimafolgenbewältigung in Einrichtungen und Diensten,
- für den Erhalt und den Ausbau von Erhohlungsmöglichkeiten (Kuren) für Familien und Menschen in Erziehungs- und Pflegeverantwortung
- für die Stärkung der Freiwilligendienste
- gegen die massive Zunahme von Leiharbeit zu Lasten von Pflegebedürftigen, Pflegekräften und Einrichtungen,
- gegen die Ökonomisierung des Sozialen durch die Ausschreibung von sozialen Dienstleistungen nach Vergaberecht,
- gegen Mittelkürzungen der Jobcenter,
- gegen jede Form von Antisemitismus.
Vorsitz des Arbeitsausschusses Tageseinrichtungen für Kinder
Der Diözesancaritasverband Aachen hatte auch im Berichtsjahr den Vorsitz des LAG Arbeitsausschusses Tageseinrichtungen für Kinderinne.Mit Blick auf die Refinanzierung der Tariferhöhung gab es einen Erfolg in der Sache zu vermelden: Das NRW-Familienministerium hat eine Überbrückungshilfe in Höhe von 100 Millionen Euro als einmalige finanzielle Unterstützung der Freien Träger zur Refinanzierung der gestiegenen Personalkosten auf den Weg gebracht. Christian Woltering und Stephan Jentgens sehen in dem Rettungspaket einen "wichtigen Schritt" und ein "starkes Signal" - die sprichwörtliche Kuh sei allerdings noch nicht vom Eis.
Des Weiteren hat der Arbeitsausschuss Tageseinrichtungen für Kinder gemeinsam mit den Geschäftsführenden und Entscheidungsträgerinnen und -trägern der Verbände im Arbeitsfeld Kita federführend ein Eckpunktepapier der LAG zur anstehenden KiBiz-Novellierung erarbeitet. Es formuliert die zentralen Anliegen der LAG, nämlich
- die Stärkung der Kindertageseinrichtungen als Bildungseinrichtungen,
- die Ermöglichung der Trägervielfalt vor dem Grundsatz der Subsidiarität,
- die Gewährleistung eines verlässlichen Bildungs- Erziehungs- und Betreuungssystems sowie
- die Sicherung sowohl des Kindesschutzes als auch der Qualität der frühkindlichen Pädagogik in den Kindertageseinrichtungen.
Hintergrundinfo: Die Freie Wohlfahrtspflege in NRW
In der Arbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege NRW haben sich die Arbeiterwohlfahrt, die Caritas, der Paritätische, das Deutsche Rote Kreuz, die Diakonischen Werke und die Jüdischen Gemeinden mit ihren 16 Spitzenverbänden zusammengeschlossen.
Zusätzlich zum Vorsitz des Arbeitsausschusses Tageseinrichtungen für Kinder ist der Caritasverband für das Bistum Aachen in verschiedenen Arbeits- und Fachausschüssen, in der Kommission Pflegeversicherung, im Hauptausschuss, in der LAG-Mitgliederversammlung und in der Landesarbeitsgemeinschaft der Öffentlichen und Freien Wohlfahrtspflege in Nordrhein-Westfalen, kurz LAGÖF, vertreten. Die Verbandsgruppe Caritas hatte in 2023 außerdem den Vorsitz in den LAG-Arbeitsausschüssen Armut und Sozialberichterstattung (Dr. Frank Johannes Hensel) und Arbeit und Arbeitslosigkeit (Ralf Nolte) sowie in verschiedenen LAG- Fachausschüssen und in der Kommission Pflegeversicherung (Eric Lanzrath, DiCV Münster).
Der Vorsitz rotiert im Zwei-Jahres-Takt und wechselte zum 1. Januar 2022 von der Verbandsgruppe Caritas (Dr. Frank Johannes Hensel, Diözesan-Caritasdirektor im Erzbistum Köln) zum Paritätischen Wohlfahrtsverband (Christian Woltering, Landesgeschäftsführer des Paritätischen NRW).