Gestiegene Lebenshaltungskosten zwingen zum Handeln
Die Gestaltung des kirchlichen Arbeitsvertragsrechts, das bundesweit für mehr als 25.000 Einrichtungen und Dienste der Caritas gilt, - und damit verbunden auch die Gestaltung der Tarifpolitik der Caritas - vollzieht sich in der Arbeitsrechtlichen Kommission (AK) des Deutschen Caritasverbandes. Diese gliedert sich in eine Beschlusskommission auf Bundesebene (Bundeskommission) und in sechs Regionalkommissionen, die jeweils paritätisch besetzt sind.
Die Bundeskommission ist örtlich und sachlich bundesweit umfassend zuständig, in Bezug auf die Vergütungshöhe, die Arbeitszeit und den Erholungsurlaub ist ihre Kompetenz jedoch auf die Festlegung von Mittelwerten und Bandbreiten beschränkt. Sie setzt sich aus jeweils 28 Vertreterinnen und Vertretern der Mitarbeitenden und der Dienstgeber zusammen; hinzu kommen ggf. Vertretungen der Gewerkschaften und zugewählte Dienstgebervertreterinnen und -vertreter. Vorsitz hat der Präsident oder ein von ihm beauftragter Vizepräsident des Deutschen Caritasverbandes, der zur Neutralität verpflichtet ist.
Die sechs Regionalkommissionen sind örtlich zuständig für die Einrichtungen in den Diözesen, die der jeweiligen Region zugeordnet sind. Sachlich regeln die Regionalkommissionen auf Basis der durch die Bundeskommission gesetzten Mittelwerte und Bandbreiten die Höhe der Vergütung, die regelmäßige Arbeitszeit und den Umfang des Erholungsurlaubes für die Beschäftigten in der jeweiligen Region.
Das Berichtsjahr 2023 war das zweite in der vierjährigen Amtsperiode der Arbeitsrechtlichen Kommission, die bis zum 31. Dezember 2025 dauert. Die Vertreter der Beschäftigten im Bistum Aachen in der Regionalkommission NRW sind Ralf Degroot, Mitarbeiter von Via Nobis - Die Jugendhilfe/ Schloss Dilborn, und Dorkas Spelters, Mitarbeiterin der Alexianer Aachen GmbH. Ralf Degroot vertritt darüber hinaus auch die Interessen der Beschäftigten in der Bundeskommission.
Die Dienstgebervertreter in der Regionalkommission NRW aus dem Bistum Aachen sind Dirk Hucko, Vorstandssprecher des Caritasverbandes für die Region Düren-Jülich, und Martin Novak, Bereichsleiter Verwaltung und Zentrale Funktionen im Diözesancaritasverband. Dirk Hucko ist auch als Vertreter in der Bundeskommission tätig.
Inflationsausgleichsprämie
Die Tarifrunde 2023 / 2024 hatte ihren Auftakt bereits in der Dezembersitzung 2022 der Bundeskommission, in der die AK nach intensivem Ringen eine Inflationsausgleichsprämie für alle Mitarbeitenden der Caritas beschloss. Alle Beschäftigten der Caritas erhalten nach diesem Beschluss in den Jahren 2023 und 2024 eine steuer- und abgabenfreie Sonderzahlung von jeweils 1.500 Euro, in der Summe also 3.000 Euro. Die Höhe von 3000 Euro gilt für Beschäftigte in Vollzeit, Teilzeitbeschäftigte erhalten die Prämie anteilig. Die Inflationsausgleichsprämie für Auszubildende sollte zunächst 1.000 Euro betragen, dieser Betrag wurde jedoch in den AK-Sitzungen im Sommer des Jahres 2023 auf 1.500 Euro angehoben.
Die arbeitsrechtliche Kommission wollte damit ein Zeichen setzen, die finanziellen Belastungen aufgrund der stark gestiegenen Lebenshaltungskosten frühzeitig abzumildern. Mit der frühen Beschlussfassung in der Arbeitsrechtlichen Kommission Ende 2022 bzw. in der Regionalkommission NRW Anfang 2023 handelte sich die AK allerdings nicht nur Beifall ein. Viele Kostenträger, die öffentlichen Gebietskörperschaften und die überörtlichen Sozialhilfeträger genauso wie die Pflegekassen, lehnten es zunächst strikt ab, die Inflationsausgleichsprämie, zu deren Nutzung die Politik ausdrücklich alle Arbeitgeber eingeladen hat und die unstrittig ein "Tarifbestandteil" der AVR Caritas darstellt zu refinanzieren. Dabei war absehbar, dass auch die öffentliche Hand dieses Instrument - wenn auch aufgrund des Verhandlungsprozesses mit den Gewerkschaften zeitverzögert - ebenfalls nutzen wird.
Für die Träger der Caritas bedeutete dies, dass der verpflichtend an die Beschäftigten auszuzahlenden Inflationsausgleichsprämie zunächst keine Refinanzierung gegenüberstand. Die Unsicherheit und die Verärgerung, die bei den Trägern entstand, richtete sich dann unmittelbar gegen die Arbeitsrechtliche Kommission, die sich gewissermaßen in einer paradoxen Situation wähnte, da ihr in der Vergangenheit häufig vorgeworfen wurde, dass sie lediglich die Tarifbeschlüsse des öffentlichen Dienstes nachvollziehen und keine eigenen Impulse setzten würde.
Die Spannung löste sich erst im Verlaufe des späten Frühjahrs auf, als die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände VKA mit der Gewerkschaft ver.di einen entsprechenden Beschluss über die Gewährung der Inflationsausgleichsprämie für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes fasste.
Erhöhung der Tabellenentgelte
Die Arbeitsrechtliche Kommission der Caritas fasste im Sommer des Berichtsjahres einen zweiten Teilabschluss in der Tarifrunde 2023 / 2024 für die Beschäftigten der Caritas: Beschlossen wurde eine Erhöhung der Tabellenentgelte um zunächst 200 Euro (Sockelbetrag) und anschließend um 5,5 Prozent (mindestens aber um 340 Euro) zum 1. März 2024.
Für die Mitarbeitenden im ärztlichen Dienst wurden Entgelterhöhungen in Höhe von 4,8 Prozent zum 1. August 2023 und 4,0 Prozent zum 1. April 2024 vereinbart. Das Verhandlungsergebnis implizierte damit Entgelterhöhungen von bis zu 16,5 Prozent.
"Uns ist die enorme finanzielle Herausforderung bewusst, die diese Tarifrunde für die Dienste und Einrichtungen der Caritas bedeutet. Der Abschluss sichert jedoch die Attraktivität der Arbeitsplätze sowie die Möglichkeiten zur Personalgewinnung und sorgt zugleich für die nötige Planungssicherheit von Caritaseinrichtungen. Es war deshalb wichtig, diesen Schritt noch vor der Sommerpause zu gehen", sagte Norbert Altmann, Sprecher der Dienstgeberseite.
Arbeitgeberattraktivität steigern
Als Instrument zur Steigerung der Arbeitgeberattraktivität beschloss die Arbeitsrechtliche Kommission in ihrer Herbstsitzung, die Möglichkeiten der Stufenvorweggewährung bei Neueinstellung oder im laufenden Dienstverhältnis für Mitarbeitende der Anlagen 2 sowie 31 bis 33 AVR erheblich zu erweitern. Da in den betroffenen Anlagen teilweise bereits Regelungen zur Vorweggewährung von Stufen enthalten waren, wurden entweder neue Regelungen geschaffen oder die bereits vorhandenen um die neuen Regelungsinhalte ergänzt. Die Stufenvorweggewährung ermöglicht es den Dienstgebern, zur regionalen Differenzierung, zur Deckung des Personalbedarfs oder zur Bindung von qualifizierten Fachkräften sowohl bei Neueinstellungen als auch im laufenden Dienstverhältnis bis zu zwei Entwicklungsstufen vorab zu gewähren. Damit können Caritas-Arbeitgeber flexibler auf Entwicklungen am Arbeitsmarkt reagieren und Beschäftigten, die sich mit dem Gedanken eines Arbeitgeberwechsels tragen sowie potentiellen neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ein attraktiveres Gehalt anbieten.
Weitere wichtige Themen, die in der Arbeitsrechtlichen Kommission im Berichtsjahr bearbeitet wurden, war die Reform der Anlage 2 zu den AVR, zu der die Beratungen im Verlauf des Jahres deutlich an Fahrt aufnahmen, sowie die vom Verband der Diözesen beschlossene Musterschlichtungsordnung, mit der das vorgerichtliche Verfahren zur Beilegung von arbeitsrechtlichen Streitigkeiten in den Einrichtungen der Caritas in allen Diözesen möglichst einheitlich geregelt werden soll. Zur Umsetzung der Musterschlichtungsordnung des VDD wurden durch die Bundeskommission in den AVR Anforderungen an die diözesanen Schlichtungsordnungen gesetzt. Demnach bedarf ein Erlass oder eine Änderung einer diözesanen Schlichtungsordnung der Zustimmung der Bundeskommission; ohne diese Zustimmung besteht für die Streitparteien keine Verpflichtung, vor einem Verfahren vor den Arbeitsgerichten die Schlichtungsstelle anzurufen.
Sowohl die Anlage-2-Reform als auch das konkrete Zustimmungsverfahren zu den diözesanen Schlichtungsordnungen sind Themen, die im Berichtsjahr nicht abgeschlossen wurden und die AK auch in 2024 weiter beschäftigen werden.