Gewissenhafte Großzügigkeit hilft passgenau zu helfen
Einer der Fluthilfekoordinatoren des Caritasverbandes für das Bistum Aachen: Wilfried Reiners.DiCV Aachen
Not sehen und handeln: der Anspruch der Caritas. Einlösen müssen ihn die Mitarbeitenden. In der Regel geschieht dies mit großem Herzblut, gespeist aus innerer Überzeugung, das Richtige zu tun. Und nicht selten passen Aufgabe und Person perfekt zusammen. Wie bei Wilfried Reiners, den der Aachener Diözesancaritasverband im Herbst 2021 aus dem Ruhestand herausholte, um bei der Koordination der Fluthilfe im Bistum Aachen mitzuarbeiten. Helfen liegt ihm im Blut.
Der mittlerweile 66-Jährige hat als Betriebsleiter und später Geschäftsführer des Volksvereins Mönchengladbach vielfältige Erfahrung in Organisationsleitung und Personalführung gesammelt. Zugleich engagiert er sich seit 42 Jahren in der Freiwilligen Feuerwehr Wegberg, hat viele Einsätze und schwierige Situationen mit den Kameraden gemeistert. Und bei beiden Wegstrecken erlebte er häufig, dass man jetzt und sofort etwas tun muss, diskutieren kann man dann später.
Die fatale Flutnacht hat er mit den Augen des freiwilligen Feuerwehrmanns erlebt. Ein Damm bei Wassenberg drohte zu brechen, es galt Vorkehrungen zu treffen. Wilfried Reiners wusste, was das konkret bedeutet. Nicht vorstellen konnte er sich die schrecklichen Ereignisse im Ahrtal und auch Stolberg und Eschweiler hat ihn in dieser Dimension überrascht. Bis heute geht ihm nach, wie die ohnehin prekäre Situation der Stolberger Innenstadt durch die Flut verschärft wurde.
Umso wichtiger ist ihm, den Spendenmitteln von Caritas International einen bestmöglichen Zugang zu den Menschen zu verschaffen, die sie wirklich brauchen. Mit gesundem Menschenverstand geht er an die Anträge heran, die von den regionalen Fluthilfezentren übermittelt werden. Sein Job ist es, sozusagen von außen auf diese Anträge zu schauen, die Situation der Hilfesuchenden zu erkennen und unbürokratisch und passgenau finanzielle Unterstützung möglich zu machen.
Sowohl beim Vorschuss als auch später beim Zahlen belegter Ausgaben zählt eine gewissenhafte Großzügigkeit. Die Spenderinnen und Spender erwarten einen seriösen Umgang mit ihrem Geld, aber sie wollen Menschen in existenzieller Not helfen. Spendenverwaltung nach Schema F geht daher nicht. Den Spagat löst Wilfried Reiners mit seinem Kollegen Roman Schlag lösungsorientiert auf, indem sie mit Augenmaß Wiederbeschaffungen möglich machen. Das Zugrundelegen eines imaginären Zeitwerts, wie es Versicherungen gerne machen, hilft hier gar nicht.
In den Videokonferenzen und Treffen mit den regionalen Fluthilfezentren bespricht man die Situationen und Zwiespälte, in denen sich die Betroffenen und die Beraterinnen und Berater bewegen. Das justiert die eigene Sichtweise an den Erfordernissen. Nur ein Beispiel von der Vielfalt von Abwägungsfragen: Ein PC, der für die Arbeit benötigt wird und den das Wasser zerstörte, wird mit Hilfe von Spendenmittel durch einen neuen Rechner ersetzt. Aber dieser ist nur auf Büroaufgaben ausgerichtet, nicht auch noch für Spiele. Das würde nämlich unsachgemäß teuer.
Das Fluthilfe-Modell der Caritas im Bistum Aachen sieht Wilfried Reiners als einen richtig guten Weg an, Spendenmittel in einer großen Krisensituation zu verteilen. Zum einen entlastet das Team im Diözesancaritasverband die regionalen Kolleginnen und Kollegen von örtlicher Befangenheit und dem bürokratischen Aufwand. Zum anderen garantiert diese Herangehensweise eine gerechte Bewilligung und zügige Auszahlung von Spendenmitteln nach einheitlichen Kriterien, abgesichert durch ein Vier- oder sogar Sechsaugenprinzip. Das gebietet allein schon der Respekt vor dem Spenderwillen.
So gut vieles bereits aufgesetzt ist, so groß bleibt die Baustelle, welche die Flut im Bistum Aachen hinterlassen hat. Wilfried Reiners möchte gerne mit seiner Erfahrung helfen, das Hilfssystem weiter zu optimieren. Viele Probleme kommen jetzt erst auf oder treten zu Tage, die es vor Ort und auf Diözesanebene zu bewältigen gibt. Wie zum Beispiel die eskalierende Wohnraumknappheit und die galoppierenden Energiekosten. Für all das braucht es belastbare Strukturen auf Basis tragfähiger Standards und Absprachen. Im intensiven Austausch mit verschiedensten Beteiligten ist Wilfried Reiners da dran. Wann er wieder in den Ruhestand zurückkehrt, ist angesichts der Größe der Aufgabe für den Überzeugungstäter noch nicht ausgemacht.
Autor: Thomas Hohenschue